Exklusiv-Interview

„Wir geben fürs Autoöl mehr Geld aus als fürs Salatöl“

Alfons Schuhbeck
Alfons Schuhbeck ist einer der berühmtesten Köche Deutschlands. Gegenüber HOGAPAGE verrät er nun einige seiner Geheimnisse. (© picture alliance/Julian Stratenschulte/dpa)
Alfons Schuhbeck ist 70 Jahre alt geworden und noch kein bisschen müde. Gegenüber HOGAPAGE verrät er, wie Spitzenküche funktioniert, die Bürokratie den Gastronomen schadet und was die Bayern-Spieler wirklich essen.
Donnerstag, 09.05.2019, 09:59 Uhr, Autor: Thomas Hack

Herr Schuhbeck, HOGAPAGE gratuliert Ihnen ganz herzlich zu Ihrem 70. Geburtstag! Waren Sie an diesem Tag essen oder haben Sie selbst gekocht?
Ich habe mit der Familie ausgiebig eine gemütliche Brotzeit gemacht. Wir waren mal wieder alle beisammen und hatten viel zu ratschen.

Sie sind im Laufe der Jahrzehnte nicht nur zur berühmten Kochlegende geworden, sondern insbesondere für Ihre Faszination von Aromen und Gewürzen der Welt bekannt. Wie wichtig sind Gewürze für Ernährung und Gastgewerbe wirklich?
Sie beleben und verbessern alles, was man kocht. Ohne Gewürze wäre ein Essen wie ein Auto, das nur im ersten Gang fährt. Je mehr Gewürze man hat und je mehr man über sie weiß, desto aromatischer, abwechslungsreicher und spannender kann man kochen. Sie sind auch gesund, weil sie den Stoffwechsel fördern und unsere inneren Organe anregen. Deshalb sind sie ebenso sehr Wellness für unseren Geschmack wie Fitness für unseren Körper. Die Gewürze weckten einst das Interesse für ferne Länder und andere Esskulturen. Heute kann die Gastronomie mit ihnen den Geschmack der ganzen Welt bieten und so abwechslungsreich kochen wie nie zuvor.

Es scheint immer mehr gute Gourmetköche in Deutschland zu geben. Ist dies tatsächlich der Fall oder interessieren sich die Medien einfach nur zunehmend über die Spitzenküche?
Ja, es beflügeln immer mehr sehr gute junge Köche mit ihrem Können und ihrer Kreativität die Entwicklung der deutschen Spitzenküche. Das ist prima für internationale kulinarische Vergleiche. Leider profitieren die Gäste und die deutsche Gastronomie zu wenig von diesem Fortschritt. Denn viele dieser Jungstars bieten den Gästen lediglich ein Menü an, und die meisten Spitzenrestaurants öffnen mittags gar nicht und nur noch an fünf Abenden in der Woche. Das wiederum hat drei Hauptursachen. Zum einen am mangelnden Gästezuspruch, den die Restaurants aufgrund ihres Konzepts selbst zu verantworten haben. Zum zweiten am Staat, der die Gastronomie mit einer weltfremden Arbeitszeitpolitik und einer überbordenden Bürokratie belastet. Und zum dritten daran, dass wir in Deutschland ein gesellschaftliches Problem des Wertegefühls für Dienstleistung haben. Das trifft nicht nur die Gastronomie, sondern zum Beispiel auch Krankenhäuser, Polizei und soziale Einrichtungen.

In der Tat scheuen sich viele potenzielle Gäste noch immer davor, auch selbst einmal einen Abend in einem Sternelokal zu verbringen. Woher kommt diese Angst und ist diese auch berechtigt?
Es gibt in Sternerestaurants nichts, wovor man zurückschrecken müsste, und die früheren Gourmettempel mit Schwellenangst haben sich längst den allgemeinen lockeren Umgangsformen angepasst. Die Zurückhaltung liegt im allgemeinen deutschen Essverhalten. Simpel gesagt: Wir geben fürs Autoöl mehr Geld aus als fürs Salatöl. Da ticken Franzosen oder Italiener völlig anders und akzeptieren, dass gutes Essen – womit ich abwechslungsreiches und gesundes Essen meine – nicht billig oder gar spottbillig sein kann. Bei uns gelten die gute Küche und Restaurants, die sie bieten, traditionell als elitär. Es ist nach wie vor in Deutschland leichter, Produkten in den Agrarfabriken den Geschmack und die Güte wegzuzüchten, damit sie billiger werden, als Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass Qualität in der Küche und im Restaurant nicht für Schnäppchenpreise zu haben sind.

Sie sind seit vielen Jahren Koch des FC Bayern München. Geht es dort in der Küche grundsätzlich anders zu als in einem Sternerestaurant?  Wie „ticken“ die Bayern, wenn’s ums Essen geht?
In der täglichen Gastronomie, die wir für etwa 500 Mitarbeiter und Gäste des FC Bayern bieten, gibt’s eine abwechslungsreiche Küche, die so schmackhaft wie gesund ist. Da ist keine kochkünstlerische Sterneküche gefragt, sondern – wie man in Bayern sagt – „was Guats“. Die Spieler sind ja als Hochleistungssportler nicht auf verwöhnende Gourmetküche oder bestimmte Spezialitäten eingestimmt, sondern auf sportgerechte Ernährung, um fit zu bleiben. Direkt für die Spieler koche ich bei Auswärtsspielen in der Champions League. Gefrühstückt wird dann wie daheim: Kaffee, Säfte, Omelett, Spiegel- oder Rühreier mit oder ohne Schinken, Semmeln, Müslis, Joghurts, frische und getrocknete Früchte…Um 13.30 wird zu Mittag gegessen. Es gibt ein kalt-warmes Büffet: etwa 10 Antipasti, gemischten Salat, Fisch, Fleisch und Geflügel, Kartoffeln, Reis, Nudeln, Saucen, Olivenöl… Das bekommen sie immer so, wie sie es mögen. Was sie an Sonderwünschen haben, wird besorgt, ob koscheres Fleisch oder ein spezielles Gewürz. Um 16.30 gibt’s Kaffee mit Sandwiches, trockenem Kuchen – und a bisserl Pasta, die manche Spieler auch um diese Zeit mögen. Nach dem Spiel essen die Spieler gerne Nudeln und Salat.

Ein Problem der Gastrobranche ist heutzutage der Fachkräftemangel. Was können Sie dem interessierten Nachwuchs sagen, um diesen z.B.  für eine Kochausbildung zu begeistern?
Man kann jedem, der kochen lernen will, versprechen: Jeder, der gut kocht oder einen guten Service macht, findet in der Gastronomie immer einen gesicherten Arbeitsplatz – wenn er Sprachen kann, sogar in der ganzen Welt. Die härteste Nuss die wir heute zu knacken haben, ist ein gesellschaftliches Problem. Als ich Azubi war, da wussten Köche noch gar nicht, dass man an Weihnachten und am Wochenende auch was anderes machen konnte als arbeiten. Das galt als selbstverständlich. Das hat sich verändert, weil sich die Gesellschaft und die Leistungsbereitschaft verändert haben. Die Gastronomie ist ein Hauptbetroffener dieser Entwicklung. Wir können nur hoffen und etwas dafür tun, dass die Bereitschaft zur Dienstleistung wächst. Dass müssen die Politik und die Gesellschaft insgesamt in Angriff nehmen. Es wird aber nur gelingen, wenn auch die allgemeine Wertschätzung für Dienstleistung wächst und damit auch die Bereitschaft, sie angemessen zu bezahlen.

Mal Hand aufs Herz: Genehmigen Sie sich selbst auch einmal ab und zu eine Fertigpizza oder einen Döner Kebab von nebenan?
Normalerweise nicht, aber ein bayrischer Leberkas oder Weißwürste gehören zum Bayern dazu.

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