„Ich werde den Tod entspannt erleben“
Ein Lächeln breitet sich über das schmale Gesicht von Alfred Biolek aus. Nein, einen Wunsch zu seinem 85. Geburtstag am 10. Juli 2019 hat er nicht mehr. „In diesem Alter ist man jetzt relaxt“, sagt er. „Es ist soviel passiert in meinem Leben. Die vielen Sendungen – und wie ich gelebt habe. Sehr viel extrovertierter als heute. Es war alles anders.“ Sein heutiges Leben bestehe zu einem großen Teil aus der Erinnerung. „Ich erinnere mich gern an die tollen Zeiten, versuche aber auch heute, ein gutes Leben zu führen. Das heutige ‚gut‘ ist anders als das damalige ‚gut‘, als ich noch aktiv war. Aber ich versuche trotzdem, positive Dinge zu erleben.“ Diese positiven Dinge sind ganz klein: „Für mich ist zum Beispiel wichtig, dass ich abends noch die Butter aus dem Kühlschrank nehme, damit ich sie morgens gut streichen kann. Neulich bin ich nachts um zwölf aufgewacht und habe überlegt: ‚Hast du jetzt die Butter rausgestellt’» Da bin ich dann in die Küche gegangen und habe nachts die Butter rausgeholt.“ Und am Morgen habe er sich dann gefreut.
„Das Thema Essen und Kochen war ja ganz groß in meinem Leben“
Es gehe ihm gut, sagt er, während er in seinem Kölner Stammrestaurant ‚Acht‘ an einem Milchkaffe nippt. Trotz aller gesundheitlichen Einschränkungen, die durchaus da sind. Seinen 85. will er klein feiern, mit zehn Freunden auf der Terrasse seiner Wohnung. „Kein Fest draußen, keine große Party, das hat’s ja alles gegeben, das ist vorbei.“ Das Essen lässt er kommen. „Das Thema Essen und Kochen war ja ganz groß in meinem Leben, mit den Kochshows, die ich gemacht habe. Aber seit ich 80 bin, ist das alles zurückgegangen. Ich koche ja selbst auch nicht mehr. Wenn jemand bei mir kocht, helfe ich. Ich schneide die Zwiebeln. Aber ich koche nicht mehr.“ Er isst auch nur noch wenig. Morgens ein Brot mit Butter und Marmelade, dazu einen Milchkaffee. Mittags etwas Süßes und erst abends was Richtiges. Entweder ein Freund kocht für ihn, oder er bestellt was, oder er geht essen. Zum Glück wohnt er im Belgischen Viertel, dem Genießerviertel von Köln mit vielen Restaurants ganz in der Nähe. Gut zu Fuß ist er nicht mehr. „Ich esse nicht vegan“, bekennt er. „Aber auch keine riesigen Fleischhaufen. Ich esse alles reduziert auf kleine Portionen. Aber ich bin offen nach allen Seiten. Mir wird immer gesagt. ‚Oh, du isst zu wenig!‘ Aber dann sage ich immer: „In meinem Alter isst jeder wenig.’“
Von der „Drehscheibe“ zu „Alfredissimo“
Der ‚Grandseigneur‘ des deutschen Fernsehens kam 1970 über die Redaktion der „Drehscheibe“ zum WDR nach Köln und entwickelte dort mit Rudi Carrell die Samstagabendshow „Am laufenden Band“, die erfolgreichste Sendung der 70er Jahre. Parallel dazu sammelte er im „Kölner Treff“ erste Moderationserfahrung und bekam 1978 seine eigene Sendung, „Bio’s Bahnhof“. Danach war er im deutschen Fernsehen 30 Jahre ständig präsent. Er war eine eigene Marke mit drei Buchstaben: Bio. Seine Ära endete erst 2007 mit der letzten Folge der Kochsendung „Alfredissimo“. Lange war Biolek ein fester Bestandteil der Berliner Gesellschaft. Wenn er eines seiner rauschenden Feste gab, kamen alle: der Regierende Bürgermeister, der Ex-Kanzler, der Bundespräsident. Doch dann veränderte sich sein Leben von einem Tag auf den anderen: 2010 stürzte er auf der Treppe, zog sich Kopfverletzungen zu und fiel ins Koma. Danach war sein Gedächtnis weg. Erst beim Lesen seiner Autobiografie kehrte die Erinnerung zurück.
Offen gegenüber dem Tod
In der Reha fiel ihm das Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse ein: „Nimm Abschied und gesunde!“ Biolek: „Mir ist klar geworden, dass ich eine neue Stufe gehen musste. Ich musste von Berlin nach Köln zurückgehen.“ Denn ihm war aufgefallen, dass er in Berlin zwar viele Bekannte hatte, seine richtigen Freunde aber überwiegend in Köln wohnen. Allen voran kümmert sich heute sein Adoptivsohn Scott Biolek-Ritchie um ihn. Angst vor dem Tod hat Biolek nicht, und er kann auch genau sagen, warum: „Ich habe keine Vorstellung davon, was nach dem Tod passiert, aber ich bin ganz offen, und mit der Haltung werde ich auch das ertragen.“ Bisher sei das Leben gut zu ihm gewesen, warum sollte sich das zum Schluss plötzlich ändern? „Ich habe das Gefühl, ich werde den Tod genauso entspannt erleben wie alle Dinge in meinem Leben.“ (dpa/TH)