„Wir müssen wieder mehr Selbstbewusstsein an den Tag legen“
HOGAPAGE: Herr Pansi, Sie sind Jahrgang 1979 und damit der jüngste VKÖ-Präsident aller Zeiten. Wollen Sie den Verband in neue Zeiten führen und ihn sowohl personell wie auch inhaltlich verjüngen?
Mike Pansi: Ja bringt der Zauber der Jugend wohl so mit sich … Jedoch ist es mir ganz wichtig nicht auf die Traditionen und beständigen Fundamente des Verbandes zu vergessen – immerhin gehört der VKÖ zu den ältesten Institutionen der Republik und ist tief bis in die Monarchie verwurzelt. In Vorarlberg haben wir ein Sprichwort „Meor ehrod das Ault, und grüssed das Nü“ des Bregenzerwälder Mundartdichters Gebhard Wölfle das frei übersetzt so viel heißt wie „Wir ehren die alten Traditionen, begrüßen aber auch neue Wege“.
Viele große Namen als Präsidenten vor mir verpflichten auch. Jedoch muss jede große und vor allem alte Institution mit der Zeit gehen. Es hat sich Vieles geändert und heute gelten andere Regeln als früher, auch ist die Zeit viel schnelllebiger. Aber auch die Definition von Verband und Mitgliedern hat sich gewandelt. Digitalisierung und Social Media haben in die Küchen Einzug gefunden aber auch in unseren Verband. Wir haben einen großen Generationen-Schritt nach unten gemacht und drastisch verjüngt jedoch in einer gesunden Form, ohne die Verbindung zu unseren Altvorderen und den gewaltigen Erfahrungspool zu verlieren.
Das Image des Kochberufes ist in jüngster Zeit nicht immer das Beste. Stichwort Personalmangel. Welche Rahmenbedingungen würden Sie sich anders wünschen, damit es für junge Menschen wieder attraktiver wird, im Gastgewerbe zu arbeiten?
Die Frage muss man eigentlich aus mehreren Perspektiven sehen. Ich glaube nicht, dass das Image des Koches per se gelitten hat, wenn man es auf den Beruf und die Möglichkeiten, die Arbeitsplatzsicherheit und das Handwerk und die Kunst der Köche bezieht. Es gibt auch global gesehen kaum einen Beruf, der so von seinem Image geprägt ist und hoch angesehen in den unterschiedlichsten Kulturen. Wenn ich mir ansehe, dass im Weltkochverband 12,5 Millionen Köchinnen und Köche vereint sind kommt das nicht von ungefähr. Das Image der Branche wiederum sehe ich doch als nicht optimal, wobei ich da ganz klar sagen muss, dass sehr viele Urban Legends mitspielen und viele Dinge nicht ganz so schlimm sind wie sie immer dargestellt werden.
Ich glaube sehr viel spielt da die öffentliche Meinung mit. Österreich hat vergessen, was es ist: ein Tourismusland. Umso erschreckender und skandalöser ist es, wie wir mit dieser Branche umgehen! Ja, es ist nun mal Faktum in dieser Branche, dass wir dann Arbeiten wenn andere frei haben. Jedoch glaub ich, dass dies nicht das Hauptproblem ist. Wenn wir von Rahmenbedingungen sprechen, denke ich, dass es sicherlich die Balance zwischen Arbeit und Freizeit ist und wir täten gut daran, uns ein Beispiel an Skandinavien zu nehmen, wo z.B. eine 3-4-Tage-Woche für Köche in der gehobenen Gastronomie möglich ist. Wir müssen uns mit der Branche und der Zukunft auseinander setzen und auch mal gewisse „Heilige Kühe“ zur Schlachtbank führen und uns neu erfinden und definieren. Wenn wir von Flexibilisierung sprechen muss das auf beiden Seiten passieren.
Für mich persönlich haben wir den Zugang in die Gastronomie viel zu schwach angesetzt, wir müssen wieder mehr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen an den Tag legen. Starke Bildung nach der Lehre – z.B. Stärkung des Küchenmeisters in Wertschätzung und Anerkennung oder Möglichkeiten schaffen, Ausbildungen zu verschränken, sodass ein Küchenchef später auch mal Optionen hat, sich zu verändern. Wir müssen unsere Branche wieder sexy machen und die richtigen Typen und Menschen für unsere Berufe finden. Abstellgleis Gastronomie darf nicht mehr Alltag sein! Die Oma, Eltern, Lehrer oder sonst wer im Leben der jungen Menschen müssen, wenn der Berufswunsch Koch kommt, begeistert davon sein und stolz sein, dass der junge Mensch in den Tourismus geht und „Chef“ (englisch für Koch) wird. Dem Handwerk, der Kunst, dem Koch und Gastronomen den Stellenwert und Respekt wiederzugeben, den Sie verdienen. Wir dürfen eines nicht vergessen: Die Österreichische Küche ist unser Kulturgut – tief verwurzelt und identitätsstiftend. Wenn wir nicht gegensteuern stirbt nicht die Gastronomie aus, aber das gute Essen und ein gewaltiger Teil unserer Kultur!
Andererseits sind Köche die neuen Rockstars. Von Jamie Oliver über Tim Mälzer bis hin zu Roland Trettl werden aus dem TV bekannte Köche teilweise um Autogramme gebeten. Bringt das keine positiven Auswirkungen auf die Branche?
Ja natürlich, das meinte ich auch damit, dass das Image des Koches nicht per se gelitten hat sondern sogar gestärkt ist. Wenngleich natürlich das Abbild das im TV des Berufes Koches nicht unbedingt den Charakter einer Dokumentation des Alltages erfüllt. Und dennoch hat die Medaille zwei Seiten und ich finde schon, dass mein Beruf ganz viele Facetten eines Rockstars hat und dass man, wenn man es in aller Konsequenz durchzieht, Möglichkeiten hat als Koch, die man in anderen Berufen sicherlich nicht in dieser globalen Breite hat. Also wenn Sie mich fragen ob es positive Auswirkungen hat, würde ich tendenziell ja sagen. Wobei ich auf der anderen Seite dann wiederum kritisch hinterfragen muss, warum der Beruf gerade in Österreich auf politischer Ebene nicht das Standing hat, das er verdient hätte. Als der große Monsieur Paul Anfang dieses Jahr in Frankreich gestorben ist, ist ein Innenminister vor die Presse getreten ist, um dies zu verkünden und eine Nation trauerte – das ist Image, das ist Wertschätzung für eine wichtige Branche!
Vor allem sehe ich, wie in Österreich und auch in Frankreich die Kulinarik und Küche Kulturgut ist. Wenn Sie mich fragen, gibt es für mich nicht viele Weltküchen, jedoch die Französische, die Italienische und die österreichische zählen aufgrund ihres Umfangs ganz klar dazu. Ein Österreich ohne Tourismus und ohne unsere Kulinarik möchte ich mir nicht vorstellen müssen.
Apropos Rockstars: Stefan Marquard war wahrscheinlich einer der ersten bekannten Köche, die den Piratenlook etabliert haben. Heute sind Tätowierungen, Piercings und kreative Bärte fast schon Standard in vielen Küchen. Sehen sich Köche heute mehr als kreative Künstler als noch vor 20 oder 30 Jahren, wo man eher Handwerker war?
(Schmunzelt) Ich finde nicht, dass das eine das andere ausschließt oder aufwiegt. Ja früher war die Disziplin und das Hochansehen des Handwerks stärker geprägt und heute ist es die kreative Kunstform des Kochens, jedoch ist und war es immer ein Kunsthandwerk. Ich glaube kein anderer Beruf verbindet es mehr wie das Kochen, wo das Ergebnis und das Feedback auch sofort und direkt zurückkommt. Die hohe Kunst und das Handwerk – Aussehen, Farben, Geschmack und Aromen von einer Idee auf einen Teller zu bringen – benötigt beides zu gleichen Teilen um ein erfolgreicher Koch zu sein. Wenn uns aber das Ansehen eines Künstlers mehr hilft, unsere Positionen und Philosophien anzubringen, als das eines Handwerkers, soll es mir recht sein. Jedoch glaub ich wir sind beides.
Nach wie vor gibt es das Paradoxon, dass im privaten Bereich die meisten Frauen kochen, in Gastroküchen Frauen aber eher unterrepräsentiert sind, erst recht an der obersten Spitze. Die Slowenin Ana Ros wird schon länger quer durch halb Europa von einer Talkshow zur anderen gereicht als eine der raren Top-Vorzeigeköchinnen. Woran liegt das?
Ich bin der Überzeugung, dass es keinen Unterschied macht, ob eine Frau oder ein Mann unseren Beruf ausübt, eher sogar aus der Erfahrung her, dass Frauen ein wenig effizienter sind und das Feingefühl für die Kochkunst und das Handwerk haben. Aber das liegt wohl eher am „starken“ Geschlecht Frau. Dass in den Profiküchen mehr Männer als Frauen etabliert und stärker präsentiert sind, ist für mich einfach historisch bedingt und weil Männer immer das Alphawolf-Gen in Machtpositionen entwickeln. Aber ich glaube, wir sind da kein ausschließlicher Beruf wenn ich da früher an Mechaniker, Militär, Elektriker, Installateur u.v.m. denke. Es zeichnet sich bei uns halt mehr ab, weil das verschrobene alte Geschlechterbild da jeden betrifft und aus der Kindheit weil die „Oma und Mama kochen“. Wenn ich mir aber im privaten Bereich die letzten Jahre ansehe oder schau, wer am meisten Kochkurse bei mir im Betrieb bucht, ist da auch ein Wandel. Immer mehr Männer kochen. Ich glaube sogar, dass die Küche, das Kochen und die schönen technischen Spielereien das Auto als Prestigeobjekt ersetzen!
Gab es bei Ihnen selbst je eine Phase, in der Sie sich gewünscht hätten, in einer anderen Branche tätig zu sein?
Es glaubt mir zwar nie einer aber nein, ich wollte seit ich im Kindergarten war Koch werden. Das war und ist mein Traumberuf, nichts anders könnte ich mir vorstellen zu sein. Ich wollte nie Matura machen oder studieren! Rückblickend in meinem Leben muss ich auch sagen, es wäre vieles nicht passiert, viele Begegnungen, Menschen und wunderbare Momente, wenn ich nicht Koch wäre. Ich sehe die Vorteile des Koch-Seins überwiegender als die Nachteile.
Welche Eigenschaften sollte ein junger Mensch heute mitbringen, wenn er sich für eine Karriere als Koch entscheidet?
Primär sollte man es wirklich wollen, ich denke schon, dass man als Koch ein wenig geboren sein muss. Es braucht gewisse Faktoren, die einem im Blut liegen müssen. Ja es ist nicht der leichteste Beruf zu erlernen und auszuüben, jedoch wenn man es aus Leidenschaft macht und es seine Passion ist, gibt es viele Aspekte, die einem bereichern werden. Man muss Teamplayer sein, kreativ angehaucht, mit Stress umgehen können und – was ich am wichtigsten finde – man muss Lebensmittel, Geschmack, Aromen lieben und offen für alles sein. Man muss sich auf den Beruf Koch einlassen und darin aufgehen.
Jobs für Köche findet man auf der HOGAPAGE Jobbörse: Koch Jobs