„Unsere Azubis stehen nicht drei Jahre an der Bar“
Fachkräftemangel überall in der Hotellerie und Gastronomie. Wie kann man das Blatt wenden? Oder hat eine Wende vielleicht schon eingesetzt? Hoteldirektor Frank Erhard vom Hotel Zugspitze in Garmisch-Partenkirchen spricht im Interview darüber, wie man Auszubildende fit für den Beruf macht und was für Fachkräfte von morgen heute wichtig ist. Außerdem verrät er, warum das Hotel für ihn immer noch der faszinierendste Arbeitsplatz der Welt ist – und bleibt.
Worauf muss man als Hotelier bei der Ausbildung von Fachkräften heute besonders achten?
Ganz wichtig ist, Azubis nicht als kostenfreie Arbeitskräfte zu sehen – wir bilden Fachkräfte aus! Natürlich besteht unsere Ausbildung hauptsächlich aus Vormachen und Nachmachen. Doch das fachliche Hintergrundwissen nimmt man eher selten beim Abendservice mit. Daher nehmen wir uns Zeit für Schulungen auf einer möglichst breiten Palette verschiedener Themengebiete. Kürzlich hatten wir beispielsweise eine Schulung zum Thema Tee, zusammen mit einem Hersteller, und in Kürze führen wir wieder eine Brauereiführung durch. Nur so weitet sich der Blick und der Erfahrungshorizont von Auszubildenden.
Wie kann man Mitarbeitenden von morgen eine solide Fachkompetenz im Arbeitsalltag vermitteln?
Was wir heute in unser Fachpersonal investieren, zahlt sich morgen doppelt aus. Das heißt, wir müssen den Azubis schrittweise Kompetenzen und Verantwortung übertragen. Unsere Auszubildenden im Hotel Zugspitze stehen nicht nur drei Jahre an der Bar und schenken die Getränke nach Bon aus oder polieren Besteck. Natürlich gehört das auch dazu. Doch nach einiger Zeit bekommen sie erste eigene Tische zugewiesen und können Bestellungen direkt am Gast aufnehmen und buchen. Wir führen sie in jeder Abteilung Schritt für Schritt an die Fertigkeiten heran, die sie in ihrer Ausbildung beherrschen müssen. Bei Fragen stehen ausgelernte Kräfte immer zur Verfügung.
Und wie geht es nach der Ausbildung weiter?
Wir wollen frisch gebackene Fachkräfte an uns binden und bieten ihnen daher einen garantierten Arbeitsplatz nach der Ausbildung. Allerdings sind die Jahre des Lernens mit der bestandenen Prüfung noch lange nicht vorbei. Gerade nach der Ausbildung sehen wir bei den übernommenen Azubis noch einmal einen gewaltigen Schub in Sachen Selbstbewusstsein. Ihnen wird mehr Verantwortung zugesprochen und sie nehmen diese auch gerne an. Uns ist es wichtig – auch wenn das beiden Seiten immer wieder schwerfällt –, dass unsere Auszubildenden nach ein bis zwei Jahren als Fachkraft in unserem Hotel unbedingt auch andere Erfahrungen, nämlich außerhalb unseres Hauses sammeln.
Lange Arbeitszeiten und geringe Entlohnung: Bremst der Ruf der Hotellerie und Gastronomie den Bewerbermarkt nach wie vor?
Ja, das ist leider immer noch so. Natürlich sind Wochenendarbeit, Feiertags- und Abendschichten nicht für jeden lukrativ. Das kennt man in der Hotellerie und Gastronomie schon. Der schlechte Ruf deckt sich in den meisten Fällen aber nicht mehr mit der Gegenwart. Er stammt aus den vergangenen zwei bis drei Jahrzehnten. Und darunter leiden wir immer noch. Schlechte Bezahlung mit unbezahlten Überstunden, Feiertage wurden nicht angerechnet und sechs bis sieben Tage-Wochen waren früher normal – beim Gehalt einer Vollzeitkraft. Von mangelndem Respekt gar nicht zu reden.
Haben sich die Berufsbedingungen in Hotel und Restaurant im Vergleich zu früher denn bereits verbessert?
In den vergangenen Jahren hat sich zum Glück viel geändert. Die Gehälter gingen und gehen langsam nach oben und Stunden werden korrekt geführt. Im Hotel Zugspitze haben wir mit verschiedenen Maßnahmen ganz gezielt für eine Aufbesserung des Betriebsklimas gesorgt: Eine digitale Zeiterfassung mit minutengenauer Abrechnung wurde implementiert, die jedem Mitarbeiter monatlich per E-Mail zugeschickt wird. Unsere Mitarbeiter erhalten 50 Prozent Rabatt auf Hausleistungen und Massagen, auch stehen kostenlose Parkplätze zur Verfügung. Außerdem versuchen wir nach Möglichkeit, alle Wünsche nach flexibler Freizeitplanung zu erfüllen. Und natürlich werden die Gehälter unserer Mitarbeitenden pünktlich bezahlt. Darüber hinaus haben wir während der pandemiebedingten Kurzarbeit die Gehälter um 100 Prozent aufgestockt.
Wie sieht Ihr Blick in die Zukunft aus?
Ich bin sehr zuversichtlich, dass die gesamte Hotel- und Gastronomiebranche in ein paar Jahren ihr schlechtes Image abgelegt haben wird und dann auch wieder viel mehr Auszubildende zu uns kommen. Denn mal ganz ehrlich: Welchen Beruf gibt es noch, der so vielfältig ist, wie der im Hotel und im Restaurant? Hier kann man machen, denken, lenken, sich kümmern, aktiv werden, etwas unternehmen, mit Menschen arbeiten und sich in ganz viele Richtungen entwickeln. Das Hotel ist für mich immer noch der faszinierendste Arbeitsplatz der Welt.
(Hotel Zugspitze/MK)