Oktoberfest 2022: „Die Wiesn erfindet sich immer ein Stück weit neu“
Herr Inselkammer, zwei Jahre kein Oktoberfest sind eine lange Zeit. Wie haben Sie und die anderen Wirte die lange Durststrecke überbrückt?
Erst einmal galt es, den Schock der Wiesn-Absage zu verkraften. Besonders aufreibend war das Zusammenspiel aus Ungewissheit, Hoffnung und Phasen der Ernüchterung. In der Wiesn steckt ja enorm viel Vorbereitung – wir fangen mit den Planungen bereits im Februar an. Fast könnte man sagen, wir haben mit der Hoffnung auf die Wiesn die Durststrecke überbrückt, denn die war gleichermaßen bis zur Absage oder – wie jetzt, bis zur Zusage – immer da. Beschäftigt waren wir damit, uns Gedanken zu machen, wie wir die Zeit überbrücken und über die Runden kommen konnten. Wie konnten Kosten reduziert werden etc. Es hat ja auch jeder der Wirte noch einen anderen Betrieb hinter seinem Zelt stehen, der Mitarbeiter in Beschäftigung gehalten hat, aber leider auch größtenteils stillstand. Doch wir haben uns nicht entmutigen lassen und aus der kreativen Zusammenarbeit der Wiesn- und Innenstadtwirte ist die WirtshausWiesn entstanden. Ein schönes Projekt, das wir dann doch noch in sehr kurzer Zeit realisieren konnten. Ein echter Wiesn-Wirt lässt sich halt nicht so einfach unterkriegen!
Wie fühlt sich das an: endlich wieder Wiesn nach zwei Jahren Pause? Ist man da dann eigentlich noch voll drin im Thema oder sind Sie etwas „eingerostet“?
Im Thema sind wir auf jeden Fall drin. Wir haben uns schließlich Jahr für Jahr viele Gedanken um die Wiesn gemacht. Ob wir etwas eingerostet sind, wird sich zeigen – vielleicht werden ein paar Prozesse nicht gleich auf Anhieb rundlaufen. Doch ich bin davon überzeugt, dass sich in der Praxis alles schnell wieder einspielen wird. Ich bin sehr gespannt, sobald der Aufbau losgeht, was dann doch noch auf uns zukommt – das wird bestimmt nochmal eine interessante Phase. Zudem stehen wir vor ganz neuen Herausforderungen, die wir so bisher noch nicht kannten, wie etwa der Rohstoffkrise – simple Bestandteile sind nicht mehr wie gewohnt lieferbar. Da heißt es jetzt, Dinge ganz neu denken und neue Lösungen zu finden.
Was gibt es Neues im Zelt?
Wir starten dieses Jahr mit einem neuen elektronischen Abrechnungssystem. Das wird die nächste Herausforderung für uns, da auch die Mitarbeiter sich hier auf Neuerungen einstellen müssen. Auf der Wiesn hat man keine Möglichkeiten, so etwas nach und nach einzuführen und ausgiebig zu testen. Da fällt der Startschuss erst vor Ort und wir hoffen, dass alles problemlos läuft. Zur Sicherheit haben wir unsere alten Prozesse noch parat und können auch „hybrid“ laufen. Außerdem wurde unser Reservierungssystem digitalisiert: Inzwischen sind Online-Reservierungen und -zahlungen möglich, etwa per PayPal.
Gesellschaftlich hat sich in der Zeit eine ganze Menge getan. Muss sich auch die Wiesn neu erfinden?
Die Wiesn erfindet sich immer ein Stück weit neu. Jedes Jahr verändert sich ein bisschen etwas und wir versuchen uns natürlich auch kontinuierlich zu verbessern. Das reicht von internen Prozessen bis hin zu neuen gesellschaftlichen Anforderungen. Uns beschäftigt derzeit beispielsweise das Thema „Nachhaltigkeit auf der Wiesn“ sehr. In vielen Dingen sind wir bereits Vorreiter. So schreiben wir unter anderem auch das Thema „Müllvermeidung“ ganz groß oder beziehen von der Stadt München ausschließlich Ökostrom. Darüber hinaus müssen wir unsere Speisekarten jedes Jahr neu denken und uns die Frage stellen, ob auch unsere Gäste anspruchsvoller geworden sind, was die Herkunft der Lebensmittel und Alternativen wie vegetarische oder vegane Gerichte angeht.