„Jedes Hotel braucht heute ein Insta-Motiv“
Thomas Corinth ist Lehrverantwortlicher des Bachelor-Studiengangs „Hotel Management“ sowie Dozent im Bachelor-Studiengang „Hotel- und Tourismusmarketing“ an der IST-Hochschule für Management. Mit ihm haben wir über die Bedeutung und das Potenzial von sozialen Netzwerken als Marketing-Tool für die Branche gesprochen und was man im Vorfeld beachten sollte.
Herr Corinth, immer wieder hört und liest man, dass es um die Social-Media-Akzeptanz in der Hotellerie und Gastronomie (noch) nicht allzu gut bestellt ist. Wie ist Ihre Erfahrung? Wie sehr nutzen Gastronomen, Hoteliers und Tourismusmarketer aktuell die Sozialen Netzwerke –
- im Vergleich zu Akteuren anderer Branchen in Deutschland?
Social Media steckt immer in den Kinderschuhen, einfach, weil die Entwicklung so rasant ist und die Nutzer wechselfreudig. Das betrifft nicht nur den Wechsel zwischen den sozialen Medien, sondern auch den Hotels und Gastronomiebetrieben. Natürlich kämpfen alle gerne um Stammgäste, aber gerade in den Städten gibt es so viele spannende Neueröffnungen, dass ein Wegbleiben eines Gastes nicht unbedingt Unzufriedenheit bedeutet. Es kann beispielsweise auch Ausdruck dessen Neugierde auf Neues sein. Dennoch ist die Nutzung der sozialen Medien im Vergleich zu anderen Branchen ausbaufähig. Das lässt sich aber natürlich leichter schreiben als leben, denn soziale Netzwerke wollen gepflegt werden … täglich, stündlich, minütlich.
- im Vergleich zu anderen Marketingmaßnahmen wie Email- und Newsletterversand, eigene Webseite, klassische Printwerbung etc.?
Ganz vorne steht immer noch die (gepflegte) Webseite mit unkomplizierter Buchungsfunktion, gefolgt von intelligenten Newslettern. Prints haben sich größtenteils überholt und sind nur noch für wenige Unternehmungen oder punktuell sinnvoll einsetzbar. Letztlich kommt es aber auf die Kundensegmente und das Produkt an. Die Devise „One fits all“ ist passé. Ein Bubble Tea Shop hat zum Beispiel ganz andere Ansätze als ein Kurhotel in Bad Tölz.
Woran, denken Sie, liegt es, dass Social Media im Marketing vieler Hotel-/Gastro-/Tourismus-Unternehmen tatsächlich noch eher noch stiefmütterlich behandelt wird?
Wir erleben immer wieder, dass Social Media durch den Familiennachwuchs gepusht wird. Social Media muss Spaß machen. Spielerisches Ausprobieren gehört ebenso dazu, wie die Bereitschaft, Zeit dafür zu investieren. Zeit bedeutet jedoch in jedem Unternehmen Geld und das sollte gut angelegt werden. Hier hat Corona vielleicht endlich mal etwas Positives beigetragen: Viele Betriebe haben sich während des Lockdowns mehr mit den Social-Media-Kanälen auseinandergesetzt und es als ideale Möglichkeit empfunden, Kundenbindung zu betreiben. Dieses Thema ist auch ein beliebtes unter unseren Studenten, denn wir haben hierzu auch gerade ein paar Bachelor-Arbeiten auf dem Tisch liegen.
Kann man pauschal sagen, dass Social Media bevorzugt von großen Hotel- und Gastronomie-Ketten genutzt wird, kleinere Unternehmen aber eher davor zurückschrecken?
Nein, dem würde ich nicht zustimmen wollen. Da gibt es viele kleine „liebevoll“ gepflegte Communities, wie z.B. vom Hotel Linde in Löfflingen, wo der Follower quasi mit in den Garten genommen wird und jede Woche ein neues Koch-Rezept bekommt. Oder ganz charmante Posts wie vom Hotel Ritter in Durbach, wo der Eigentümer seine Gäste wieder herzlich willkommen heißt und mit viel Humor durch die renovierte Lobby führt. Hier spüre ich, dass jemand Lust an Social Media hat und es kein „must“ ist. Dem gegenüber stehen natürlich die Hotel- und Fastfood-Ketten, die mit professionellen Agenturen arbeiten und genug Budget haben, alle Kanäle zu bedienen. Von Linkedin über Facebook bis Instragram, etc.
Worin liegt das Potenzial von Social Media für die Branche?
Für mich liegt es in dem Zauberwort „Instagramability“. Verschiedene, jüngst veröffentliche Studien ergaben, dass für – je nach Alter – 25-40 Prozent der Gäste die Instagramability ein ganz wichtiges Kriterium bei der Urlaubsentscheidung darstellt. Es gilt also, mit (oftmals) einfachen Mitteln nachhaltige Motive zu schaffen, die gern gepostet werden und einen Wiedererkennungswert hervorrufen. In dem Bachelor-Studiengang „Hotel Management“ der IST-Hochschule für Management vergeben wir zunehmend Themen rund um dieses Marketing-Tool. In Verbindung mit witzigen Stories und/oder Influencern kann mit diesem einfachen Mittel eine große Wirkung erzielt werden. Wenn der Gast gerne F&B-Erlebnisse fotografiert, dann müssen das Essen und die Getränke einen auch anlachen! Jedes Hotel braucht heute ein Insta-Motiv, bei dem jeder Gast zum Fotografieren animiert wird.
Welchen Stellenwert sollte die Nutzung von Social-Media-Kanälen innerhalb einer erfolgreichen, modernen Marketingstrategie eines Unternehmens einnehmen?
Den Stellenwert bestimmen Mut zur Kreativität, Marktforschung und Controlling. Wichtig ist, dass man vorab eruiert, welche Gästesegmente man ansprechen will. Facebook-Nutzer ticken anders als die Instagram-Community oder Snap-Chatter. Letztlich muss sich Marketing bei allem Spaß aber auch immer einer gewissen Messbarkeit sowie einer Kosten-Nutzen-Relation unterwerfen.
Als Beispiel – welche Hotels und Hotelketten kommunizieren besonders gut über soziale Netzwerke?
Dies ist eine sehr schwierige Frage. „Besonders gut“ wäre im Sinne der vorgenannten Punkte ein hohes Maß an Kreativität, Zielgruppenorientierung und ökonomischen Effekten. Lassen wir den letzten Punkt einmal weg, dann sind zum Beispiel Motel One, Uptalsboom, Accor, AIDA oder auch die Deutsche Hospitality gut vertreten. Gute Inspirationen liefern aber auch engagierte Initiativen wie der Verein Fair Job Hotels.
Welche sind ganz allgemein die aktuellen Online-Marketing-Trends?
Wenn ich das könnte, wäre ich sicherlich ein gefragter Key Note Speaker. Dennoch sind ein paar generelle Trends sicherlich unbestritten:
- Die Fokussierung auf Social Media wird weiterhin eine wachsende Priorität einnehmen. Dabei spielen die kreativen, kurzlebigen Seiten wie Instagram, Snapchat oder TikTok eine ebenso wichtige Rolle, wie kurze YouTube-Botschaften.
- Emotionen lassen sich durch Bewegtbilder einfach besser transportieren als durch Texte und Kataloge. Aber Vorsicht: Länger bedeutet nicht gleich besser!
- Social Media bietet vor allem die Möglichkeit, sich enger und kontinuierlicher mit dem Kunden zu verbinden. Quasi „Kundenbindung advanced“. Allerdings sind Konsistenz und Authentizität hierbei besonders wichtig.
- Social Media und Webseiten müssen laufend gepflegt werden, an Search Engine Optimization (SEO) kommt heutzutage keiner mehr vorbei und der Buchungsprozess, egal ob für einen Tisch oder ein Zimmer, wird nach wie vor an der intuitiven Amazon- oder Booking-Bestellung gemessen.
Wir danken für das Gespräch.