HOGALIFE – Interview mit Angela Inselkammer
Schon am Anfang war ich vor allem für die Mitarbeiter und damit auch für die Auszubildenden zuständig. So kam es letztendlich auch zum ersten Kontakt mit dem DEHOGA Bayern. Die zuständige Geschäftsführerin für Berufsbildung bat mich, doch einmal im Jahr mit in den DEHOGA Berufsbildungsausschuss zu kommen und mich ein wenig zu engagieren. So ging es damals los. Innerhalb weniger Jahre war ich dann auch schon Vizepräsidentin
Wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Probleme der Gastronomie?
Wir als Branche haben meiner Meinung nach vor allem eine Hauptherausforderung. Die Gastronomie wird nicht als die starke Wirtschaftskraft wahrgenommen, die sie eigentlich ist. Es liegt also ein echtes Imageproblem vor. Denn den Menschen ist gar nicht so richtig bewusst, welch große Bedeutung die Gastronomie für Bayern hat. Deshalb werde ich nicht müde es immer wieder aufzuzeigen. Wir haben in Bayern in der Gastronomie über 400.000 Erwerbstätige, jeder 20. arbeitet also in unserer Branche! Zudem haben wir rund 10.000 Auszubildende.
Für die Menschen ist es selbstverständlich, dass an Sonn- und Feiertagen überall professionelle Bewirtung zur Verfügung steht. Der Fahrradausflug in den Biergarten, der Brunch zum Muttertag oder das Catering am Sonntag, das ist für die Menschen in Deutschland selbstverständlich. Und um genau das zu erhalten, muss sich ein Wandel in der Wahrnehmung des Stellenwertes des Gastgewerbes vollziehen. Die Gastronomie muss ein attraktiveres Image bekommen, damit die Menschen innerhalb und außerhalb der Branche erkennen, welch großer Schatz die Gastronomie für unser Land in Wirklichkeit ist.
Sie sind die erste weibliche DEHOGA-Präsidentin in Bayern. Worin liegen Ihre Kernarbeitspunkte?
Generell sind für mich vor allem zwei Punkte von Bedeutung. Die Gastronomie und Hotellerie muss als starke Wirtschaftskraft wahrgenommen werden, damit sie auch als attraktiver Arbeitgeber den ihr angemessen Stellenwert bekommen. Denn dann werden auch Eltern begeistert sein, wenn ihre Kinder eine Ausbildung in der Gastronomie absolvieren. Wenn ein Jugendlicher eine Ausbildung in der Industrie oder in einer Bank beginnt, gilt das als super cool und die Eltern sind stolz auf ihren Nachwuchs. Bei einer Karriere in einem Hotel oder der Gastronomie gibt es anfänglich manchmal Zweifel. Dabei finden junge Auszubildende bei uns einen absolut krisensicheren Beruf, der auch gute Aufstiegschancen bietet. Sie erlernen mit einer gastgewerblichen Ausbildung die Basis für 111 Berufe, sie können weltweit tätig sein und nach der Ausbildung auch ohne Abitur studieren. In unserer Branche können junge Menschen sich mit ganz vielfältigen Talenten einbringen und oft auch schon früh Verantwortung übernehmen und Karriere machen. Außerdem haben wir viel mit Menschen zu tun, es ist jeden Tag spannend. Ich wünsche mir, dass dies viel mehr Menschen erkennen, damit sowohl Jugendliche als auch Eltern stolz darauf sind, wenn sie im Hotel oder der Gastronomie arbeiten.
Das andere, was leider nach wie vor fehlt, ist die Wertschätzung der Gesellschaft für Dienstleistungsberufe, also für die Mensch-zu-Mensch-Berufe, generell. Auch in anderen Bereichen, wie beispielsweis in der Pflege, mangelt es oft stark an Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern. Die Arbeit wird als selbstverständlich empfunden, obwohl die meisten sie selbst nicht machen würden. Aber sie ist so unendlich wichtig. Menschen, die für Menschen arbeiten, müssen wieder mehr Wertschätzung erfahren und ihnen muss für ihre gute Arbeit gedankt werden. Da muss sich in der Bevölkerung gravierend etwas ändern.
Wie kann die Attraktivität der Branche gesteigert werden? Sowohl in den Augen von jungen potenziellen Nachwuchskräften, als auch in denen der Gesellschaft?
In Bayern haben wir ein Modell der „wertschätzenden Ausbildung“ auf den Weg gebracht. Hier haben wir verschiedene Projekte gestartet, beispielsweise die Schulpatenschaft. Wir ermutigen Betriebe mit der nächstgelegenen allgemeinbildenden Schule eine Partnerschaft einzugehen, damit man den jungen Menschen die Berufe unserer Branche sehr praxisbezogen näher bringen kann. Daraus resultieren bereits jetzt zahlreiche Praktika und Schnuppertage. Für diese Praktika haben wir einen Leitfaden mit wichtigen Ratschlägen für die Betriebe entwickelt, beispielsweise, dass auch die Eltern zum Essen eingeladen werden. Auf diese Weise bekommen nicht nur die jungen Menschen einen Einblick in die Hotellerie und Gastronomie, sondern auch die Eltern können sehen, was in der Realität bei uns geleistet wird.
Zudem sind wir Mitglied beim Wertebündnis, ein tolles bayernweites Projekt, in dem Partner, Schulen und Eltern zusammenarbeiten. Hier bekommen Schüler unter anderem die Werte der Ernährung, der Lebensmittel oder der Gastfreundschaft vermittelt. Wie schreibt man eine Menükarte? Wie stellt man ein passendes Menü zusammen? Was macht eine gute Tischkultur aus? All diese Fragen und noch viele mehr werden beantwortet. Dadurch wollen wir das Interesse für eine gastgewerbliche Ausbildung wecken und wir erreichen damit genau diejenigen, die wichtig sind, nämlich Eltern, Lehrer und Kinder. Unser Hauptziel ist, die Wertschätzung für das Gastgewerbe zu stärken.
Wie ist die Resonanz auf diese Projekte bis jetzt?
Absolut positiv. Schon jetzt haben wir bei den Auszubildenden einen Zuwachs von 1,65 Prozent. Auch in Baden-Württemberg ist das Engagement sehr groß. Wichtig ist, dass wir zusammen etwas für den Imagewandel tun, denn nur so können wir Erfolg haben. Deshalb haben wir unserem DEHOGA Bundesverband gebündelte Maßnahmen vorgestellt. Wir müssen zusammen an einem Strang ziehen und in der Praxis beweisen, wie großartig, spannend und chancenreich unsere Branche wirklich ist.
Gemeinsam geht mehr! Wie könnte Bayern beispielsweise seine Bedeutung als Tourismusland nutzen?
Unser größtes Ziel ist es, den Tourismus noch besser zu bündeln. Hier gibt es vor allem politische Herausforderungen, beispielsweise den Tourismus als geballte Wirtschaftskraft wahrnehmbar zu machen. In Bayern haben wir insgesamt 40.000 Betriebe, allein in der Gastronomie und Hotellerie. Die meisten davon sind kleinere Familienbetriebe, die alle engagiert arbeiten. Genau das macht den Tourismus in Bayern ja auch so liebenswert und erfolgreich. Ich wünsche mir, dass wir als Gesamtbranche als Gemeinsamkeit wahrgenommen werden. Hier brauchen wir auch ein klares Bekenntnis der Politik zum Tourismus und seinen Anforderungen. Deshalb kämpfen wir auch engagiert für die Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes. Für mich ist es nicht nachvollziehbar, warum die Betriebe nicht im Rahmen einer Wochenarbeitszeit ihre Mitarbeiter je nach Gästeaufkommen, aber auch den Freizeitwünschen der Mitarbeiter einteilen können. Die Arbeitnehmer sind bereit dazu und wollen das auch, das merke ich in meinem eigenen Betrieb.
Ein leidiges Thema, das immer wieder aufkommt, ist die weit verbreitete, schlechte Bezahlung. Wie könnte man hier zumindest kleine Verbesserungen erreichen?
Das ist in der Tat keine einfache Angelegenheit. Wenn Arbeitgeber mehr bezahlen sollen, müssen sie in der Regel die Preise anheben. Schließlich ist die Gastronomie nicht dafür bekannt, dass man sich als Arbeitgeber eine goldene Nase verdient. Aber auch hier sehe ich vor allem zwei wichtige Aspekte. Ohne Imagewandel, der bei den Gästen zu mehr Wertschätzung führt und damit dafür sorgt, dass die Bereitschaft, mehr zu bezahlen, wächst, geht es nicht. Was ich nicht verstehen kann, ist beispielsweise die Tatsache, dass eine junge Frau, die ehrgeizig und hart arbeitet, letztendlich von ihrem sicherlich überdurchschnittlichen Bruttolohn in Höhe von 5.000 Euro gerade einmal 2.300 Euro rausbekommt, nur weil sie alleinstehend ist. Davon muss nicht nur die Miete in einer teuren Stadt wie München gezahlt, sondern auch noch der gesamte Lebensunterhalt bestritten werden. Da bleibt nicht mehr viel übrig, trotz Engagement und Überstunden. Das ist einfach nicht angemessen, für mich ist das mehr als bedenklich. In einer Zeit, in der die Steuereinnahmen doch sehr üppig sind, muss sich in diesem Bereich, aber auch beim niedrigen Einkommensniveau unbedingt etwas ändern.
Abschließend muss ich sagen, wenn insbesondere die Gastronomen nicht entlastet werden, haben wir vielleicht wirklich bald Zustände wie in den skandinavischen Ländern. Dann gibt es nur noch teure, extrem individuelle Gastronomie und eben die Systemgastronomie. Schließlich können Wirte nicht pausenlos ihre Preise erhöhen. Wir wollen ja, dass sich jeder einen Restaurantbesuch leisten kann. Insgesamt besteht leider in vielen Punkten noch Verbesserungsbedarf, auch wenn wir als bayerische Hotellerie und Gastronomie schon unendlich viel erreicht haben und stolz auf unsere schönen Hotels, wunderbaren Gasthäuser und vor allem auf unsere herzlichen Wirte und Mitarbeiter sein dürfen.
Über Angela Inselkammer
Angela Inselkammer, 57, führt in Aying im südlichen Landkreis München gemeinsam mit ihrer Tochter Ursula einen Familienbetrieb mit zwei Gaststätten und einem Hotel. Um die dazugehörige Brauerei kümmert sich Sohn Franz Inselkammer. Seit vergangenem Jahr ist Angela Inselkammer Präsidentin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA Bayern.