„Glauben Sie mir, das zerrt so dermaßen an unseren Nerven!“
Im niedersächsischen Binnen führt Gastronom Heiko Friedrichs das Landgasthaus Zum Rohrbach. Er ist Gastgeber aus Leidenschaft. Die jüngsten Beschlüsse von Bund und Länder zur Vorgehensweise in der Corona-Krise trafen ihn – wie so viele Gastronomen und Hoteliers – erneut mit voller Wucht. Mit uns hat er über die momentane Situation gesprochen.
Herr Friedrichs, Sie haben am Sonntag, 1. November 2020, zum „Gastro-Trauertag“ aufgerufen. Was hatte es mit dieser Aktion auf sich und wie kam es dazu?
Eine meiner Mitarbeiterin fragte mich, ob wir nicht ein Zeichen setzen möchten, indem wir als Mitarbeiter Schwarz tragen. Super Idee, dachte ich, und habe es über unsere Social-Media-Kanäle verbreitet. Über 9.000 Leute haben es gesehen und 450 Mal wurde dieser Aufruf geteilt, sodass auch Gäste sich angesprochen gefühlt haben mitzumachen. Leider waren es insgesamt sehr wenige Betriebe, die schlussendlich mitgemacht haben. Auch von der DEHOGA Hannover und unserem Ortsverband gab es sehr, sehr wenig bis keine Unterstützung. Traurig!
Sie selbst führen das Gasthaus Zum Rohrbach in Binnen im niedersächsischen Landkreis Nienburg und sind damit unmittelbar vom zweiten Lockdown betroffen, der seit 2. November 2020 in Deutschland gilt. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie von der Entscheidung der Regierung gehört haben, zwar die Gastronomie komplett zu schließen und Feiern zu verbieten, aber den Handel geöffnet zu lassen?
Ich habe gedacht, es wäre ein schlechter Scherz wie die aktuelle US-Präsidentenwahl. Das kann doch nicht deren Ernst sein? Zumal wir alles umgesetzt haben wie es gefordert wurde. Wir sind als Gastronomie kein großes Infektionsrisiko, sondern die privaten Zusammenkünfte, die sich jetzt daraus ergeben werden. Viele Caterer und Fleischereien werden nun am Wochenende ihr Geschäft mit Essenslieferungen machen. Auch über 10 Personen.
Die Regierung hat ja angekündigt, für besonders vom zweiten Lockdown betroffene Branchen eine „außerordentliche Wirtschaftshilfe“ bereitzustellen. Außerdem gibt es verschiedene finanzielle Hilfen wie die Corona-Soforthilfe und Überbrückungshilfen. Hilft Ihnen das tatsächlich, oder ist es vielmehr ein Tropfen auf den heißen Stein?
Soforthilfen wird es geben. Aber auch eine Woche nach Ankündigung weiß noch niemand was, wer und vor allem wie viel man erhalten wird. Der Topf wird nach oben hin gedeckelt werden denke ich. Dass es 75 % Ausgleich gibt, trifft sicher nicht für jeden zu. Ich möchte aber nochmal betonen, dass ich als Vollblutgastronom keine Almosen möchte, auch als Bittsteller der Nation möchte ich nicht gesehen und dargestellt werden, weil wir uns jeden Tag jeden Cent erarbeiten. Sehr viele Gäste wünschen uns viel Kraft und Durchhaltevermögen. Das finde ich toll, aber es erniedrigt mich und unsere Mitarbeiter auch auf eine gewisse Art und Weise. So etwas kennen wir nicht und so etwas wollen wir nicht! Wir wollen arbeiten und faires Geld für unser Tagewerk verdienen.
Was fordern Sie von der Politik in der Corona-Krise, was muss sich ändern? Und welche Corona-Maßnahmen wären – auch im Sinne der Gastronomie – wirklich hilfreich?
Wir wollen öffnen! OPEN THE DOORS! Die Mehrwertsteuer dauerhaft gesenkt lassen. Aber das fordern wir schon seit Jahren. Wir können nichts planen. Was wird aus dem Weihnachtsgeschäft, wenn wir Anfang Dezember wieder öffnen dürfen? Kommen die Gäste dann gleich in Scharen oder dauert es wieder drei Wochen bis sich die Gäste akklimatisiert haben. Dann ist das Weihnachtsgeschäft vorüber.
Derzeit sind wir durch die Abstandsregelungen und den damit verbunden reduzierten Sitzplätzen überbucht, da wir im letzten Jahr schon die Feiertage ausgebucht haben. Sollen wir Gäste selektieren und denen stornieren? Na, super Sache! Was dürfen wir überhaupt machen? Buffet? A la carte? Kein Mensch weiß etwas, aber wir sollen allen Gästen ein perfektes Fest abliefern. Glauben Sie mir, das zerrt im Moment so dermaßen an unseren Nerven!
Mit welchen Maßnahmen versuchen Sie und Ihre Mitarbeiter den erneuten Lockdown zu überwinden?
Liefer- oder Abholservice von Speisen bieten wir dieses Mal nicht an. Nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern auch aus Qualitätsgründen. Ein gutes Essen mit guter Qualität aus guten Zutaten bestehend gehört nicht in eine Pappschachtel. Außerdem fahren unsere Gäste 5-20 km bis zu uns. Die Marge funktioniert bei uns nur in Kombination mit dem Getränkeverkauf.
Mit welchem Gefühl sehen Sie Richtung Zukunft?
Ich habe die Befürchtung, dass wir Arbeitnehmer verlieren werden, auf die wir täglich angewiesen sind und die auf uns angewiesen sind. Ihnen fehlt derzeit nicht nur das volle Gehalt, sondern auch das Trinkgeld. Wenn wir alle Veranstaltungen von 2020 auf 2021 verschieben, werden wir nicht genug Mitarbeiter finden, da unser Ruf als krisenfeste Branche geschädigt ist. Nicht zuletzt wünsche ich mir mehr Unterstützung aus der Öffentlichkeit. Ich habe bisher nichts oder nur wenig von unseren Promi-Köchen gehört. Sie hätten für mich das beste Sprachrohr an die Politik und die Öffentlichkeit. Auch der DEHOGA ist für mich nicht energisch genug. Uns fehlt einfach die Lobby. Trotzdem gebe ich die Hoffnung nicht auf.
Wir danken für das Gespräch.