Interview

„Durften die Menschen nicht vergessen“

Doros Theodorou, CCO der Meininger
„Es war ein Lernprozess für alle“, Doros Theodorou, CCO der Meininger Hotelgruppe. (Foto: © Meininger Hotelgruppe)
Auch die Hotelgruppe Meininger musste sich unter Corona komplett umstellen. So wurden etwa Mehrbettzimmer mit Familien belegt, eine Corona-Taskforce gegründet und eine Blutspende-Aktion realisiert. Im Interview spricht CCO Doros Theodorou über die Herausforderungen und Lichtblicke während der Pandemie.
Donnerstag, 25.02.2021, 11:40 Uhr, Autor:Natalie Ziebolz

Herr Theodorou, das vergangene Jahr war alles andere als normal. Wie hat COVID-19 die Arbeit der Meininger Hotels verändert?
Nun, zunächst einmal hat es jeden überrascht. Anfangs mussten wir schnell sein und verstehen, was zuerst zu tun ist. Bisher hatten wir solche Probleme nicht, da wir sehr erfolgreich waren. Wir hatten nie Probleme mit dem Cashflow, keine Probleme mit der Bezahlung unserer Lieferungen. Jetzt mussten wir unsere Ressourcen bündeln und so kosteneffizient wie möglich arbeiten. In einigen Städten, in denen wir mehr als ein Hotel haben, wurden eines oder mehrere geschlossen und nur eines blieb geöffnet – beispielsweise in München und Frankfurt. In Berlin, wo wir aktuell sechs Hotels betreiben, waren wir damit, um ehrlich zu sein, eine ganze Weile lang ziemlich beschäftigt. Und immer wieder haben wir die Prioritäten verschoben und versucht, die Teams dazu zu bringen, mehr zusammenzuarbeiten. Viele Mitarbeiten mussten wir leider auch in Kurzarbeit schicken.

Meininger ist international tätig. Wie haben sich die teils unterschiedlichen Corona-Maßnahmen auf das Geschäft ausgewirkt?
Es war ein Lernprozess für alle. Am Anfang hat jedes Land auf seine eigene Art und Weise entschieden, wie es vorgehen will. Es war schwierig zu verstehen und zu sehen, woher man die ganzen Informationen bekommt: Was darf man wo tun? Wer darf kommen? Wer darf nicht kommen? Speziell als Hotel waren wir verwirrt, wer einchecken darf und wer nicht. Wir hatten jedoch bereits vor der Pandemie eine Abteilung für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz gegründet, die nun die verschiedenen Vorschriften in unseren Märkten überwacht. Außerdem haben wir ein gut strukturiertes regionales Management, das sich über seine Verantwortlichkeiten im Klaren ist, und schnell mit dieser Abteilung zusammengearbeitet hat.

Die Auszahlung der staatlichen Hilfen sowie die Zugeständnisse der Vermieter werden immer wieder kritisiert. Wie erging es Meininger in diesen Punkten?
Das mit den staatlichen Hilfen war, um ehrlich zu sein, in ganz Europa sehr schwierig. Zuerst muss man zahlreiche Unterlagen einreichen und dann wird keine Entscheidung getroffen. Dazu kommt die Unsicherheit, welche Hilfen man beantragen kann. Es war wirklich kompliziert und schwierig, aber wir haben die staatlichen Hilfen mittlerweile erhalten. In einigen Ländern fallen sie jedoch etwas besser aus als in anderen – in Deutschland zum Beispiel oder in Österreich und Dänemark. Hinzu kommen die Arbeitszeitsysteme der Länder. Deutschland hat eines der besten in ganz Europa, muss ich sagen. Wir sind froh, dass wir unser Headoffice mit über 200 Angestellten in Berlin haben und diese in Kurzarbeit schicken konnten. Das ist sehr hilfreich. Kurzarbeit gibt es zwar in ganz Europa, sie ist aber unterschiedlich geregelt. In Italien wird Kurzarbeit zum Beispiel nur für neun Wochen genehmigt und kann erst in der letzten Woche verlängert werden. Wir konnten unseren Mitarbeitern dort also immer erst im letzten Moment sagen, wie es für sie weitergeht. Mit unseren Vermietern sind wir seit Beginn in einem offenen Dialog und erhalten (großteils) die benötigte Unterstützung.

Welche Maßnahmen hat Meininger ergriffen, um so gut wie möglich durch die Pandemie zu kommen?
Wir haben gezielte Kampagnen gestartet und unsere Preise gesenkt, um die Nachfrage auf dem lokalen Markt zu steigern. In den drei Sommermonaten lief es daher gut für uns – vor allem in Berlin. Dort lag die Auslastung bei etwa 80 Prozent, weil wir in der Lage waren, die Familien anzusprechen, die sich eine kleine Pause innerhalb Deutschlands gönnen wollten. Zudem haben wir neue flexible Stornierungsbedingungen für Gruppen geschaffen, einen großen Teil unseres Geschäfts machen schließlich Kultur- und Bildungsreisen von Schülern und Studenten aus.
Nichtsdestotrotz haben wir uns entschieden, den Betrieb bis zum Frühjahr 2021 auf ein Minimum zu reduzieren und die Effizienz unserer Hotels das ganze Jahr über zu evaluieren. Wir haben es jedem Mitarbeiter ermöglicht, aus dem Home Office zu arbeiten – es ist erstaunlich, wie die Welt das inzwischen gemeistert hat –, eine vollständig digitale Arbeitsumgebung eingeführt und im Februar/März eine Corona Taskforce mit dem Crisis Management Team gegründet. Darüber hinaus wurde eine sichere Arbeitsumgebung im Hotel geschaffen und 40 bis 50 Prozent der Angestellten in den Häusern in Kurzarbeit geschickt. Wir haben die finanzielle Situation im Blick gehabt und überlegt, wie es mit unseren Wachstumsprojekten nach der Pandemie weitergeht. Gleichzeitig durften wir die Menschen und ihre Anstrengungen, die sie in dieser Zeit durchmachten, nicht vergessen. Es gab viel moralische und mentale Führung. Zudem haben die Führungskräfte versucht, dem Team zu zeigen, dass wir ihnen vertrauen.
Daneben haben wir auch die Digital Customer Journey verbessert und dank der Unterstützung unserer Eigentümer neue Funktionen eingeführt – zum Beispiel die Kunden-Selbstbedienung. Gäste können jetzt ihre Buchungen selbstständig verwalten, einen Online-Express-Check-in durchführen und erhalten automatisiert Gästekommunikation wie z.B. Newsletter. Das war zwar alles bereits in irgendeiner Form vorhanden, aber nicht so durchdacht, wie es jetzt ist. Auch intern gab es Neuerungen: Wir haben unser Call Center konsolidiert. Zuvor gab es ein separates Call Center für den Gruppenservice und eines für die Kundenbetreuung; die Kundenbetreuung für Einzelbuchungen und den Gruppenservice für eine Gruppe ab zwölf Personen. Wir haben ein neues Telefonsystem eingeführt, eine neue Software und alle Hotels in ein einziges Property Management System (PMS) integriert. Zudem haben wir eine neue Website gelauncht und die Buchung über diese verbessert und optimiert, unsere Blog-Seite neu gestaltet und einen FAQ-Bereich herausgebracht.

Im Sommer durften vielerorts die Hotels wieder öffnen. Welche Hygienestandards hat Meininger dafür festgelegt?
Wir haben die offizielle WHO-Empfehlung übernommen und die lokalen Vorschriften in jedem Land, in dem wir tätig sind, befolgt – inklusive Reinigung der Zimmer und öffentlichen Bereiche. Auch das Personal im Hotel befolgt detaillierte Hygiene- und Hauswirtschaftsvorschriften. Und wir haben so eine Art Handhygiene-Schulung eingeführt, die unsere Mitarbeiter absolvieren mussten. Wir verkaufen zudem Masken und Hygieneartikel an die Gäste im Hotel – zum Selbstkostenpreis –, stellen alle notwendigen Reinigungsmittel zur Verfügung, die neuesten Hygienevorschriften werden beim Check-In ausgehändigt und wir haben auch die sogenannten goldenen Regeln. Die Plakate mit den goldenen Regeln hängen im öffentlichen Bereich als freundliche Erinnerung an den Gast.
Daneben haben wir das Check-in-Verfahren für größere Gruppen angepasst. Wenn die Gruppe z.B. mit dem Bus ankommt, geben wir die Hausordnung und die Schlüsselkarte im Bus aus. So müssen sie nicht ins Hotel kommen und wir vermeiden zu viele Leute in der Lobby.

Wie empfinden Sie es, angesichts dieser Maßnahmen geschlossen bleiben zu müssen bzw. nur für Geschäftsreisende öffnen zu dürfen?
Natürlich sind wir nicht glücklich damit, aber wir verstehen die Situation. Dank unseres Geschäftsmodells sind wir auch nicht auf ein bestimmtes Gästesegment angewiesen. Wir sind sehr gut in der Lage, alle Arten von Kunden zu beherbergen – egal ob Freizeit, Gruppe oder Unternehmen. Wir haben beispielsweise sehr viele Geschäftsreisende, speziell Bauarbeiter, in unserem Hotel am Berliner Flughafen oder in Mailand. Das hat uns geholfen, die Geschäfte am Laufen zu halten.

Wie hat Meininger die Zeiten mit wenig Publikumsverkehr genutzt? Gab es irgendwelche Renovierungsarbeiten oder andere Projekte, die Sie in dieser Zeit vorantreiben konnten?
Es gab keine großen Renovierungen, außer am Berliner Hauptbahnhof, die allerdings schon vor der Pandemie begonnen hatten. Wir haben allerdings dem Roten Kreuz Hotels zur Blutspende zur Verfügung gestellt – beispielsweise zwei Häuser in Berlin. Eine tolle Erfahrung und eine große Chance: Die Blutspendetermine waren komplett ausgebucht, das Projekt wurde von den Spendern sehr gut angenommen und für die Mitarbeiter war es toll, weil sie sich nützlich fühlten. In Zukunft wollen wir mehr in diese Richtung machen. Darüber hinaus gab es zum Beispiel auch Kleiderspenden. Wir haben ein Fundbüro, denn die Leute vergessen aus irgendeinem Grund ihre Kleidung, wenn sie abreisen, und wollen sie nicht mehr, also gibt es eine Menge Fundsachen. Auch übrig gebliebene Lebensmittel haben wir gespendet. Zudem haben wir die Müllentsorgung optimiert und kleine Renovierungsarbeiten durchgeführt, für Studenten in Lyon gekocht und solche Sachen.

Welche Pläne hat Meininger für die Zukunft?
Auch wenn die Pandemie im Jahr 2021 noch nicht vorbei ist, haben wir zu Beginn des Sommers voraussichtlich vier Hoteleröffnungen. Zunächst in der Schweiz, dann unser drittes Hotel in Frankreich, in Bordeaux, wir eröffnen ein Hotel in Innsbruck in Österreich und unser viertes Projekt in Frankreich wurde drei Monate vorverlegt, so dass es auch noch 2021 eröffnen wird. Abgesehen davon schauen wir, dass wir unsere Expansion in ganz Europa fortsetzen können. Denn es gibt viele Möglichkeiten da draußen. Wir haben alles in die Wege geleitet, um mit einer starken, schlankeren Organisation, die digitaler ist als vorher, durchzustarten.

Vielen Dank für das Gespräch!

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