„Die Gentrifizierung verändert unsere Gastronomie“
In Ihrem aktuellen Trendreport 2023/24 beleuchten Sie die neue Rolle der Gastronomie unter dem Einfluss des gesellschaftlichen Umfeldes. Welche Gästeklientel gilt es denn für Gastgeber in unserer heutigen Zeit zufrieden zu stellen?
Was mir dramatisch Sorgen macht, ist die Gentrifizierung, die man beispielsweise in den USA ganz deutlich beobachten kann. Während sich in südlichen Ländern wie Spanien und Italien das gesellschaftliche Leben vor allem in den Restaurants abspielt, bricht in Amerika das klassische Mittelfeld weg, sprich es gibt nur noch Gäste, die sich alles leisten oder solche, die sich kaum noch etwas leisten können.
Das verändert dementsprechend die gastronomische Landschaft. Die Preise sind hier in den letzten Jahren um 50 Prozent gestiegen – im Londoner „Sexy Fisch“ mit zwei drei Gängen und zwei winzigen Gläsern Wein kommt man nicht unter 150 Euro weg. Klar, es entstehen viele neue Trends, die Systemgastronomen erleben mit ihrem günstigen Angebot einen enormen Aufschwung und auch traditionelles Essen wird bleiben, viele alteingesessene Restaurants werden diese Lage aber wahrscheinlich nicht überleben.
Welche Hauptbedürfnisse zeichnen sich bei den Gästen in Bezug auf die Außer-Haus-Verpflegung aktuell ab?
Die Gäste haben heute weniger Zeit und Geld. Die Mittagspause in einem Restaurant zu verbringen kommt daher gar nicht in Frage – Snacks sind daher inzwischen angesagter denn je. Erst in den Abendstunden sind die Restaurants richtig voll besetzt. Im Zuge des Mitarbeitermangels, der hohen Betriebs- und Lebensmittelkosten sollte daher vielerorts die Öffnungsstrategie kritisch reflektiert werden. Kann man beispielsweise über die Mittagsstunden den Betrieb ruhen lassen und stattdessen täglich abends länger bedienen? Für Gastronomen, die in den Innenstädten liegen und aufgrund der hohen Mieten auf jede geöffnete Stunde angewiesen sind ist das natürlich eine gewaltige Herausforderung.
Überblick über das F&B-Universum heute und in Zukunft
Die Hospitality-Branche hat sich aufgrund der Herausforderungen in den vergangenen Krisenjahren, dem Wandel des gesellschaftlichen Miteinanders sowie der New Work-Welten grundlegend verändert. Pierre Nierhaus teilt in im neuen Trendreport seine Beobachtungen aus seinen weltweiten F&B-Recherchen und fasst die daraus folgenden Erkenntnissen für Hospitality und Lifestyle in zehn Kapiteln zusammen. Den vollen Trendreport können Sie auf der Website www.nierhaus.com anfordern.
Der hart umkämpfte Fachkräftemarkt ist seit der Pandemie ein allgegenwärtiges Thema – was glauben Sie, wie kann die Branche den geänderten Ansprüchen der Generation Z an die Arbeitswelt der Hospitality gerecht werden?
Meine Philosophie ist „es gibt keine Kunden, Patienten, Klienten – nur Gäste“ und das betrifft auch die Mitarbeiter. Damit das Geschäft läuft, müssen die Kollegen mit der Basis ihres Arbeitsplatzes zufrieden sein. Klar, muss die Bezahlung, die Arbeitszeiten und die Weiterentwicklungsmöglichkeiten stimmen und der gewandelten Arbeitswelt entsprechend realistisch sein – heute brauche ich keinem Bewerber mehr erzählen, welche Position er in zehn Jahren erreichen kann. Gefragt sind zeitnahe Ziele und Herausforderungen.
Weitaus wichtiger ist aber heute, dass der Mitarbeiter als Mensch mit seiner Persönlichkeit wahrgenommen wird, sich in seinem Arbeitsumfeld richtig wohl und angekommen fühlt. und bei der USP der Lokalität richtig mitgenommen wird, sich mit der Individualität seines Betriebes identifizieren kann. Da kann das digitale Onboarding noch so toll sein – es gilt eine gesunde Balance zwischen all diesen Faktoren zu finden.
Bei Ihren Trendtouren sind Sie weltweit unterwegs – welche internationalen F&B-Trends werden in nächster Zeit zu uns rüberschwappen?
Viel getan hat sich an sich innerhalb der letzten drei Jahre nicht – internationale Gerichte sind nach wie vor auch in deutschen Gastronomien vertreten, jedoch inzwischen oftmals auf viel gesünder Art. Galten beispielsweise südamerikanische Gerichte vor 15 Jahren noch als ungesunde Party-Snacks mit Zutaten aus der Dose, werden sie heute aus regionalen, frischen Zutaten zubereitet.
An der Cocktailbar haben mittlerweile Virgin Drinks eine hohe Akzeptanz – auf der Getränkekarte vieler Bars machen diese inzwischen oft bi zu einem Drittel der Angebote aus. Der Hintergrund zu diesem Mindful-Drinking Trend basiert ganz klar auf der Angst der Gäste vor Social Media. Wer will schon beim zu tiefen Blick ins Glas am nächsten Tag online von unschönen Beweisbildern überrascht werden? Bemerkenswert ist, dass viele Gastronomen ihre F&B-Konzepte konsequenter umsetzten als noch vor einigen Jahren.
Was genau meinen Sie damit?
Statt sich beim Balanceakt eines vegetarischen und veganen Speisenangebots zu verrenken, haben z. B. die Gründer vom Ark in Kopenhagen beschlossen, die Karte komplett plantbased zu halten. In Berlin machen es David und Jasmin Suchy gleich, toppen das Ganze auch noch mit ihrer Zero Waste-Strategie.
Shopping Malls erleben in den USA gerade einen riesigen Aufschwung und werden zum Gastronomie-Erlebnis.
Lust darauf die kulinarischen Trends der Gastro-Welt zu entdecken? Sech mal im Jahr nimmte Pierre Nierhaus Sie mit auf seine Reisen durch die Metropolen dieser Welt. Im Fokus stehen Mall- und Foodcourt-Konzepte, Streetfood Märkte, Foodtrucks, Fast Casual und Snack Konzepte, Wicker Park und Bucktown, angesagte Nightlife Locations sowie spannende Sterne Restaurants und Bakery und Patisserie. Hier ein Überblick zu den bevorstehenden Terminen.
(KAGI)