Stört zu viel Parfüm die empfindliche Feinschmeckernase?
Wolfgang Fassebender schreibt für die „Neue Züricher Zeitung“ (NZZ) – eine der renommiertesten Tageszeitungen der Schweiz – regelmäßig Gastro-Kritiken. Unter der Rubrik „Nachgewürzt“ nimmt er in seinem jüngsten Beitrag den wortreichen Kampf mit einem nebulösen Gegner auf: dem Parfüm. In den gastronomischen Kreisen, in denen Fassbender zu wandeln gewohnt ist, tritt man eigentlich selten anderen Gästen zu nahe. Erst recht nicht, wenn diese von einer betörenden oder verstörenden Duftwolke umgeben sind.
Parfümduft stört den gastronomischen Erlebnischarakter
So sei es bei vielen Gästen in Vergessenheit geraten, dass „die Zeit der Séparées vorbei ist […] und die Esser meist eng an eng sitzen“. Vor allem in der gehobenen Gastronomie-Szene vergreifen sich die Gäste vielleicht nicht am Ton, dafür aber oft am Inhalt ihres Parfüm-Flacons. Schon beim Betreten des Lokals dominiere „eine Aromawolke einem Tsunami gleich durch den Raum“, wie der schweizer Gastro-Redakteur schreibt. „Anklänge von Moschus, Kopftöne von Bergamotte ergänzende Blütennoten überfluten die Tische und die Kunden, legen sich auf Wurzelgemüse und Räucherfisch“ – ein Anschlag auf die empfindlichen Sinnesorgane des Gastro-Hedonisten. Fatal enden die Chanel-Anschläge dann, wenn der Sommelier das Dekantieren vom Wein beginnt.
No-Fragrances-Schild
Ein Verbot löst das Dilemma nicht auf. Da ist sich Wolfgang Fassbender sicher: Das No-Fragrances-Schild am Eingang würde seine Wirksamkeit verfehlen, denn während „man den nicht zugelassenen Hund draussen anbinden oder das verpönte Telefon ausschalten kann, lässt sich Parfüm nicht so einfach entfernen“. In der Spitzengastronomie ist man diskret, höflich und brutal serviceorientiert. Ein gut gemeinter Rat, das edle Wässerchen am Hals mit Leitungswasser so gut wie möglich abzutragen, ebnet den Weg in die Unzumutbarkeit. Aber auch das Servicepersonal kann bei ihrem überkandidelten Griff in den Badezimmerschrank zu viel Salz in die offenen Wunden feinfühliger Gästenasen streuen. „Sensibilisierung scheint das Stichwort zu sein“ – für alle Beteiligten. Recht hat er, der Wolfgang Fassbender. (NZZ / FL)