Bürokratie

„Die Bonpflicht war und ist überflüssig“

Sammelkorb auf einer Verkaufstheke für Kassenbons
Händler und Branchenverbände sehen die Bonpflicht in Deutschland nach wie vor kritisch – die meisten Kunden verzichten auf den Kaufbeleg. (Foto: ©brudertack69/stock.adobe.com)
Die Bilanz zu einem halben Jahr Bonpflicht in Deutschland fällt ernüchternd aus: Verbände und betroffene Branchenakteure sehen die Belegausgabepflicht nach wie vor kritisch. Es herrscht „Frust“ bei Händlern und Kunden. Ausnahmen gibt es kaum.
Montag, 15.06.2020, 10:19 Uhr, Autor: Kristina Presser

Seit knapp einem halben Jahr gilt in Deutschland die Bonpflicht mit dem Ziel, Steuerbetrug zu verhindern. Und noch immer steht der Zwang zur Belegausgabe in der Kritik. „Die Bonpflicht war und ist überflüssig“, sagte jetzt ein Sprecher des Handelsverbands Deutschland (HDE). Sie sorge für Mehraufwand, dem kein zusätzlicher Nutzen gegenüberstehe. Zwar hätte man sich in vielen Fällen, vor allem in Einzelhandel, daran gewöhnt, die meisten Kunden verzichten jedoch auf das Stück Papier.

In der Gastronomie hatte die Bonpflicht für die Betreiber unterschiedliche Konsequenzen. Für klassische Restaurants und Hotels sei das Aushändigen des Kaufbelegs nichts Neues, hieß es vom Deutschen Hotel- und
Gaststättenverband (Dehoga). Anders sei das aber für Betreiber an Orten, an denen in kurzer Zeit viele Umsätze mit jeweils relativ kleinen Beträgen gemacht würden, zum Beispiel in Stadien und Festzelten. Auch in Kneipen, Cafés und Imbissen sei der Anteil an Kunden, die einen Bon wollten, eher gering. Die verpflichtende Ausgabe für alle Betriebe sei deshalb bürokratisch, teuer und überflüssig – vor allem dann, wenn fälschungssichere Kassen genutzt würden.

Fast keine Anträge auf Befreiung von der Belegpflicht waren erfolgreich

Größere Veränderungen erlebte dagegen das Bäckerhandwerk. Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks kommentierte: „Auf beiden Seiten der Verkaufstheke herrscht Frust.“ Die Bonpflicht sei in ihrer derzeitigen Ausgestaltung nach wie vor ein großes Ärgernis. Täglich würden unnötig Papierberge produziert, ohne der Finanzverwaltung signifikante Vorteile zu bringen oder gegen Steuerbetrug zu helfen. Sehr viele Bäcker stellten nach Angaben des Zentralverbands einen Antrag auf Befreiung von der Belegausgabepflicht. Diese Anträge wurden jedoch fast ausnahmslos abgelehnt.

Wann genau eine Ausnahme möglich ist, dazu äußerte sich das Finanzministerium Baden-Württemberg. Demnach ist man von der Belegausgabepflicht befreit, wenn diese unzumutbar ist. Die Schwelle dafür sei jedoch hoch. Die Zahlen der Anträge werden hier nicht gesondert erfasst, ebenso wie im Saarland, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Brandenburg oder in Berlin. Niedersachsen geht von einer Antragszahl im niedrigen dreistelligen Bereich aus. Wie in Bremen (33 Anträge) und in Hessen (642) war in keinem dieser Länder bislang ein Antrag erfolgreich. In Rheinland-Pfalz wurde dagegen unter 308 Anträgen eine vorübergehende Befreiung gewährt. In Sachsen wurden bisher 466 Anträge auf Befreiung von der Bonpflicht gezählt – fünf davon waren erfolgreich.
(dpa/KP)

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