Preisverleihung

Magic Melbourne und die Nacht der Kochstars

Die Gewinner des diesjährigen Wettbewerbs „The World’s 50 Best Restaurants“
Die Gewinner des diesjährigen Wettbewerbs „The World’s 50 Best Restaurants“ (Foto: © The World’s 50 Best Restaurants)
958 Gäste drängen sich in der nicht gerade armen Metropole Melbourne. Sie sind – typisch für diese Stadt – vorrangig jung, schön und schlank. Und foodverrückt. Wen sie feiern? Nun, in dieser Nacht findet im poppig angestrahlten Royal Exhibition Building (früher tagte hier mal das Parlament) eine ganz besondere Verleihung statt. Die Oscars für Kochstars werden vergeben und die World’s 50 Best Restaurants ermittelt.
Donnerstag, 06.04.2017, 10:44 Uhr, Autor: Markus Jergler

Die Verleihung ist, wie bei den Oscars, tatsächlich Geheimsache. Doch im Gegensatz zu der diesjährigen Oscarverleihung ging hier nix daneben. Launig und mit einer gehörigen Prise englischer Selbstveräppelung  moderierte der britische TV-Moderator Mark Durden-Smith das mehrstündige Programm, das sich nur um eines drehte, das gute Essen. Vorher und hinterher wurde in Form von lokalen Delikatessen aufgetischt – und da Melbourne direkt an Australiens Südküste liegt, stammten diese vorrangig aus dem Meer.

Trotz der weiten Anreise (aus Europa 22 Stunden, selbst Kalifornien immerhin noch 15 Stunden) hatten es sich fast alle der nominierten Köche nicht nehmen lassen, anzureisen. 1.000 Jurymitglieder gaben vorher ihre Wertung ab– wer dann wo landet, das ist schon der halbe Spaß, für den man trotzdem Nerven wie Drahtseile haben muss. Joachim Wissler vom Vendôme ist seit 10 Jahren ohne Unterbrechung auf der Bestenliste der 50 Best Restaurants. Das allein mache ihn schon stolz, sagt er. Der Preis selbst? „Nun, im Gegensatz zu den Michelins sind die World’s 50 Best viel spannender.“ Oh – was genau meint er? „Die Überraschungen sind größer,“ klärt er auf, wirkt dabei allerdings ziemlich entspannt. Denn relativ egal, auf welchem Platz das Vendôme in diesem Jahr landen wird (Platz 47, Tim Raue ist auf Platz 48 gelandet), beschert ihm allein die Platzierung unter den Top 50 der Welt etwas, das Restaurants seiner Art in Deutschland dringend brauchen, um zu überleben, wie er selber sagt. „Von deutschen Gästen allein könnte ich nicht leben. Aber so werden ausländische Gäste auf uns aufmerksam.“ Gerade hat er sich mit Foodie-Fans aus Indonesien unterhalten, die sich gleich einbuchen wollen, nun will er zu den Australiern.

Die 958 Gäste feiern die 50 Preisträger im Royal Exhibition Building
Die 958 Gäste feiern die 50 Preisträger im Royal Exhibition Building (Foto: © The World’s 50 Best Restaurants)

Allein von der Produktvielfalt und Qualität, mit der die Küche down under arbeiten kann, ist Joachim Wissler schwer beeindruckt, auch wenn die Hemdsärmeligkeit, mit der es hier zugeht, natürlich nicht zum klassischen Dreisterner passt. Neil Perry, einer der bekanntesten und beliebtesten Köche Australiens, zerlegt mit seinem Team Steak, Abalone und Hummer und serviert sie in großzügigen Happen auf großen Tellern. Jeder greift mit den Fingern hinein,  nicht etwa, weil man so ungezogen ist, sondern weil das ozzie style ist und Meister Perry es so möchte. Es spart nämlich viel Ansteherei und man kommt ins Gespräch.

Großes Medieninteresse – aber nicht aus Deutschland
Dem Trubel zuzusehen, macht viel Spaß. Tim Raue hat sich zu Heinz Reitbauer gesellt (dessen Steirereck kommt später auf Platz 10), die amerikanischen Köche tauschen sich mit ihren sieben südamerikanischen Kollegen aus, David Thompson, Heston Blumenthal, Eric Ripert, zwei der drei Roca-Brüder … alle sind sie da. Natürlich auch Thomas Ruhl, Fotograf und Verleger von Port Culinaire. (Letztes Jahr hat er mit dem diesjährigen Gewinner aus New York noch eine Küchenparty gefeiert, wie er sich nach der Verleihung erinnert.) Die Stimmung bei den World’s 50 Best gefällt ihm. Dass so viele Köche gekommen sind, beeindruckt ihn, denn immerhin müssen diese unter Umständen ihren Laden sogar ein paar Tage zusperren. Und trotzdem ist er nicht ganz glücklich. „Wieso sind so wenige Journalisten aus Deutschland da?“ Womit er natürlich Recht hat, wir sind insgesamt zu Viert, darüber können andere Länder nur kichern. „Aus Italien sind sämtliche wichtigen Tageszeitungen und Printmedien gekommen. Und wie die Spanier sind auch sie überdies mit ganzen Fernsehteams angereist.“

Nun könnte man natürlich einwenden, dass Fernsehteams bei der hohen Präsenz spanischer Restaurants auf der Bestenliste auch nicht verwunderlich sind. Neben dem Celler de Can Roca sind noch fünf andere Restaurants, das Asador Etxebarri, Mugaritz, Tickets, Arzak und das Azurmendi, unter den Top 50 vertreten. Aber das will er so nicht gelten lassen. Die Italiener sind viermal vertreten auf der Bestenliste, und trotzdem ist die Verleihung Zuhause ein spannendes Thema, wie die Kollegin vom Corriere della Serra begeistert nickend (und glücklich kauend) bestätigt . Und die amerikanische PR-Kollegin hat nicht nur US-amerikanische Journalisten zu betreuen, die sich die sechs Köche aus ihrem Land mal anschauen wollen. Sondern auch einige Kollegen aus Kanada, denn dort interessiert das Thema ebenso, obwohl sich kein einziges Restaurant aus Kanada unter den Top 50 befindet.

Was sich Thomas Ruhl noch wünschen würde neben einer größeren Journalisten-Präsenz? „Dass auch die jüngere Kochgeneration in Deutschland international wahrgenommen wird,“ antwortet er und zählt da besonders auf das Sosein und Felix Schneider sowie das Berliner Einsunternull, das im letzten Jahr erstmals besternt wurde.

Am Ende sind trotzdem alle glücklich, vor allem auch die Gastgeber. Denn was ein rauschendes Fest wie dieses überdies ist, ist eine ganz und gar nicht reklamige Werbung für das austragende Land. Zwei Lokalmatadoren (das Attica und das Brae) schafften es in die Top 50. Die Kochwelt staunte über den hohen Standard der Kochkunst, der auch in der Weinbar oder im Bistro in Australien selbstverständlich geworden ist, verliebte sich in bugs, die keine Käfer sind, sondern Meeresfrüchte, verkostete Wein und genoss die Gastfreundschaft. Dass sie auch für Touristen und nicht nur für Einheimische eine Food-Destination werden, das wünschen sich die Australier. Und dieser Wunsch dürfte in Erfüllung gehen. (Text: Gabriele Gugetzer)

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