Warum Onlinebewertungen nicht immer die Realität abbilden
Renate Holland, die Besitzerin mehrerer Fitnessstudios, erhielt gerade einmal 2,5 von 5 Sternen auf der Internetplattform Yelp, obwohl sie überwiegend positive Rezensionen hat. Da die Dame sich dies nicht bieten lassen wollte, klagte sie vor dem Oberlandesgericht München. Der Grund für die schlechte Bewertung? Der Algorithmus des Bewertungsportal für Restaurants, Dienstleister und Geschäfte stufte nur zwei von 76 Beiträgen als hilfreich oder authentisch ein. Den Nutzern wurde erst auf den zweiten Blick deutlich, dass es noch sehr viel mehr als die zwei Meinungen gab. Die vermeintliche Durchschnittsbewertung trügt. „Es ist für den Verbraucher sehr schwierig zu entscheiden, welche Bewertungen echt sind und welche nicht“, lässt Tatjana Halm von der Verbraucherzentrale Bayern dazu verlauten. Dennoch helfen Strategien, sich im Sterne-Dschungel zurechtzufinden.
Seriöse Portale von unseriösen unterscheiden
Vertrauenswürdige Portale haben aus Gründen der Rufschädigung in der Tat nur wenig Interesse daran, Fake-Bewertungen zu veröffentlichen. Man erkenne sie laut Halm an klaren Informationen darüber, wer eine Bewertung abgeben darf und wie sie zustande kommt. Für die Seriosität eines Angebots sprächen sogenannte verifizierte Bewertungen. Unseriöse Portale können dagegen eine Vielzahl positiver Bewertungen fördern, um bei ihren Werbepartnern relevant zu wirken oder das eigene Image aufzubessern. Wer Nutzer mit Gutscheinen für positive Bewertungen belohne, verhalte sich manipulativ, sagt Halm. „Man sollte sich unterschiedliche Portale anschauen und Vergleiche ziehen.“ Der Blick hinter die Sterne- und Punkteskala lohnt. Wichtig sei es, einzelne Bewerter genau unter die Lupe zu nehmen, rät Halm. Es gebe Menschen, die sehr viel bewerten. Wenn jemand im kurzen Abstand viele Geschäfte und Restaurants an unterschiedlichen Orten bewertet, sei das ein Hinweis auf Fake-Bewertungen. Gleiches gelte für sehr viele Negativbewertungen, gefolgt von mehreren positiven. In so einem Fall dränge sich der Verdacht auf, dass jemand aktiv versuche, die schlechten Urteile auszugleichen, erklärt die Verbraucherschützerin.
Online-Bewertungen bilden nicht die Realität ab
Halm hält es für fraglich, ob Online-Bewertungen überhaupt ein repräsentatives Bild der Realität geben. Tatsächlich hat eine Studie der TU Dortmund im vergangenen Jahr herausgefunden, dass Kundenbewertungen die Qualität von Elektroprodukten nicht gut widerspiegeln. Fazit von Studienautor Sören Köcher: „Man sollte sich eher nicht auf die durchschnittlichen Bewertungen als Qualitätsindikator verlassen.“ Bei den etwa 1.300 verglichenen Produkten fanden sich kaum Übereinstimmungen zwischen professionellen Urteilen der Stiftung Warentest und Kundenwertungen von Amazon. Kunden tendierten dazu, nur besonders positive oder negative Reaktionen mitzuteilen. „Deshalb finden wir recht selten mittlere Bewertungen mit drei oder zwei Sternen“, sagt Köcher. Nutzer hätten in diesem Fall schlicht keine Motivation, zu schreiben. Er empfiehlt, sich Einzelbewertungen durchzulesen und nicht auf die berechnete Gesamtwertung zu schauen. „Möglicherweise sind das Sachen, die überhaupt gar nichts mit dem Produkt zu tun haben, wie Verpackungsschäden oder eine verspätete Lieferung.“
Lieber auf Algorithmen vertrauen?
Neben Yelp bedienen sich auch andere Unternehmen wie Amazon oder das Hotel-Portal Holidaycheck automatischen Methoden, um Werberezensionen zu erkennen. Das ist nach Angaben der Verbraucherzentrale ein Qualitätsmerkmal. Besser sei aber, wenn zusätzlich noch Menschen Einzelbewertungen prüften und es eine Meldefunktion von Fakes für Nutzer gebe. Renate Hollands Fall zeigt, dass solche Algorithmen auch nicht immer richtig liegen. Auch wenn sich Yelp laut BGH-Urteil auf eine automatisierte Auswahl stützen darf, hatte das Oberlandesgericht München zuerst geurteilt: Durch das Aussortieren so vieler Bewertungen entstehe „kein hilfreiches, sondern ein verzerrtes Gesamtbild“. (dpa-tmn/TH)