Internetreservierungen – Fluch oder Segen?
„Haben Sie reserviert?“ – in früheren Zeiten stellten die Kellner diese Frage fast nur in exklusiven Restaurants oder bei größeren Gruppen. Mittlerweile hören sie die Gäste in immer mehr Lokalen – mit der Folge, dass manchmal mehr reserviert ist als am Ende tatsächlich in Anspruch genommen wird. Aber: Gibt es tatsächlich einen Trend zu Reservierungen? „Ja natürlich, ganz klar“, sagt Bernd Riegger, Geschäftsführer der Gastronomiekette Mitchells & Butlers Germany in Wiesbaden, „das ist wesentlich einfacher geworden durch das Internet.“ Das Stammpublikum seiner Kette, die auch ein eigenes Online-Reservierungssystem anbietet, sei etwa 25 bis 35 Jahre alt und sehr internetaffin. Das schnelle einfache Reservieren führe aber auch zu häufigen „No-Shows“, also Nichterscheinen trotz Tischbuchung. Und es gibt noch eine weitere Kehrseite der Reservierungsmedaille, wie beispielhaft der Sonntagsbrunch bei Mitchells & Butlers zeigt: „Da passiert es oft, dass Leute am Mittwoch anrufen, die wollen mit sechs Personen am Sonntag kommen“, berichtet Riegger, „und da müssen wir sagen, wir sind ausgebucht. Aus Sicht des Gastes ist das schon ein Problem.“
„Es macht keinen Sinn, alles zu vergeben. Da verlieren wir die Laufkundschaft!“ – Gastronom Kenan Akin
Sieht es im hohen Norden des Landes möglicherweise anders aus? Betriebe wie etwa der „Alsterpavillon“ in Hamburg seien den Betreibern zufolge teilweise Wochen im voraus ausgebucht, wobei es abends aber völlig anders aussehen könne als zu den restlichen Tageszeiten: Von 18.00 bis 22.00 Uhr würde das Restaurant zwar die stärksten Umsätze, aber deutlich weniger Reservierungen verzeichnen, da die Gäste offensichtlich lieber unterwegs seien und weiterziehen würden. „Der Reservierungstrend nimmt auf jeden Fall zu“, bestätigt auch Kenan Akin, Betriebsleiter des Münchner Restaurants Neuhausen, „man merkt ganz extrem, dass die Leute sehr, sehr frühzeitig reservieren – vor allem sonntags und an Feiertagen für den Frühstücksbrunch.“ Spontane Gäste hätten dem Gastronomen zufolge bei ihm dennoch Chancen: „Es macht keinen Sinn, alles zu vergeben. Da verlieren wir die Laufkundschaft.“ Auch Christine da Silva von der Münchner Kuffler-Gruppe, zu der Hotels und Restaurants gehören, kann den Reservierungstrend in der Gastronomie beobachten. Bei Hotels dagegen werde ihr zufolge kurzfristiger gebucht als früher. „Die Auswahl an Hotels ist größer, die Leute lassen sich eher Zeit und gucken, ob sie ein Schnäppchen finden.“
„Bei längerfristigen Buchungen verzeichnen wir auch 40 Prozent Stornierungen!“ – Hotel-Geschäftsführer Thomas Mühl
„Es wird häufiger reserviert, aber auch storniert“, berichtet indes Marita Gottinger, die Mitinhaberin des Landhotels Gottinger in Waldkirchen im Bayerischen Wald. So beobachte sie immer häufiger, dass Gäste kurzfristiger buchen und ihre tatsächliche Anreise durchaus auch mal vom Wetter abhängig machen würden. Sie macht die „Onlinementalität“ dafür verantwortlich – es wird schnell gebucht, aber ebenso schnell storniert, wenn sich noch was Besseres oder Günstigeres findet. Ähnliches schildert Thomas Mühl, Geschäftsführer des Mühl Vital Resorts in Bad Lauterberg im Harz: „An manchen Tagen haben wir zu Wochenbeginn ein leeres Wochenende und sind dann doch voll gebucht.“ Bei längerfristigen Buchungen, zu denen er einen längeren Vorlauf als vier Wochen zählt, verzeichne er aber auch 40 Prozent Stornierungen.
„39 Prozent mehr Reservierungen im Vergleich zum Vorjahr!“ – Bookatable by Michelin
Auch einschlägige Portale stellen den Trend zu immer mehr Reservierungen über das Internet fest. Opentable zum Beispiel verzeichnete im zweiten Quartal 2018 eine Gesamtzahl von 30 Millionen Gästen in Deutschland, die seit 2007 einen Tisch gebucht haben. Bis zum dritten Quartal 2015 waren es 13 Millionen, die Zahl der Gäste hat sich also in nicht einmal drei Jahren mehr als verdoppelt. Bookatable by Michelin vermittelte nach eigenen Angaben allein im ersten Halbjahr 2018 im deutschsprachigen Raum 4,4 Millionen Gäste, was ein Wachstum von 39 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeute. (dpa-tmn)