Novel Food

The Cultivated B. beantragt Zulassung für Laborfleisch

Hotdog-Genuss ganz ohne Reue bald möglich? Ein Heidelberger Unternehmen will eine neue Ära der Lebensmittelproduktion einläuten.
Hotdog-Genuss ganz ohne Reue bald möglich? Ein Heidelberger Unternehmen will eine neue Ära der Lebensmittelproduktion einläuten. (Foto: © Dorthe Naumann/stock.adobe.com)
Fleisch aus dem Labor? Ja! Das Heidelberger Unternehmen The Cultivated B. hat als erstes Bio-Tech-Unternehmen ein zellkultiviertes Fleischprodukt bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) registriert. 
Freitag, 22.09.2023, 12:40 Uhr, Autor: Thiemo Welf-Hagen Wacker

Erst im Mai hat sich die EFSA in einem Symposium mit den Technologien hinter der zellulären Landwirtschaft beschäftigt, von der Zellkultur über das Tissue Engineering bis hin zur Präzisionsfermentation.

Das Symposium fand in Erwartung von Anträgen in den kommenden Monaten und Jahren statt – Anträgen wie dem von The Cultivated B.

Letzteres, eine Tochtergesellschaft des deutschen Lebensmittelherstellers Infamily Foods, hat Gespräche mit der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) aufgenommen. 

„Das Zulassungsverfahren der EFSA für neuartige Lebensmittel gehört zu den robustesten der Welt und umfasst eine gründliche und evidenzbasierte Bewertung der Lebensmittelsicherheit und des Nährwerts. Dass kultiviertes Fleisch in Europa, wo dieses Lebensmittel geboren wurde, verfügbar würde, würde einen Paradigmenwechsel für den Sektor bedeuten“, sagt Seth Roberts, Policy Manager beim Good Food Institute Europe.

Was sind die größten Herausforderungen?

Eine der größten Herausforderungen im Bereich des kultivierten Fleisches ist es, die enormen Mengen zu produzieren, die von der Lebensmittelindustrie benötigt werden. Darüber hinaus behindern Bedenken hinsichtlich der Lebensmittelsicherheit und der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften die Verbraucher von kultiviertem Fleisch. 

Die frühe Zusammenarbeit des TCB mit der EFSA ist ein Beweis dafür, dass diese Barrieren niedergerissen werden und die Branche dazu gebracht wird, kultiviertes Fleisch für die breite Masse zu demokratisieren, ohne Kompromisse bei Qualität oder Nachhaltigkeit einzugehen.

Neue Ära der Lebensmittelproduktion soll eingeläutet werden

„Dies ist mehr als nur ein Zertifizierungsprozess. Es ist ein Beweis für unsere fortschrittliche Technologie für zelluläre Landwirtschaft im industriellen Maßstab und spiegelt auch unser unerschütterliches Engagement wider, eine neue Ära der Lebensmittelproduktion einzuläuten – eine, in der Gesundheit, Geschmack, Ethik und Nachhaltigkeit nahtlos zusammenfließen“, sagt Dr. Hamid Noori, CEO von TCB.

Er ergänzt: „Der europäische Kulturfleischsektor hat ein enormes Potenzial und erhebliche Wachstumschancen. Da dieser Markt an Bedeutung gewinnt, ist es unser Ziel, einen durchgängigen Zugang zu hochwertigem, nachhaltigem Fleisch für alle zu gewährleisten. Die Erlangung der EFSA-Zertifizierung ist ein bedeutender Schritt in diese Richtung.“

Der Antrag von Culivated B. ist ein Meilenstein für die Lebensmittelproduktion

Die zelluläre Landwirtschaft erlaubt die Herstellung tierischer Nahrungsmittel in Inkubatoren, mit anderen Worten: ohne Tierhaltung. Die EFSA bewertet die Sicherheit solcher neuartigen Produkte für die europäischen Verbraucher. Diese Bewertung fließt neben wirtschaftlichen, tierschutzrechtlichen und sozialen Aspekten in die Entscheidung der EU-Regulierungsbehörden über eine Marktzulassung ein.

Auch der Weltklimarat beschäftigt sich bereits seit 2022 mit der zellulären Landwirtschaft. Die entsprechenden Technologien gelten als eine Möglichkeit, den Druck auf die endlichen natürlichen Ressourcen zu mindern. So kann Rindfleisch, das zellkultiviert und mit erneuerbaren Energien hergestellt wurde, zum Beispiel bis zu 92 Prozent weniger CO2-Emissionen verursachen als konventionell produzierte Produkte. Beim Flächenbedarf locken 95 Prozent und beim Wasserbedarf 78 Prozent Einsparungen.

„Der Antrag aus Heidelberg ist eine wunderbare Nachricht für den Innovationsstandort Deutschland – und verspricht neue nachhaltige Arbeitsplätze“, folgert Jens Tuider, Chief Strategy Officer bei ProVeg International.

Was steckt hinter dem neuartigen Fleischprodukt?

Das zellbasierte Wurstprodukt, für das TCB eine EFSA-Zertifizierung anstrebt, ähnelt Brühwürsten, die in Hot Dogs verwendet werden, und wurde in enger Zusammenarbeit mit dem TCB-Schwesterunternehmen The Family Butchers entwickelt.

Es handelt sich um ein hybrides Wurstprodukt, das aus veganen Zutaten besteht, darunter erhebliche Mengen an kultiviertem Fleisch. Die Nutzung des kombinierten Know-hows beider Unternehmen stellt sicher, dass die Verbraucher den vertrauten, köstlichen Geschmack erleben, den sie lieben, und gleichzeitig von einem nachhaltigen und ethisch hergestellten Produkt profitieren.

The Cultivated B. leistet Pionierarbeit

Die EFSA-Zertifizierung unterliegt einem strengen Rechtsrahmen, der den Schwerpunkt auf Lebensmittelsicherheitsstandards legt. Die Zertifizierung der Kulturwurst von TCB durch die EFSA wird die Sicherheit der kultivierten Fleischerzeugnisse nach den höchsten europäischen Standards belegen. Sie gibt auch die Weichen vor und legt den Grundstein für behördliche Zulassungen weltweit.

Diese strategische Roadmap unterstreicht die Entschlossenheit des Unternehmens, in der globalen Kulturfleischindustrie führend zu sein und Hunderten von Start-ups in diesem Bereich den Weg zu einer tragfähigen und skalierbaren Kommerzialisierung zu ebnen, die neue Maßstäbe in den Bereichen Lebensmittelsicherheit, Innovation und Zugänglichkeit setzt.

(The Cultivated B./ProVeg/THWA)

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