Frauen drängen in die Spitzengastronomie

Gehobene Gastronomie ist Männersache? Nicht mehr lang!

Sonja Frühsammer bei der Arbeit
Die Sterneköchin Sonja Frühsammer in der Küche ihres Restaurants „Frühsammer“. (Foto: dpa)
Rauer Ton, strenge Chefs, heftige Arbeitszeiten: Noch ist die Gourmet-Küche eine Männerdomäne. Aber der Wandel ist im Gange. In der zweiten Reihe begeistern viele Kronprinzessinnen ihre Anhänger.
Dienstag, 19.12.2017, 11:55 Uhr, Autor: Markus Jergler

Mit scharfen Messern kann sie umgehen. Und mit Männern – oder besser mit Köchen. Denen, die sie fördern und denen, die sie ausbremsen wollten. Sonja Frühsammer hat es an die Spitze geschafft, sie ist Sterne-Köchin. Und damit eine Ausnahmeerscheinung in der von Platzhirschen dominierten Branche. „Beim Vorwärtskommen helfen ein starker Partner, Mut und Ehrgeiz“, sagt sie.

Kaum Michelin-Sterne für Frauen
Die Testesser des Michelin-Führers kürten in der Deutschlandausgabe für 2018 insgesamt 300 Häuser mit den begehrten Sternen. In nur zehn davon hat eine Küchenchefin das Sagen. Keine erreichte die Höchstnote von drei Sternen. Nur eine, Douce Steiner aus dem Schwarzwald, bekam zwei. Auch in anderen Koch-Rankings – ob national oder international – häufen sich Männernamen und Männerfotos. Ein krasses Missverhältnis: Im Alltag gehören Kochen und Backen fast wie eh und je zum Frauen-Klischee. Wenn es aber um Profi-Jobs, Ruhm und Prestige geht, bleiben Köchinnen oft außen vor.

Frühsammer hat hohe Ziele
Lokale und regionale Produkte gelten doch als trendig? Na und! Sonja Frühsammer setzt auf eigene Maßstäbe. Ihren Stern besitzt sie seit 2014. Da war sie deutlich über 40. Sie erzählt von frühen, hohen Zielen, Umwegen, etwa wegen der Kinder, und von Zweifeln. Zu ihrem Aufstieg, der nach dem Abitur von der Lehre in einer Firmenkantine über ein Cateringunternehmen zur Chefin des Top-Restaurants führt, sagt sie: „Es sind die Gäste, die uns immer besser gemacht haben.“

Uns – das schließt ihren Mann Peter mit ein. Als Koch konnte dieser sich bereits im Alter von Mitte 20 über seinen ersten Stern freuen. Bei der Gründung des „Frühsammers“ übernahm er die Rolle des Gastgebers und Sommeliers. Und überließ seiner Frau die Sterne-Jagd. In der Gourmetszene insgesamt ändern sich die Dinge nur im Schneckentempo. Gesellschaftliche Debatten um Gleichberechtigung und weibliche Chefs scheinen lange folgenlos geblieben zu sein. Knochenjobs am heißen Herd, familienfeindliche Arbeitszeiten und ein rauer Umgangston – so versuchen viele den Frauenmangel zu erklären.

Zeichnet sich ein Wandel ab?
Doch inzwischen gerät die Männerbastion von mehreren Seiten unter Druck. Der weibliche Nachwuchs boxt sich nach oben. Köchinnen bilden Netzwerke. Und nicht zuletzt das Schreckgespenst Fachkräftemangel lässt manche Gastronomie-Päpste umdenken. Noch Anfang der 90er Jahre bekam Sonja Frühsammer bei ihren Bewerbungen zu hören: „Nein, wir stellen keine Frauen ein, das bringt das Team durcheinander.“ Heute, sagt sie, könne sie sich so eine Antwort nicht mehr vorstellen.

Das Missverhältnis beginnt bisher schon in der Ausbildung: Auf drei männliche Auszubildende im Fach Koch und Köchin kommt ein weiblicher. „Diese Zahl ist seit vielen Jahren nahezu konstant“, sagt Sandra Warden von der Bundesgeschäftsstelle des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehgoa). Viele heutige Meisterköchinnen berichten – ähnlich wie Sonja Frühsammer – von hohen Hürden am Start: Die Chefs der Küchenbrigaden hätten früher Anwärterinnen massiv abgeblockt. Zugleich reizte der Beruf wohl auch gar nicht so viele Mädchen.

Auch andere Gourmet-Köchinnen setzen sich für einen Wandel innerhalb der Spitzengastronomie ein. „Wir Frauen müssen lernen, nicht gegeneinander zu arbeiten, sondern mehr Netzwerke zu bilden“, findet auch die Sterneköchin Maria Gross. Denn für viele Frauen ist klar: „Frauen in der Küche müssen bisher noch ein bisschen fleißiger sein als ihre männlichen Kollegen, um den gleichen Erfolg zu haben“, wie die 44-jährige Sabine Demel erklärt. (dpa/MJ)

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