Alexander Herrmann: „Das Abholgeschäft hat auch nach Corona großes Potenzial für Gastronomen“
Herr Herrmann, würden Sie sagen, dass mit den jüngsten angekündigten Lockerungen das Schlimmste für die Gastronomie überstanden ist?
Das Schlimmste ist bei Weitem nicht überstanden, aber es eröffnet uns eine Chance, die Zukunft wieder zu gestalten. Die letzten Wochen waren wie ein unternehmerisches Wachkoma, das heißt, wir konnten nichts tun und mussten zusehen, wie sich die Perspektive für das noch verbleibende Jahr für uns Tag für Tag verschlechtert. Man muss verstehen, die Gastronomie ist in einer besonderen Situation, denn das Schnitzel, das ich heute nicht verkaufe, kann ich morgen nicht doppelt verkaufen.
Wie haben Sie persönlich die letzten Wochen erlebt?
Von entspannten Momenten, weil natürlich kein Telefon klingelt, weil letztendlich auch kaum Business stattfand, bis hin zu tiefer Verzweiflung, weil man sich fragte: Wie kann man vor allem in unserem Betrieb in Wirsberg eine 151-jährige Familientradition über die nächsten Wochen beziehungsweise Monate retten? In dieser Bandbreite war alles dabei.
Was wäre Ihr Wunsch für die nächsten Wochen?
Dass wir es als Gesellschaft wie als Unternehmer schaffen, so schnell wie möglich wieder zu normalen Abläufen zurückzufinden. Dass auch Abstandsregeln, wie sie jetzt momentan in der Gastronomie herrschen, sich immer weiter lockern lassen. Damit wir in unseren Restaurants, in denen wir unser Geschäft machen, wieder die Möglichkeit haben, alle Plätze zu besetzen und somit das Business immer weiter zu stabilisieren – natürlich erst dann, wenn der angemessene Moment dafür gekommen ist.
Viele Medien beschreiben die Coronakrise als Mittel zur Zwangsdigitalisierung. Lässt sich so etwas auch in der Gastronomie beobachten? Kann man dieses Geschäft überhaupt digitalisieren?
Bis vor acht Wochen dachte ich, dass die Digitalisierung und die Gastronomie zwei völlig unterschiedliche Welten wären. Denn man muss sich ja immer vor Augen führen, dass wir sehr stark an den Gast vor Ort gebunden sind. Aber es hat sich ein völlig neues gesellschaftliches Moment entwickelt. Dank der Medien – ob jetzt Print, Radio oder Fernsehen –, die einen klaren Aufruf starteten, dass man zu seinem Lieblingsrestaurant gehen sollte, um deren Speisen als Take-away oder to go abzuholen, hat sich in den letzten acht Wochen innerhalb unserer Gesellschaft verankert, dass du auch abholen kannst. Dementsprechend bin ich der Meinung, dass Abholen die Zukunft ist und entsprechende Seiten und Apps der Onlineshop der Gastronomie werden.
Ist ein Konzept wie „Abholhelden“ aus Ihrer Sicht eigentlich nachhaltig, sprich, wird es auch nach Corona noch funktionieren?
Definitiv, und zwar aus zwei Gründen: zum einen, weil eben jetzt, wie schon erwähnt, die Gesellschaft verstanden hat, dass es ein völlig normaler Prozess ist. Bisher waren es in erster Linie Pizza, Pasta, Burger, Pommes, asiatische Spezialitäten und vielleicht ein Döner, den man abholen oder mitnehmen konnte. Und jetzt holen wir, holen alle anderen Konzepte ein wenig auf. Das bedeutet, es ist verankert und es ist vor allem auch akzeptiert. Würdest du versuchen, das heutzutage alleine zu entwickeln, braucht das ein, vielleicht auch zwei oder drei Jahre, bis deine Gäste es akzeptieren und es auch wirklich nachhaltig nutzen. Jetzt ist das nach wenigen Wochen verankert, umgesetzt und in den Köpfen der Menschen angekommen. Das bedeutet, wir alle in der Gastronomie sind jetzt gefordert, dieses Konzept beizubehalten und auszubauen. Dann können wir auch in der Zukunft zehn, vielleicht bis zu 30 oder mehr Prozent eines Tagesumsatzes übers Abholen langfristig wieder reinholen und stabilisieren.
Welche Entwicklungen erwarten Sie in der Gastronomie und was wünschen Sie sich von Kollegen, Gästen und der Politik?
Von den Kollegen wünsche ich mir einfach nur, dass sie sich weiterhin mit Engagement dem Thema Abholen widmen, es als Chance begreifen und auch investieren, damit sie zu Hause in ihren Unternehmen Kapazitäten dafür schaffen.
Von unseren Gästen wünsche ich mir, dass sie das Abholen weiterhin als Option wahrnehmen. Vor allem hoffe ich aber, dass sie die Veränderungen, die Corona mit sich gebracht hat, annehmen und gemeinsam mit uns umsetzen. Dass wir feste Zeiten für den Restaurantbesuch vorgeben müssen. Dass man, wenn man fertig gegessen hat, auch bereit ist, nach dem Essen innerhalb eines Hauses den Ort zu wechseln. Vom Tisch zur Bar oder auf die Terrasse, um dort den Absacker zu trinken. Damit dieser Tisch für die nächsten Gäste freigegeben werden kann.
Was die Politik angeht, ist es relativ simpel. Am Schluss geht es immer darum: Wir können nur in dem Maße beweglich sein und Dinge erreichen, wie die auferlegten Belastungen es zulassen. Nach Steuersenkungen zu schreien würde ein bisschen zu weit führen, aber uns entlasten und eingeforderte Dinge infrage stellen, das fordere ich schon. Dazu gehört natürlich, dass die Politik über den Tellerrand hinausschaut, auch einmal überlegt, wie viel Verwaltung ein Land braucht. Verwaltung kostet Geld. Wir sitzen alle im selben Boot „Deutschland“ und müssen durch die Weltwirtschaftsmeere rudern und mit den Wellen paddeln, um zu überleben.