„Wir haben aus Grünkohl auch schon Salat gemacht“
Grünkohl ist ein Stück norddeutscher Kultur, viele Landgasthöfe leben im Winter von den Kohltouren. Nico Winkelmann führt einen solchen Gasthof, den „Bümmersteder Krug“ in Oldenburg. Sein Betrieb liefert seit Jahren den Grünkohl auch für das „Defftig Ollnborger Gröönkohl-Äten“, mit dem Oldenburg sich in Berlin präsentiert. Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur spricht Winkelmann über das Traditionsbewusstsein der Kohlesser und eine schwierige Saison für seine Branche.
Herr Winkelmann, wie würden Sie jemandem aus Süddeutschland erklären, was für ein tolles und leckeres Essen Grünkohl ist?
Das ist das schönste, was man hier oben im Norden kriegen kann. Und vor allen Dingen auch etwas Gesundes. Ich glaube, das ist die Mischung aus allem. Das gesellige Beisammensein gehört dazu. Dass man mit Bollerwagen und Getränken im Winter über Land zieht. Und dann steht man zum Beispiel bei uns vor dem Haus für einen Abend mit Grünkohl, Musik und Tanz. Und man wählt den Grünkohlkönig, den Glücklichen, der nächstes Jahr die Grünkohltour organisieren darf.
Würde Grünkohl auch im Sommer funktionieren?
Nein. Sagen wir mal so, bei uns gibt es Grünkohl ab dem 1. Oktober und dann bis Gründonnerstag vor Ostern. Da werden noch mal Freunde und Nachbarn eingeladen zum Kohlessen. Und dann ist erst einmal ein paar Monate Pause angesagt.
Was gehört denn für Sie in einen ordentlichen Grünkohl?
Wir kochen den Grünkohl ganz klassisch, weil er so am liebsten gegessen wird. Wir setzen den Kohl mit Zwiebeln, Hafergrütze und Fleischbrühe an. Natürlich gehört Senf dazu. Als Fleisch gibt es bei uns Kasseler Rücken, viele Kollegen nehmen auch Kasseler Bauch. Dazu Speck, die typischen Pinkelwürstchen mit Grütze darin und Kochwürste.
Ist ein so fleisch- und kalorienhaltiges Essen denn noch zeitgemäß?
Der Grünkohl hat ja relativ viele Vitamine. Und was wir schon seit vielen Jahren beherzigen ist, dass wir den Grünkohl ein bisschen schlanker kochen. Das heißt, er ist nicht mehr so fett wie früher.
Gibt es denn Versuche, das Rezept zu modernisieren oder mit anderen Dingen zu kombinieren?
Wir haben das schon ausprobiert, anderes Fleisch zu servieren, zum Beispiel eine geräucherte oder rosa gebratene Entenbrust. Wir haben auch Salat gemacht, den Grünkohl mit Essig oder Zitrone und Öl angemacht oder mit gebackenem Kürbis und Mandeln serviert. Aber ich sage mal, wenn sie am Abend vielleicht einen Salat verkaufen oder ansonsten nur den klassischen Grünkohl rausgeben, dann spricht das doch Bände. Die Gäste mögen es traditionell.
Was erwarten Sie angesichts der steigenden Corona-Zahlen für diese Kohlsaison?
Es sind keine guten Aussichten. Es gibt schon viele Absagen. Die Grünkohlsaison, vor allem ab Januar, ist ziemlich wichtig für uns im Haus. Und wenn diese starken Wochenenden wegfallen, dann geht das schon wieder in die Richtung existenzbedrohend.
Haben Sie denn Alternativen?
Im letzten Winter haben wir Grünkohl für Gäste in Wohnmobilen serviert. Aber das sind natürlich nicht die Mengen, die wir sonst ausgeben in normalen Zeiten. Da stehen dann auf dem Parkplatz 20 oder 25 Wohnmobile. Das sind 50 bis 70 Essen, die wir in der Thermobox rausbringen. Das ist nicht einmal die Hälfte dessen, was wir sonst an einem Abend im Saal ausgeben.
Was kochen Sie denn, wenn es keinen Grünkohl gibt?
Wenn die Grünkohlsaison durch ist, freuen wir uns darauf, dass es mit Spargel losgeht. Wenn die Sonne im Frühjahr einige Tage hell genug geleuchtet hat und es relativ warm war, kann man mit Spargel anfangen. Im Sommer kommen die Hochzeiten mit Grill-Buffets. Und im Herbst geht es dann schnell weiter mit Kürbis, mit Pfifferlingen und dann auch mit Gänsen und Enten zu Weihnachten.
(Friedemann Kohler, dpa/MK)