Wird Sülze der neue Foodtrend 2019?
Tafelspitz vom Rind, Karotten, Sellerie, Lauch, Knoblauch und Petersilie köcheln in einem Topf – zusammen mit rußschwarzen Zwiebeln. „Die sind abgebrannt für die Farbe. Und der Zuckergehalt karamellisiert“, erklärt Mario Klaric, Gastronom im Wirtshaus im Braunauer Hof in München. Er macht heute Sülze, wie er sie einst in seiner Meisterprüfung servierte. In den Sud kommt später Sülzepulver für die Konsistenz. Man könnte auch einen Kalbskopf oder Schweineknochen für einen Fond auskochen, aber dann würde es für die Gäste teuer werden.“ Vor allem im Sommer steht Sülze auf seiner Speisekarte und manche Gäste würden nur extra deswegen kommen, sagt Klaric. Bis zu 180 Portionen pro Woche bereitet er vor. Und in der Tat: Nach Einschätzung von Trendforschern feiert Sülze derzeitig ein großes Comeback.
Kreativ kochen mit Sülze
Hintergrund ist der Trend „Nose to Tail“ – spricht: ein Schwein von der Nase bis zum Schwanz zu verwerten. Verbunden damit ist steigendes Interesse an traditioneller Fleischerzeugung. „Lebensmittelliebhaber fragen das stärker nach“, sagt Gero Jentzsch vom Deutschen Fleischer-Verband. Gerade in Städten sei Handgemachtes wie Blut- und Leberwurst, aber eben auch Sülze wieder beliebter. „Vor zehn Jahren ging der Trend in die andere Richtung.“ Da begehrten die Fleischesser eher Kochschinken. Der Leiter des Deutschen Fleischermuseums in Böblingen, Christian Baudisch, spricht von Aufwertung eines klassischen Arme-Leute-Essens. Markknochen seien seit jeher für wenig Geld zu haben gewesen. Zudem sei Sülze schnell herstellbar und aus den weniger attraktiven Teilen des Tiers gemacht. Auch könne man mit Sülze kreativ sein, Muster oder gar ganze Wappen gestalten. Zudem sind Sülzprodukte fett- und kalorienarm und auch äußerst vielfältig.
Sülzeunruhen und Sülzenrekorde
Welche Relevanz Sülze mal hatte, zeigt ein Blick in die Geschichte: Vor fast genau 100 Jahren, im Juni 1919, stürmten Hamburgs Bürger das Rathaus und entfachten damit die sogenannten Sülzeunruhen – ausgelöst von Ekelfleischfunden und angeheizt von Gerüchten, eine Firma könnte gar Ratten und Katzen zu Sülze verarbeiten. „Die wütende Volksmenge wirft den Sülzeproduzenten in die Kleine Alster“, heißt es im „Hamburg Geschichtsbuch“ und vor dem Rathaus fielen sogar Schüsse. Apropos Geschichtsbuch: Als es noch keine Kühlschränke gab, mussten Lebensmittel möglichst lange haltbar sein oder eben gemacht werden. „Pökeln, Räuchern, Einmachen, Einwecken ist zurückgedrängt worden mit Einführung des Kühlschranks“, sagt Museumsleiter Baudisch. Davor sei Sülze gerade auch in der Großküche beliebt gewesen. Um 1900 habe es riesige Gaststätten gegeben, in denen Arbeiter schichtweise aßen. „Tellersülze macht man direkt im Teller. Das kann vorbereitet werden und ist für Bedienungen einfach zu händeln“, erklärt er. Und ganz nebenbei: Vergangenen Herbst schaffte es ein Sülzenrekord auf der Ostseeinsel Usedom in die Schlagzeilen: Gastronom André Doemke brachte eine Fischsülze mit stolzen 182,4 Kilogramm auf die Waage. (dpa/TH)