„Wir sind ein Restaurant und keine Klinik“
„Die österreichische Mehlspeisküche ist eine starke, eigenständige Geschichte, die ich persönlich ziemlich gut finde. Damit unterscheidet sie sich eklatant von den Desserts im Süden, die in der Regel einfach nur süß sind“, kann Juan Amador, deutscher Sternekoch mit spanischen Wurzeln, der traditionellen Mehlspeistradition einiges abgewinnen. Auch in seinem Wiener Restaurant stehen süße Versuchungen hoch im Kurs. „99 Prozent meiner Gäste bestellen Dessert“, berichtet Amador.
Gerade von einem Sternekoch erwarten sich Gäste, dass Desserts vor Kreativität sprühen und einen extravaganten, krönenden Schlusspunkt unter ein köstliches Menü setzen. „In der Haubenküche war es lange Zeit Mode, und ist es teilweise jetzt noch, im Dessertbereich mit Gemüse zu arbeiten. Ich halte das bedingt für okay, doch ein Dessert sollte ein Dessert bleiben und nicht zur süßen Vorspeise mutieren“, bezieht Amador Stellung. Mit Salatblättern in der Nachspeise kann er demnach nichts anfangen. „Bei allem Wunsch nach Extravaganz muss auch die Haubenküche aufpassen, dass es nicht zu kompliziert wird. Denn wenn der Gast die Kreationen nicht mehr versteht, bewegen wir uns in die falsche Richtung.“
Geschmack hat Priorität
Bei seinen Süßspeisen ist es für Amador wichtig, eine gute Balance zwischen Süße und Säure zu finden. Und auch Zuckeralternativen wie Stevia hat er aus seiner Küche verbannt. „Zucker ist eigentlich ein Naturprodukt, auf Milch und Schlagobers trifft das genauso zu. Uns geht es um herausragenden Geschmack, den wir in dosierten Mengen auf den Teller bringen möchten“, hat Amador seine Prinzipien.
Klartext spricht Amador auch, wenn es um die Frage geht, wie viele Kalorien ein Dessert haben darf. „Wir sind dazu da, Geschmack zu produzieren. Immerhin sind wir ein Restaurant und keine Klinik“, macht er deutlich. Ausreichend Bewegung vorausgesetzt und in Maßen konsumiert, würden süße Qualitätsspeisen kein Problem darstellen. Deswegen seien auch „leicht“ und „schwer“ keine Kategorien in Amadors Dessert-Küche. „Es passiert automatisch, weil es im Sommer eher in Richtung fruchtig geht und im Winter mehr in Richtung Gewürze und Schokolade. Aber wir orientieren uns nicht daran“, so Amador.