Globale Konkurrenz

Quinoa: Der Fluch des Superfood-Rausches

Quinoa Bolivien
In Bolivien hat der Quinoa-Rausch eine Entwicklung angestoßen, die für viele Bauern des Landes ernüchternd ist. (© dpa)
In Gourmet-Restaurants verfeinert das „Inkakorn“ Quinoa so manche Speise. Als die Nachfrage explodierte und das „Superfood“ die westlichen Biomärkte eroberte, brachen für Boliviens Bauern goldene Zeiten an. Nun herrscht plötzlich Katerstimmung.
Freitag, 23.06.2017, 09:02 Uhr, Autor: Felix Lauther

Es ist Markttag. Eine Schotterfläche, zwei Fußballplätze groß, im Hintergrund schneebedeckte Andenberge. Bis letztes Jahr war hier der ganze Platz voll mit bunten Säcken. Darin schwarze, gelbe und rote Quinoa – die Pflanze aus der Gattung der Gänsefüße, auch bekannt als „Inkakorn“, gilt als „Superfood“, sehr nährstoffreich. Früher wurde es fast nur von der Urbevölkerung in den Anden gegessen, hier auf 3.800 Meter Höhe ist das traditionelle Anbaugebiet der Pflanzen.

Boliviens Präsident isst am liebten Quinoa-Riegel
Boliviens Präsident Evo Morales isst im Regierungsflieger am liebsten Quinoa-Riegel – die Pflanze kurbelte das Wachstum in seinem Land an, heute gibt es auch Quinoa-Shampoo und Quinoa-Bier. Lag die Produktion vor zehn Jahren weltweit bei 60.000 Tonnen, sind es heute über 250.000 Tonnen. Doch in Challapata ist vom Boom nicht viel geblieben.

Gegen die neue globale Konkurrenz, die auch auf Pestizide setzt, kommen sie nicht an – die erhöhte Produktion hat zu einem drastischen Preisverfall geführt. Statt zeitweise 6.000 US-Dollar je Tonne Quinoa aus Bolivien gibt es heute beim Export nur noch rund 2.500 Dollar.

„Als der Preis immer weiter stieg, haben wir zu Hause Pommes statt Quinoa gegessen, um noch mehr zu verkaufen“, berichtet Quinoa-Bauer Germán Velarde (29) auf dem Marktplatz. Velarde hat vier Kinder zu ernähren, er verdient jetzt nur noch 700 Bolivianos (87 Euro) die Woche. „Andere stecken sich die Dollars ein, aber das ist nicht die echte, gute Quinoa.“

Viehzucht statt Quinoa-Anbau
„In Peru bauen sie modifizierte Quinoa an, um die Produktion zu erhöhen, das zerstört die Preise“, erzählt Bauer Canavari. „In Europa weiß das ja keiner, dass Quinoa nicht gleich Quinoa ist. Uns würde es viel besser gehen, wenn wir direkt an Händler von dort verkaufen könnten.“ Es geht an Feldern vorbei. „Vor ein paar Jahren gab es nur Quinoa hier, jetzt steigen einige wieder auf Getreide und Klee für die Viehzucht um.“

Qualität des Quinoa geht in der Masse verloren
Das Produkt hat schnell Karriere gemacht – das Saatgut wurde verändert, um Quinoa in anderen Regionen, etwa an der Küste, anzubauen. In Peru, das Bolivien als Marktführer abgelöst hat, wird Quinoa verstärkt im industriellen Stil angebaut. Masse statt Klasse lautet das Gebot.

Auf dem Altiplano bauen sie seit Jahrhunderten die Quinoa Real an, die königliche Quinoa, frei von Pestiziden, von Hand gesät und geerntet. Challapata ist das Zentrum, doch statt 1.500 Bolivianos (187 Euro) für den Sack mit 100 Libras (46 Kilo) wie noch vor drei Jahren gibt es auf dem Markt derzeit nur noch 320 Bolivianos (40 Euro) pro Sack. Zum Vergleich: Im deutschen Edeka-Supermarkt kosten 250 Gramm rote Quinoa aus Südamerika 3,29 Euro. Der Quinoa-Bauer in Challapata bekommt für 250 Gramm rote Quinoa nur 1,74 Boliviano, das sind gerade einmal 21 Euro-Cent. (dpa / FL)

Zurück zur Startseite

Weitere Themen

Frau setzt Brille auf und sieht erstaunt aus
Chia, Amaranth, Quinoa & Co.
Chia, Amaranth, Quinoa & Co.

Superfoods: Der Siegeszug der Exoten geht weiter

Chia, Amaranth, Quinoa oder Matcha: Wer glaubt, dass die Superfoods ihren Zenit in Deutschland bereits überschritten haben, der irrt. Die Wachstumsraten sind teilweise sogar dreistellig. Einen neuen Star am Himmel der exotischen Früchte- und Getreidesorten gibt es auch schon.
Daniel von Canal und Felix Munte
Wachstumskapital
Wachstumskapital

25 Millionen Euro für Foodji durch Hybridfinanzierung

Foodji sichert sich als erstes Unternehmen in Europa Zugang zu einer neuen Hybridfinanzierung von P Capital Partners (PCP) und erhält dadurch Zugang zu bis zu 25 Millionen Euro. Das Münchner Food-Tech-Scale-up will das Kapital nutzen, um weiter zu skalieren und mit seinen intelligenten Essensautomaten die Versorgungslücke im Mittelstand zu schließen. 
James Ardinast, Vorstand Initiative Gastronomie Frankfurt e. V., Daniela Hammerschmidt, Kommunikation Die Kooperative e. V., Lena Iyigün, Vorstandsvorsitzende Initiative Gastronomie Frankfurt e. V., Unterstützer Eduard M. Singer, Leiter Stabstelle Stadtmarketing, Kirsten Allendorf, Projektleiterin Umweltlernen in Frankfurt e. V. für Klimagourmet, und Maike Thalmeier, Mitgründerin Kommunikationsstudio Ubermut
Event
Event

Foodtura Festival startet mit 50 Highlights und Gastro Con für die Gastronomie

Food, Urbanität und Nachhaltigkeit – diese Themen stehen im Mittelpunkt des Foodtura Festivals. Über zwei Wochen hinweg erwarten die Besucher rund 50 Veranstaltungen. Hinzukommen zahlreiche Specials für die Gastronomie. Ein Highlight ist die Gastro Con, die Fachleuten wertvolle Einblicke und Netzwerkmöglichkeiten bietet.
Grafik des künftigen Food Campus Berlin
Ernährung
Ernährung

Gründungszentrum für FoodTech-Start-ups geplant

Auf dem Food Campus Berlin entsteht Raum für junge Unternehmen, die die Zukunft der Ernährung mitgestalten wollen. Dafür haben jetzt Wista, eine landeseigene Gesellschaft zur innovativen Standortentwicklung und Artprojekt eine strategische Partnerschaft geschlossen.
Ein exklusiver Guide mit den besten und vielfältigsten Restaurants in Genf
Gourmet
Gourmet

Genf-Food-Guide von Gastro-Experte Ripari

Die kulinarische Vielfalt Genfs hat Food-Journalist Sebastian Ripari in einem kleinen Buch zusammengefasst. Der Einheimische hat das gastronomische Angebot der Calvin-Stadt entdeckt, getestet, beschrieben und mit viel Bildmaterial aufbereitet.
Sina Gritzuhn, Renate Künat, Volker Dümmel, Jochen Vogel, Christoph Langness
Treffpunkt
Treffpunkt

Erfolgreiches Food Innovation Camp in Hamburg

Das nunmehr sechste Camp bot wieder eine große Plattform zum Netzwerken und Feiern. Dieses Mal fanden sich 150 Start-ups ein, um sich über relevante Branchenthemen auszutauschen. Gleichzeitig bereiteten bekannte Spitzenköche Leckeres zu.
Daniel Herrmann im Portrait
Personalie
Personalie

Vier Jahreszeiten Kempinski hat neuen F&B Manager

Daniel Herrmann verstärkt jetzt das Team des Münchner Traditionshauses im Bereich Food & Beverage. Er bringt reichhaltige, internationale Erfahrung aus verschiedenen Hotels in seine neue Position mit. 
Abendstimmung auf dem Food Festival Open Mouth in Hamburg. (Foto: Wim Jansen/ Mediaserver Hamburg)
Genuss-Event
Genuss-Event

Hamburg lässt es sich schmecken – beim 2. Open Mouth Food Festival

Im September dürfen sich die Hamburger wieder auf kulinarische Momente freuen. Das Food-Event wird auch diesmal mit zahlreichen Höhepunkten aufwarten. Das Veranstaltungsprogramm klingt schon jetzt abwechslungsreich und geschmackvoll.
Sebastian Gooding ist der neue CEO Food Service B2B bei Valora. (Foto: © Valora)
Wechsel in der Führung
Wechsel in der Führung

Valora erweitert Leadership Team

Im Management der Unternehmens-Gruppe kommt es zu Veränderungen in der Division Food Service. Der langjährige CEO Food Service Thomas Eisele verlässt das Unternehmen. Für ihn werden zwei neue, interne Führungskräfte übernehmen.