Schlemmen mit gutem Gewissen

Karpfen – man liebt oder hasst ihn

Karpfen blau
Der Karpfen ist zu den Feiertagen wieder vermehrt gefragt. (© Fisch-Informationszentrum e.V.)
Feinschmecker vergleichen den Karpfen beim Geschmack sogar mit Wein. Doch der mitunter eigentümliche Geschmack wie auch die speziellen Gräten sind nicht jedermanns Sache.
Freitag, 20.12.2019, 10:20 Uhr, Autor: Clemens Kriegelstein

Zu Weihnachten und rund um den Jahreswechsel kommt in vielen Regionen in Deutschland Karpfen auf den Tisch. Viele ältere Menschen kennen und lieben ihn noch von früher. Ihre Kinder erinnern sich dagegen oft mit Grauen an den glibberigen und Gräten durchsetzten Fisch, den sie vor sich auf dem Teller herumschoben.

Die Erfurter Sterneköchin Maria Groß denkt beim Karpfen zuerst an ihren Opa Klaus, einen passionierten Angler. „Meine Erinnerungen sind: modriger Geschmack trotz ausgiebiger Schwimmrunden in der Badewanne bei klarem Wasser. Und leider auch Grätenexzesse – so nervig.“ Der Karpfen hat deshalb nicht den besten Ruf – und entzweit während der Festtage auch schon mal Familien.

Nr. 2 aus Deutschland

Nach der Regenbogenforelle ist der Gemeine Karpfen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes der wichtigste Fisch aus Aquakulturen in Deutschland. Rund 4700 Tonnen wurden 2018 bundesweit gezüchtet, Bayern und Sachsen-Anhalt führen dabei mit großem Abstand. Doch beim Verzehr landet der Karpfen weit abgeschlagen hinter Fischen wie Alaska-Seelachs, Lachs, Thunfisch oder Hering. 2018 betrug sein Marktanteil gerade mal 0,5 Prozent.

„Der Karpfen passt nicht so in die Vorstellung der deutschen Verbraucher“, sagt Matthias Keller vom Fisch-Informationszentrum in Hamburg. Karpfen blau zu Hause kochen? Für viele Menschen sei das heute undenkbar, weil das zu viel Arbeit mache und unangenehm rieche. „Ein Fisch wie der Pangasius ist da im Vorteil, weil er quasi grätenfrei und eher geschmacklos ist.“

Besonders nachhaltiger Fisch

Dabei sollten wir eigentlich viel mehr Karpfen essen. „Er ist der nachhaltigste Fisch Deutschlands“, sagt die Fischereiexpertin Stella Nemecky von der Umweltschutzorganisation WWF. Der Karpfen lebt in naturnahen Teichen. Im Gegensatz zu vielen anderen Zuchtfischen muss er nicht mit Fischmehl gefüttert werden, sondern ernährt sich von winzigen Wassertierchen, Insektenlarven und Pflanzen. Wenn die Teichwirte zufüttern, dann meist Getreide aus der Region. Nach dem Fangen landet der Karpfen in der Regel direkt auf dem Teller, legt also keine langen Wege zurück.

„Grundsätzlich finde ich den Karpfen von der Struktur des Fleisches her sehr fein“, sagt Spitzenkoch Harald Wohlfahrt. „Er ist ein vielfältiger Fisch, er schmeckt gekocht, gebraten oder zum Beispiel als Karpfengulasch.“ Doch auch er sieht einen großen Nachteil: die vielen Gräten. „Das erklärt die Angst vieler vorm Karpfen.“

Schlamm-Catcher

Bei jungen Genießern punktet der Karpfen vor allem mit seinem nachhaltigen Image. „Wir beobachten, dass sich viele Menschen tatsächlich aus ökologischen Motiven dem Karpfen zuwenden“, sagt Nina Wolff von der Bewegung Slow Food. Den Eigengeschmack des Karpfens sieht sie eher als kulinarischen Vorteil: „Das ist ähnlich wie beim Wein: Der Boden, in der sich die Teichwirtschaft befindet, und die Eigenschaften des Wassers bestimmen den Geschmack.“ Tatsache ist jedenfalls, dass der Karpfen gerne im Teich-Schlamm buddelt. Doch schmeckt er deshalb wirklich modrig? „Das kann schon mal passieren. Das liegt dann vor allem am Teichwasser. Und man weiß ja nie, wo er kurz vor dem Fang im Teich unterwegs war und was er gefuttert hat“, sagt Sandra Kess vom Fisch-Informationszentrum (FIZ) in Hamburg. Deshalb würde ein guter Fisch-Betrieb ihn in ein Becken mit klarem Frischwasser setzen. „Und ihn dort mindestens eine Woche lassen“, so Kess. Sie rät daher, den Fisch-Händler auch nach der Herkunft des Karpfens zu fragen. (dpa/CK)

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