Der kleine Hunger kommt bestimmt…
Kreative Snack-Ideen mit dem besonderen Snacktrend
Ein Mehrgängiges essen ist kein Gesetz, das mit den Steintafeln von Moses zu uns kam. Es ist eine europäische Angewohnheit. Sie macht in der Gastronomie natürlich schon rein finanziell Sinn.
Ein Blick auf asiatische Restaurants, z.B. die seit Jahrzehnten erfolgreiche Kette »Bok« (Standorte z. B. in Hamburg, Berlin und Düsseldorf), und man erkennt die Vorteile der Häppchen-Küche. Neben einer Mix-Kultur zwischen Thai, Chinesisch und Sushi gibt es hier auch eine hervorragende frische Pho (Vietnams Lieblingssuppe, aufwendig). Asiatische Häppchen lassen sich vorbereiten oder sind fix gemacht. Das Prinzip: Was die Küche fertig hat, kommt auf den Tisch; es wird nicht gewartet, bis alle Gerichte fertig sind. Deshalb eignet sich Asiatisches besonders gut für Gruppen oder Pärchen, die gut teilen können.
Brot als Snack – echt jetzt?
Lukas Nagl jedenfalls, Executive Chef der Traunseehotels im Salzkammergut, findet unsere Snackkultur »nicht wirklich zeitgemäß und mit Leberkäs und Würstl auch sehr fleischlastig«. Oliven, karamellisierte Nüsse, klar, die sind gesetzt bei ihm, aber zusätzlich kommen auch »kleine, eingemachte Dinge in Gläsern« auf den Tisch, beispielsweise eingekochte Hähnchenleber. Und ums Brot macht er das Bohei, das sich gehört, wenn’s vom eigenen Bäcker kommt. Brot gilt als ernst zu nehmender Snack und wird mit Aufstrichen serviert. Ein Snack ist für ihn keinesfalls gleichbedeutend mit schnell. »Der Snack ist eine zwischenzeitliche Mahlzeit.« Und auch nicht mit Qualitätseinbußen: Er geht auch hier mit Nachhaltigkeit bei Produzenten und Produkten an den Start, vom »Bootshaus « (16 Punkte im Gault-Millau) angefangen.
Ein Cracker ist manchmal komplizierter als ein 3-Gänge-Menü
Die Sommeliers in den Häusern sind bei diesem Thema ebenfalls gefragt. »Zu Snacks kennen sie die passenden Getränke, ob exotische Biere oder hausgemachte Essenzen und Sirupe. «Snack is Signature Thomas Sampl, Bobby-Bräuer-Zögling und nach langen Jahren als Chefkoch im »Vlet« frisch als Gastro-Consulter unterwegs, meint, »ein besonderer Cracker erfordert manchmal mehr Verständnis als ein ganzes Gericht«, und er findet, ein Snack sage sehr viel über den Küchenchef aus. Eine Art Signature Dish im Lilliput-Format also. Auf Produktqualität pocht deshalb auch er: »Es gibt nichts Schlimmeres als einen Tomaten-Mozzarella- Spieß, der mit Pesto ohne Olivenöl und Käse, der keiner ist, gemacht wird.«
Fingerfood aus der Region
An einer gewissen Trendbereitschaft dürfe es aber ebenso nicht mangeln. Und was macht der Landgasthof? Der »Löwen« in Zang liegt mitten im Nirgendwo der Schwäbischen Alb. Vater Frank und Sohn Andreas Widmann machen gepflegte ländliche Küche, oszillierend zwischen oberfein und biergartentauglich. Gerade weil sie auch große Veranstaltungen haben und seit Kurzem mit einer bereits sehr erfolgreich laufenden Küchenwerkstatt Amateurköche aus der ganzen Region anlocken, können sie das sein, was jeder ständig einfordert. Regional nämlich.
»Apéros und Fingerfood «sind sehr gefragt, und »unsere echte Regionalität ist hier ein klares Alleinstellungsmerkmal«, erklärt der Junior. Was besonders gut ankommt? »Ein Brettle mit verschiedenen schwäbischen Snacks als Vorspeisen zum Teilen auf dem Tisch.« Sind da nicht nur die Asiaten, sondern auch die Widmanns einer neuen Teilchen-Kultur auf der Spur? Und sie tröten ebenso ins Fieseleien-Horn: »Handwerk und Originalität« sind selbst bei Kleinigkeiten wichtig.
Snacken = Suppen?
Die Widmanns sehen sich als schwäbisches Gasthaus, entsprechend stehen auf der Speisenkarte kleine Speisen aus der Region, Maultaschen beispielsweise. »In der kälteren Jahreszeit erweitern wir die Vesperkarte um gute Suppen oder klassische Eintöpfe wie Gaisburger Marsch.« Suppen sind, guckt man beispielsweise auf die aktuellen Novitäten der Buchverlage zur Frankfurter Buchmesse, neben Brühen ganz generell im Trend.
Vorspeisen werden zu Snacks
Wer als Einzelkämpfer, vielleicht nur mit einem Azubi, die Küche beschickt, muss sich das oben erwähnte Fieseln aber genau überlegen. Joachim Stern, ohne Stern in Hannover kochend, aber dort ein Lokalmatador, hat keine Snackkarte, stattdessen eine Vorspeisenkarte, die sich in ihrer Einfachheit und Köstlichkeit sehen lassen kann.
Da gibt’s was für jeden, z. B. einen Bioziegenfrischkäse mit gratinierten Aprikosen. Die Fleischfans, die was Besonderes wollen, hat Stern z. B. eine Jungbullenzunge mit eingelegten Pfifferlingen im Angebot. Schickes wie Entenleberparfait mit Cumberlandsauce oder Herzhaftes wie Matjes-Tatar mit einem festen, dennoch rohen Eigelb fehlen ebensowenig. Sterns schöne Idee: »Ich mache aus all diesen Kreationen für größere Gruppe ein Vorspeisen-Roulette, klein portioniert.«
Unkonventionell präsentiert
Für so etwas hat er Tellerchen vom Flohmarkt, große Servierlöffel, Stammgäste bringen ihm spanische Joghurtgläschen … Aus größer mach klein – das klappt wunderbar, wenn die Karte als solche breit gefächert oder klug ist. Mehr noch: Sterns Roulette sorgt für Kommunikation, wenn eine Gruppe aufläuft, die sich vielleicht noch nicht kennt. »Ich serviere nicht alles für jeden, sondern sorge für künstliche Verknappung. Das macht die Gäste neugierig und kontaktfreudig.« Ob man also improvisiert, was Neues versucht, sich auf Altes besinnt oder mit Geschick in Länderküchen wildert – Snacks können einem Restaurant durchaus einen besonderen Stempel aufdrücken.
Text: Gabriele Gugetzer