Studie zeigt: In Deutschland kommt Milchersatz aus Pflanzen am besten an
Pflanzliche Alternativen zu Molkereiprodukten müssen das Original nicht kopieren. Sie sollten aber neben einem guten Geschmack ein angenehmes Mundgefühl und eine variationsreiche Produktpalette haben. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Akzeptanz-Studie der Universität Hohenheim in Stuttgart.
Bei der Studie wurden insgesamt sechs europäische Länder befragt. Dabei zeigten sich große kulturelle Unterschiede – aber auch Gemeinsamkeiten, auf die Anbieter achten sollten.
Deutschland besitzt den aktivsten Markt
Von allen untersuchten Ländern hat Deutschland den höchsten Umsatz und das größte Marktpotenzial für diese pflanzlichen Alternativen. „Die starke Innovationskraft auf diesem Gebiet zeigt sich in vielen kleinen Start-up-Unternehmen“, erläutert Dr. Beate Gebhardt, Leiterin des AK Best an der Universität Hohenheim. „So kommen von allen untersuchten Ländern in Deutschland die meisten neuen Produkte auf diesem Gebiet auf den Markt.“
Doch auch auf dem gesamten europäischen Markt erfreuen sich sogenannte Milch- und Molkerei-Ersatzprodukte, die aus Pflanzen gewonnen werden, zunehmender Beliebtheit. So stieg ihr Umsatz in Europa zwischen 2020 und 2022 um 49 Prozent.
Gemäß einer EU-Verordnung dürfen jedoch nur Produkte, die aus dem Melkprozess von Tieren stammen, Bezeichnungen wie „Milch“ oder „Molkerei“ tragen.
Die pflanzlichen Alternativen zu Sahne, Quark, Käse oder Joghurt werden unter anderem aus Getreide, Ölsaaten oder Hülsenfrüchten hergestellt. Aufgrund ihrer deutlich besseren CO2-Bilanz im Vergleich zu ihren tierischen Vorbildern wird ihnen das Potenzial zugesprochen, den Wandel zu einem nachhaltigeren Lebensmittelsystem zu fördern.
Akzeptanz-Studie in sechs europäischen Ländern
Innerhalb des europäischen Marktes ist die Akzeptanz der neuen Produkte jedoch unterschiedlich verteilt, weiß Rebecca Hansen vom Fachgebiet Agrarmärkte an der Universität Hohenheim, die diese Frage im Rahmen ihrer Doktorarbeit untersucht hat. Dafür wertete sie 3.086 Antworten aus, die im Rahmen des Projekts „The V-PLACE – Enabling consumer choice in vegan or vegetarian food products“ erhoben wurden und von EIT Food, der Lebensmittel-Innovationsgemeinschaft des Europäischen Instituts für Innovation und Technologie (EIT), finanziert wurde.
Sie suchte nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten in der Bereitschaft der Menschen in Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Polen und Spanien, vermehrt zu pflanzlichen „Molkereiprodukten“ zu greifen. Die sechs Länder wurden so ausgewählt, dass mindestens ein Land in Nord-, Süd-, Ost- und Westeuropa vertreten war und die unterschiedlichen Marktsituationen in Europa für pflanzliche Lebensmittel widerspiegelt.
„Die Stichprobe kann jedoch nur als begrenzt repräsentativ angesehen werden, da nur Personen in die Untersuchung aufgenommen wurden, die entweder schon pflanzliche ‚Milchprodukte‘ konsumiert haben oder mit diesem Gedanken spielten. Menschen, die daran überhaupt nicht interessiert waren, wurden nicht berücksichtigt“, betont Rebecca Hansen.
Deutschland: Gesundheit, Tierwohl und Umwelt spielen große Rolle
Einzigartig sind aus Sicht der Wissenschaftlerinnen die Deutschen in ihrer besonders kritischen Haltung zum Tierwohl. Dies zusammen mit Aspekten wie Gesundheit und Umwelt spielt eine große Rolle bei der Entscheidung, wie oft Menschen pflanzliche „Molkereiprodukte“ verzehren. Vor allem diejenigen, die sich für einen vegetarischen oder veganen Lebensstil entschieden haben, haben eine um 34 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, die pflanzlichen Alternativen häufiger zu konsumieren.
„Dies bestätigt unsere Annahme, dass die Entscheidung für den Verzehr von pflanzlichen ‚Molkereiprodukten‘ weitgehend von den Ernährungsgewohnheiten bestimmt wird“, erklärt Dr. Gebhardt. „Zudem beeinflussen soziale Normen und kulturelle Traditionen die Deutschen hierbei weniger stark als die Menschen in den anderen Ländern.“
Ernährungsgewohnheiten in der Kultur der verschiedenen Länder verwurzelt
Das belegt das Beispiel Polen als eine Art Gegenstück zu Deutschland: Dort werden tierische Milchprodukte als gesund und insgesamt vorteilhaft angepriesen. Dies kann aus Sicht der Wissenschaftlerinnen die Abneigung gegen pflanzliche „Molkereiprodukte“ besonders bei Personen erklären, denen Gesundheitsfragen wichtig sind.
Dazu kommt jedoch noch ein finanzieller Faktor: Steigt der Preis dieser Lebensmittel, nimmt die Bereitschaft zu ihrem Konsum ab. Darüber hinaus bemängelten die Befragten in Polen oft das Geschmackserlebnis als zu süß oder zu fettig.
„Ernährungsverhalten ist ein komplexes Gefüge“, erläutert Dr. Gebhardt. Es wird nicht nur von den individuellen Überzeugungen der Verbraucher in Verbindung mit soziodemografischen Faktoren und dem kulturellen Umfeld geprägt, sondern auch von politischen Programmen und ökologischen Themen beeinflusst.“