Luther-Wein: Historische Rebsorten wieder im Trend
„Der Wein ist gesegnet“, sagte Martin Luther in einer seiner Tischreden. Der Reformator trank gerne – und beschwerte sich, wenn der Wein nicht gut war: „Die Weine, die vom Rhein und anderswoher kommen, werden von den Fuhrleuten verdorben.“ Luther bekam Wein von Fürsten geschenkt, baute ihn selbst an oder nahm sich einfach Fässer aus dem Ratskeller der Stadt Wittenberg. „Ich zeche auch“, gab er einst zu, um andere dann doch vor dem Laster der Trunksucht zu warnen. „Es soll mir aber nicht jedermann nachtun, weil nicht alle meine Mühen ertragen.“
Welchen Wein aber der Reformator vor 500 Jahren besonders mochte, ist schwieriger zu beantworten. Luther selbst spricht von Reinfal. Ob es sich dabei um eine Rebsorte oder eine Herkunftsbezeichnung handelt, ist unklar. Zeitgenossen schreiben von Rheinwein, Frankenwein oder Elsässer. Hier wird schon deutlich: Die Herkunft oder Qualitätsstufe waren einst wichtig, nicht eine bestimmte Sorte wie Riesling. Dennoch versuchen Forscher und Historiker herauszufinden, was vor einem halben Jahrtausend in den Weinbergen wuchs – wahrscheinlich im sogenannten gemischten Rebsatz, also verschiedene Rebsorten durcheinander. Sicher habe man zu Luthers Zeiten die heute noch getrunkenen Muskateller und Gutedel gekannt, erklärt Erika Maul vom Julius-Kühn-Institut des Bundesforschungsinstituts für Kulturpflanzen nahe Landau in der Pfalz. Andere alte Sorten mit klingenden Namen wie Süßschwarz, Hartblau und Möhrchen würden gerade wieder im Sortiment des Instituts für Rebenzüchtung gepflanzt.
Nicht mit heutigem Wein vergleichbar
Es gebe eine kleine, aber wachsende Szene, die sich mit historischen Rebsorten beschäftige, sagt der Hobby-Weinhistoriker Thomas Riedl. „Die schmecken schon gut“, meint er und empfiehlt Gänsfüßer, Tauberschwab und Hammelshoden. Die Sorte Heunisch habe er mit Gleichgesinnten zusammen schon von mehreren Produzenten getrunken und verglichen. „Die Winzer müssen aber im Weinberg erst noch Erfahrung mit den Sorten sammeln.“ Andere wie Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut stehen den alten Reben – zumindest in Sachen Geschmack – reservierter gegenüber. „Man denkt: Die sind vielleicht nicht umsonst verschwunden.“
Es sei logisch, dass der Wein nicht so viel Aroma gehabt habe wie heute, sagt Ernst Rühl vom Institut für Rebenzüchtung an der Hochschule Geisenheim. „Er musste damals einfach ein sicherer Produzent und widerstandsfähig sein.“ Dennoch findet er es toll, dass das Interesse an den historischen Rebsorten steigt. „Diese Menschen sehen das kulturelle Erbe nicht nur in alten Burgen und Schlössern, sondern auch in Ess- und Trinkgewohnheiten.“ Rühl sieht die Bewegung als Teil der zunehmenden Rückbesinnung auf Traditionen.
In Deutschland stehen heute vier Rebsorten – Riesling, Müller-Thurgau, Spätburgunder und Dornfelder – auf mehr als der Hälfte der Anbaufläche. Um dennoch eine große genetische Variabilität zu haben, pflegen Institute wie das in Geisenheim oder in Geilweilerhof große Sammlungen mit Hunderten verschiedenen Sorten.Diese blieben aber nur erhalten, wenn das Gespür für die Wichtigkeit in der Bevölkerung vorhanden sei, sagt Rühl. „Sonst kommt, wenn das Geld knapp wird, ein Betriebswirtschaftler und sagt: Die stehen nur da, kosten viel und wir können nicht mal Wein davon verkaufen.“
Der Rebveredler Ulrich Martin im rheinhessischen Gundheim zieht derzeit Tausende Stecklinge, damit Winzer wieder ein paar Parzellen mit historischen Rebsorten bepflanzen können. 20 bis 30 Kunden habe er dafür schon gewinnen können. „Ich halte das für ein hochspannendes Projekt“, berichtet er. Natürlich sei das nur eine Nische im Weinmarkt – aber es gehe um Biodiversität und regionale Identität. Nach dem Motto: Je größer der Genpool, desto wertvoller für die Züchtung. „Jeder Winzer, der mitmacht, ist ein Erhalter einer fast verloren gegangenen Weinbaukultur.“
Die Weine damals hätten zwar Alkohol enthalten – aber in kühleren Jahren eher wenig. Auch sei der Wein schnell braun geworden und habe dann oxidative Noten bekommen, wie das beim Sherry oder Portwein der Fall ist, meint Fritz Schumann stellvertretender Direktor der Staatlichen Lehr- und Forschungsanstalt (heute DLR) in Neustadt. Zu Luthers Zeiten kam der Brauch auf, Schwefel im Weinfass abzubrennen, um die Oxidation zu verhindern. Doch davon hielt der Reformator nichts. „Dr. Martinus trank auf einer Hochzeit geschwefelten Wein und aß verdorbenes Brot. Darauf warf er ein: Man gewöhnt uns jetzt zum Schwefel und Pech, daß wirs in der Höllen desto besser dulden können“, schreiben seine Schüler. (dpa/MJ)