Jeder vierten Brauerei droht die Insolvenz
Die Corona-Krise hat die gesamte Branche hart getroffen – Unternehmen jeder Größe melden massive Umsatzausfälle, Kurzarbeit und Entlassungen. Nach der aktuellen Betriebserhebung des DBB ist der Umsatz der Brauereien von Januar bis einschließlich März 2021 im Schnitt um 33 Prozent eingebrochen. Besonders schwer getroffen sind laut der aktuellen Stichprobe des Verbandes Brauereien mit einem hohen Gastronomieanteil. Durch den kompletten Zusammenbruch des Fassbiermarktes beklagen Betriebe Umsatzrückgänge von bis zu 85 Prozent. Nur einer sehr geringen Zahl von Brauereien, die ihre Biere überwiegend oder ausschließlich über den Handel absetzt, gelang es, drastische Einbußen zu vermeiden.
Kollaps einmalig
„Einbrüche dieser Dimension hat es seit Ende des Zweiten Weltkriegs in der deutschen Brauwirtschaft nicht gegeben“, so Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes. Der Kollaps eines einzelnen Marktsegments wie jetzt bei Fassbier sei in der Geschichte der Brauwirtschaft bislang einmalig. „Nach fast sechs Monaten Dauerlockdown sind das Gastronomiegeschäft und Teile des Exports vollends zusammengebrochen, eine Erholung des Marktes ist nicht in Sicht, weil jede Perspektive fehlt. Die Umsatzverluste der Braubranche summieren sich mittlerweile auf historische Größenordnungen“, so Eichele.
Öffnungen im Mai erwartet
In der neuen Stichprobe des Verbandes gaben fast 88 Prozent der Brauereien an, sehr stark (58 Prozent) oder zumindest stark (30 Prozent) von den Schließungen und Beschränkungen des Gastgewerbes betroffen zu sein. Befragt zu einer wahrscheinlichen zeitlichen Perspektive für die Wiedereröffnung der Außengastronomie gab die überwiegende Mehrheit der Brauereien den Monat Mai als erwarteten Termin an. 15 Prozent zeigten sich skeptischer und befürchten im Lichte der schleppenden Impfkampagne eine Verzögerung der Wiedereröffnung des Gastgewerbes bis mindestens Juni.
Kurzarbeit, Entlassungen, Investitionsstau, Existenzängste
Die Folgen des Gastro-Lockdowns und die dadurch bedingten Umsatzverluste schlagen auf alle Unternehmensbereiche in den Brauereien durch. Mehr als 85 Prozent der befragten Betriebe mussten Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken – vor allem im Außendienst. In vier von fünf Brauereien (79 Prozent) wurden aktuell anstehende und für die Zukunft wichtige Investitionen verschoben oder ganz gestrichen.
Zudem musste ein knappes Drittel der Brauereien (32 Prozent) seit Beginn der Krise betriebsbedingte Kündigungen aussprechen. Aufgrund der Folgen der Pandemie klagt über ein Viertel der Brauereien (26 Prozent) darüber hinaus über Engpässe bei der Beschaffung etwa von Flaschen, Bierkästen und Kartonagen. Andererseits sind auch Engpässe in der Produktion und bei der Belieferung des Handels mit Flaschenbier entstanden, wie 16 Prozent der Brauereien bestätigen.
Erwartete Auswirkungen der Krise
Auf die Frage, welche Auswirkungen die Corona-Krise mittelfristig auf die deutsche Brauwirtschaft haben wird, zeigt sich die Branche in vielen Bereichen besorgt. Die meisten Betriebe (über 86 Prozent) befürchten künftig höhere Steuern und Abgaben zur Konsolidierung der Staatsfinanzen. Fast 84 Prozent der befragten Brauereien rechnen mit einem Verlust zahlreicher Absatzstätten im deutschen Gastgewerbe. Immerhin 73 Prozent der Befragten rechnen auch für die Brauwirtschaft mit einer deutlichen Zunahme der Zahl von Betriebsaufgaben und Insolvenzen. Von einem noch stärkeren Wachstum des Online-Handels und der Lieferdienste gehen 75 Prozent der Brauereien aus. Positiv zu werten ist, dass von mehr als 62 Prozent der befragten Betriebe ein verstärkter Trend zu alkoholfreien bzw. alkoholarmen Bieren erwartet wird. Alkoholfreie Biere hatten als einziges nennenswertes Segment im Krisenjahr 2020 ihren Marktanteil erhöht. Der Brauer-Bund geht davon aus, dass der Markt für Alkoholfreie weiter nachhaltig wachsen wird.
Staatliche Hilfen als unzureichend kritisiert
Knapp 73 Prozent der befragten Betriebe gaben in der DBB-Umfrage an, staatliche Hilfen beantragt zu haben. Die Überbrückungshilfe III haben fast 69 Prozent der Brauereien beantragt, aber bislang nur zu knapp drei Prozent auch ausbezahlt bekommen. Kurzarbeitergeld haben gut 64 Prozent vollständig wie beantragt erhalten – jeder fünfte Betrieb erhielt auch hier nur eine Teilzahlung. Noch schlechter sieht es bei der November- und Dezemberhilfe aus: Diese haben nur knapp 44 Prozent bzw. gut 31 Prozent der Betriebe vollständig wie beantragt erhalten.
Mit Blick auf die bisher von Bund und Ländern ergriffenen Hilfsmaßnahmen für betroffene Unternehmen kommen 75 Prozent der Befragten zu der Einschätzung, dass die Hilfen insgesamt nicht ausreichen. Auf die Frage, welche Maßnahmen für Brauwirtschaft und Gastronomie in der Corona-Krise noch ergriffen werden sollten, sprechen sich viele Brauereien für eine klare Öffnungsperspektive für Gastronomie und Veranstaltungen aus und fordern progressive Testkonzepte. Neben dem Erlass bzw. der Senkung der Biersteuer für alle Brauereien und die Rückkehr zur früheren Biersteuermengenstaffel für kleine Betriebe wird eine Entbürokratisierung der Wirtschaftspolitik eingefordert. Bei den staatlichen Hilfen werden eine Berücksichtigung des Unternehmerlohns ebenso eingefordert wie eine Neugewichtung der Fixkosten und niedrigere Schwellen mit höheren Prozentsätzen bei der Überbrückungshilfe III. Insbesondere die Erstattung für unverkäufliches Fassbier müsse dringend verbessert werden, so die Forderung aus der Branche.
Offener Brief sollte auf Lage aufmerksam machen
Der Deutsche Brauer-Bund hatte in Gesprächen mit der Bundesregierung immer wieder auf zusätzliche, wirksame Hilfen für Brauereien gedrängt. Mehr als 300 Brauereien aus ganz Deutschland hatten im Februar in einem Offenen Brief auf die angespannte Lage der Branche aufmerksam gemacht und darauf hingewiesen, dass von Woche zu Woche immer mehr Brauereien, Brauereigaststätten und Fachgroßhändler unverschuldet in existenzielle Not geraten.
(DBB/NZ)