Brauer verlängern Mindesthaltbarkeit von Fassbier
Um tausende Liter Bier nicht vor der erhofften Wiederöffnung von Restaurants, Gasthäusern und Bars wegschütten zu müssen, haben Brauereien nun das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) für Fassbiere nachträglich verlängert. Seit Monaten lagern in den Kellern der Gastronomie-Betriebe tausende gefüllte Bierfässer, werden aufgrund der Lockdown- bedingten Schließung jedoch nicht verbraucht. Das eingelagerte Bier erreicht jetzt in vielen Fällen sein Mindesthaltbarkeitsdatum. Radeberger und die Warsteiner Brauerei haben nun an Großhändler Banderolen für die Fässer geschickt, auf denen die zugesicherte Qualitätsgarantie um zwei Monate ausgeweitet wird, wie die Unternehmen jüngst bestätigten.
„Fassbier praktisch unverkäuflich“
Wie dramatisch die Lage ist, erklärte eine Sprecherin der Radeberger Gruppe, zu der Marken wie Jever, Radeberger Pils und Brinkhoff’s No. 1 gehören: „Fassbier ist infolge der Lockdowns praktisch unverkäuflich geworden.“ Schon im ersten Lockdown hätten die Brauereien große Mengen des bereits produzierten Fassbiers entsorgen müssen. Obwohl die Fassbierabfüllung seit Beginn des zweiten Lockdowns im November 2020 ruhe, habe dies jetzt erneut gedroht.
„Die Vernichtung dieses aus besten Rohstoffen und wertvollen Ressourcen aufwendig hergestellten, weiterhin bedenkenlos genießbaren Lebensmittels schmerzt jeden Brauer“, sagte Radeberger-Sprecherin Birte Kleppien. Nach der Prüfung von Rückstellproben habe sich der Braukonzern deshalb entschlossen, das auf den Fässern ausgewiesene Mindesthaltbarkeitsdatum von sechs Monaten um zwei Monate zu verlängern: „Denn das Mindesthaltbarkeitsdatum ist keineswegs ein Verfallsdatum.“
Auch Warsteiner verlängert das Mindesthaltbarkeitsdatum
Auch die Warsteiner Brauerei hat zur Verlängerung des Mindesthaltbarkeitsdatums um zwei Monate gegriffen. Bei sachgemäßer Lagerung könne das Bier „einwandfrei ausgeschenkt und ohne Qualitätsverlust genossen werden“. Dieser „unbürokratische Lösungsweg, der nur geringfügige Mengen betrifft“, sei mit dem Getränkefachgroßhandel besprochen und dort begrüßt worden, versicherte Warteiner-Sprecherin Sinje Vogelsang. Auch Warsteiner handele nachhaltig und wolle unnötige Lkw-Fahrten und die Entsorgung von Fässern einwandfreier Güte vermeiden.
Zur Verlängerung eines Mindesthaltbarkeitsdatums stellte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit klar, dass es nicht verboten sei, die Haltbarkeitsfrist nachträglich zu verlängern. „Lebensmittel dürfen über das Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus verkauft und dafür umetikettiert werden“. Die Unternehmen müssten aber vorher prüfen, ob die Produkte weiter sicher seien.
Nicht alle Brauereien ohne Einwand
Auch aus Sicht der Verbraucherzentrale ist die nachträgliche MHD-Verlängerung unproblematisch. „Von der Mikrobiologie her sehe ich da kein Problem“, sagte Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Kleinere Aromaveränderungen“ könne es aber eventuell geben. Das Bier müsse jedenfalls dunkel und kühl gelagert werden.
Ganz unumstritten ist die Verlängerung der Mindesthaltbarkeitsfrist in der hart umkämpften Bierbranche nicht. So machte ein Sprecher der Veltins-Brauerei deutlich: „Für uns kommt das Umetikettieren nicht in Betracht, denn es geht um Frische.“ Um die Wirte vor dem Neustart mit frischem Bier beliefern zu können, habe Veltins die alten Fässer zurückgenommen.
Warum nicht gleich ein längeres MHD?
Nun stellt sich der eine oder andere womöglich die Frage, weshalb Brauereien ihr Fassbier nicht gleich mit einem längeren Mindesthaltbarkeitsdatum ausgezeichnet werden – und zwar mit einer Neun-Monats-Haltbarkeitsfrist wie auch ihr Flaschenbier. Radeberger antwortet mit dem Verweis auf logistische Gründe: „In Zeiten ohne Pandemie sind wir darauf angewiesen, dass unsere Fässer schnell zu uns zurückgeführt werden, um der Nachfrage gerecht werden zu können“, sagte Sprecherin Kleppien. Das sei mit dem kürzeren MHD zu erreichen.
Wie prekär die Lage für Deutschlands Brauereien ist, zeigte sich nicht zuletzt in einem offenen Brief, in dem sich Ende Februar 2021 rund 300 Brauereien mit einem Hilferuf an die Politik gewandt haben.
(dpa/KP)