Alkoholfreie Alternativen sind im Kommen
Trinken ohne sich zu betrinken: Alkoholfreie Alternativen zu Bier, Wein und Spirituosen erleben in Deutschland einen Aufschwung. Das Feierabendbier, die Weinbegleitung zum Abendessen oder den Cocktail nachts in der Bar – fast alles gibt es inzwischen auch „ohne Umdrehungen“. „Alkoholfreie Weine und Spirituosen passen einfach gut in unsere Zeit, die viel mehr als früher Wert auf gesundes Leben und Selbstdisziplin legt“, erklärt der Ernährungssoziologe Daniel Kofahl, der unter anderem an der Universität Wien lehrt, den Trend. Das Gesundheitsbewusstsein sei in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden – und damit bei manchen auch die Angst vor den negativen langfristigen Folgen des Alkoholkonsums. Außerdem lege die Gesellschaft immer mehr Wert auf Selbstkontrolle. „Früher galt es als ganz normal, wenn der Alkohol die Zunge lockerte, und man nahm das nicht übel. Aber heute wird das nicht mehr toleriert und gerade im Berufsleben drohen negative Sanktionen.“
Bier – der Vorreiter in Sachen alkoholfrei
Vorreiter beim Abschied von den „Umdrehungen“ war das alkoholfreie Bier. Während der Bierkonsum in Deutschland in den letzten Jahren kontinuierlich zurückging, hat sich der der Gesamtausstoß alkoholfreier Biere nach Angaben des Deutschen Brauer-Bundes seit 2007 fast verdreifacht – auf 670 Millionen Liter. Das entspricht einem Marktanteil von fast 7 Prozent. Mehr als 700 verschiedene alkoholfreie Biere und Biermischgetränke zählt der Verband mittlerweile. Wobei alkoholfrei nicht immer ganz wörtlich zu nehmen ist. Nach deutschem Lebensmittelrecht dürfen Getränke als alkoholfrei bezeichnet werden, die maximal 0,5 Prozent Alkohol enthalten.
Alkoholfreie Weine entwickeln sich weiter
Auch alkoholfreier Sekt kommt nach Angaben des Deutschen Weininstituts (DWI) inzwischen auf einen Marktanteil von rund fünf Prozent. Alkoholfreie Weine tun sich da noch schwerer. Ihr Marktanteil liege noch unter einem Prozent, schätzte das Deutsche Weininstitut im vergangenen Jahr. Doch wächst auch hier die Nachfrage, wie das Weininstitut beobachtet: „Das Angebot alkoholfreier Weine und Sekte von Weingütern, Winzergenossenschaften und Handelskellereien hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen“, berichteten die Branchenkenner. Lange Zeit wurde der Markt von Spezialisten wie der Kellerei Carl Jung in Rüdesheim dominiert, die jährlich über 10 Millionen Flaschen alkoholfreien Wein produziert und in über 30 Länder exportiert. Doch inzwischen hat sogar das vom Weinführer Gault-Millau zu den besten deutschen Weingütern gerechnete Weingut Leitz alkoholfreie Tropfen im Angebot – und auch im HOGAPAGE Shop findet sich eine Auswahl.
Der Wettbewerb scheint dem Angebot gut zu tun. Geschmacklich hätten sich die alkoholfreien Weine dank neuer, aromaschonender Technologien „in den letzten Jahren äußerst positiv weiterentwickelt“, lobte das Weininstitut.
Start-ups befeuern die Entwicklung
Inzwischen machen alkoholfreie Alternativen sogar hochprozentigen Spirituosen Konkurrenz. Egal ob Wodka, Whisky, Gin oder Rum – es gibt kaum etwas, für das nicht inzwischen eine alkoholfreie Alternative angeboten wird. Vor allem in Cocktails finden sie immer häufiger Verwendung. Start-ups spielen bei dieser Entwicklung eine große Rolle – etwa der australische Getränkehersteller Lyre’s, der sein breites Angebot an alkoholfreien Spirituosen vom Absinth bis zum Wermut inzwischen in über 40 Ländern verkauft. Firmenchef Mark Livings sieht riesige Wachstumschancen auch in Deutschland. Doch deutsche Hersteller wie Rheinland Distillers, Laori oder Heimat Distiller haben alkoholfreie Gin-Alternativen auf den Markt gebracht.
Selbst der Spirituosenriese Bacardi, zu dessen Angebot nicht nur Rum sondern auch Marken wie Martini (Wermut) und Bombay Sapphire (Gin) gehören, nimmt den Trend ernst und hat das Angebot der Tochter Martini um zwei alkoholfreie Aperitifs ergänzt. In seinem jüngsten Cocktail Trend-Report 2021 prognostizierte das Unternehmen, dass sich die Umsätze mit alkoholfreien und wenig Alkohol enthaltenden Spirituosen in Westeuropa bis 2024 verfünffachen werden. Denn der Trend spreche nicht nur Nicht-Trinker an, sondern auch all jene, die einfach eine größere Vielfalt suchten und achtsamer trinken wollten.
(dpa/NZ)