„Mehr als Bett und Brötchen“

Wie Jugendherbergen Gäste locken wollen

Eine moderne Jugendherberge von innen
Wie wollen die Jugendherbergen mit ihrer mehr als 100-jährigen Tradition attraktiv bleiben? (Foto: Elnur/fotolia)
Was unterscheidet eine Jugendherberge von einem Hostel? Vom Namen her eigentlich nichts. Trotzdem haben die Herbergen ein eher angestaubtes Image – im Gegensatz zum angesagten Hostel. Wie wollen die Unterkünfte mit ihrer mehr als 100-jährigen Tradition attraktiv bleiben?
Dienstag, 09.01.2018, 12:20 Uhr, Autor: Markus Jergler

In einer Gewitternacht im Jahr 1909 hatte Richard Schirrmann eine Idee: Auf mehrtägigen Wanderungen sollten Schüler sichere und günstige Unterkünfte zum Übernachten finden können. Drei Jahre später gründete der Lehrer in der Burg Altena im Sauerland die erste dauerhafte Jugendherberge – sie existiert noch heute. Längst ist ein flächendeckendes Netz mit in Deutschland 471 Herbergen entstanden.

Vieles hat sich geändert
Es klingt ein bisschen romantisch: „In den Anfangszeiten schliefen die Gäste wirklich noch auf Strohsäcken“, erzählt Knut Dinter vom Deutschen Jugendherbergswerk. „Das hat das Image von Jugendherbergen geprägt.“ Das Stroh ist längst verschwunden, und auch die Zeiten liebloser Schlafsäle sind passé. Stattdessen gibt es heute meist Mehrbettzimmer für bis zu sechs Personen, in Neu- und Umbauten zunehmend auch kleinere Zimmer mit angeschlossenem Bad.

„Im Gegensatz zu früher, als es noch klassische Herbergseltern gab, werden die Einrichtungen heute von ausgebildeten Profis geleitet“, ergänzt Dinter. Um den modernen Ansprüchen der Reisenden gerecht zu werden, hat sich das Freizeitangebot erweitert. Statt oder ergänzend zu Wanderungen werden verschiedene Aktivitäten angeboten: von Geocaching und Stadtführungen über Segelkurse bis Yoga. „Jugendherbergen sollen mehr sein als Bett und Brötchen. Wir haben einen pädagogischen Anspruch und wollen zur Völkerverständigung beitragen“, sagt Dinter. Bei der Sanierung von Gebäuden wird deshalb vor allem auf die Gemeinschaftsräume Wert gelegt.

Gibt es einen Unterschied zwischen Hostels und Jugendherbergen?
Doch sind Jugendherbergen nicht durch die stetige Ausbreitung von Hostels, schicken Preiswert-Hotels wie Motel One und Airbnb bedroht? Das gilt höchstens für Großstädte wie Berlin, Hamburg und Köln. In der Fläche sieht es mit der Konkurrenz vielerorts dürftig aus. Rechtlich kann sich jede Unterkunft als Jugendherberge, Hostel oder was auch immer bezeichnen. „Jugendherbergen haben ein etwas angestaubtes Image“, sagt Prof. Jürgen Schmude, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Tourismuswissenschaft. „Hostels nennen sich so, weil das moderner klingt.“ Dabei ist Hostel eigentlich nur eine Übersetzung von Jugendherberge. Doch der Name bestimmt durchaus weiterhin über die Gäste.

Neue Zielgruppen erschließen
„Erlerntes Reiseverhalten ändert man nicht so schnell. Wer in der Vergangenheit oft Urlaub in Jugendherbergen gemacht hat, wird das auch in Zukunft weiter tun“, sagt Schmude. Für die Jugendherbergen ist die Herausforderung, junge Leute anzusprechen. Denn längst nicht alle Herbergen sind schick und saniert. Sie bieten aber oft einen anderen Service als Hostels – durch die Bildungsangebote und teils auch bei der Verpflegung. Während man sich in vielen Hostels als Selbstverpfleger in die Küche stellen muss, ist bei Jugendherbergen das Frühstück immer im Übernachtungspreis enthalten.

Wo geht die Reise hin?
Nach wie vor nutzen vor allem Schulen und Hochschulen die Jugendherbergen für Klassen- oder Studienfahrten. Schüler und Studenten stellen mit 37 Prozent aller Übernachtungen die wichtigste Zielgruppe. Ein Fünftel der Nächte geht auf das Konto von Familien. An dritter Stelle stehen Freizeitgruppen wie Chöre oder Vereine mit 18 Prozent. Der Anteil der ausländischen Gäste liegt nur bei 8 Prozent.

Jugendherbergen sind eine Nischenunterkunft. Laut Statistischem Bundesamt wurden 2016 gut 447 Millionen Übernachtungen in Deutschland gebucht. Die Jugendherbergen zählten knapp 10,3 Millionen – also gerade mal 2,3 Prozent. Drei Viertel der Nächte entfielen auf Herbergen auf dem Land oder in Kleinstädten. Der wirtschaftliche Druck führt dazu, dass die Jugendherbergen eher größer als kleiner werden. „Die Tendenz geht hin zu größeren Einrichtungen, die rentabler sind“, sagt Dinter.

Die Herbergen bleiben eine gute Möglichkeit, günstig zu übernachten – allerdings nur für Mitglieder des Deutschen Jugendherbergswerks mit entsprechender Mitgliedskarte. Die kostet Jugendliche bis 26 Jahre 7 Euro im Jahr. Familien und Mitglieder ab 27 Jahren zahlen 22,50 Euro. In günstigen Herbergen kostet die Nacht im Mehrbettzimmer 17 Euro, oft liegt der Preis aber höher. Die Preise staffeln sich nach dem Alter des Gastes und teils nach Saison. Praktisch: Die Mitgliedskarte ist auch für Jugendherbergen im Ausland gültig. (dpa-tmn/MJ)

Zurück zur Startseite

Weitere Themen

Ein Barkeeper gießt einen Cocktail ein
Barkultur
Barkultur

Bacardi schickt 7.000 „Trendscouts“ in die ganze Welt

Originelle Forschungsmission: Dieser Tage schalteten 7.000 Bacardi-Mitarbeiter Abwesenheitsnotizen am PC ein, um hunderte von Bars auf der ganzen Welt zu besuchen und am Tresen Gespräche über Cocktails und Kultur anzuregen.
Anja Kirig
Hogast-Next 2019
Hogast-Next 2019

Solo-Dining als Trend

Vier Referenten beleuchteten im Zuge des Jungunternehmer-Events an der FH Salzburg Trends in Hotellerie und Gastronomie und gaben den Teilnehmern praktische Tipps.
2 Mädchen mit Limonadenbecher
Drink local
Drink local

Cola & Co als Auslaufmodelle?

Laut einer aktuellen Studie verlieren international bekannten Marken bei den Jungen das Vertrauen. Demnach greift die Generation Z lieber zu lokal produzierten und gesünderen Alternativen.
Motorradfahrer auf kurviger Straße
Vom Heavymetal- bis zum Heuhotel
Vom Heavymetal- bis zum Heuhotel

Mehr Mut zur Nische

Eine temporär hohe Auslastung in den Hotels verdeckt laut dem Werbeexperten Alois Gmeiner die permanente Ideenlosigkeit in Bezug auf den „neuen Gast“.
Ein Mann sitzt grinsend vor einer Couch auf dem Boden mit seinem Laptop in einem Hotelzimmer
Studienergebnisse
Studienergebnisse

Hoteltreueprogramme: Was ist Gästen wichtig?

Treuepunkte und Bonusprogramme sind bei vielen Menschen sehr beliebt, vor allem bei Hotelgästen. Welche Vorteile deutsche Reisende an Bonusprogrammen von Hotelgruppen schätzen, zeigt eine aktuelle Studie von Wyndham Rewards.
Eine Frau öffnet die Tür zu einem Hotelzimmer
Bonusprogramme
Bonusprogramme

So belohnen Hotels treue Gäste

Viele Hotels bieten Treueprogramme für ihre Gäste an. Für Touristen und Geschäftsreisende lohnen sich die Angebote von der ersten Nacht an – und auch die Hotels profitieren.
Ein Geschäftsmann steht vor einer Hotelrezeption und macht lächelnd die Daumen-Hoch-Geste
Neue Studie
Neue Studie

So können Hotels ihre Gäste langfristig binden

Reisen haben einen hohen individuellen Erlebniswert – das gilt für private Trips ebenso wie für Geschäftsreisen. Wie können Hoteliers diesen Umstand nutzen, um Gäste erfolgreich und dauerhaft an ihr Haus zu binden?
Kühe beim Fressen von frischem Gras auf einem Bauernhof
Vermarktung regionaler Produkte
Vermarktung regionaler Produkte

Eier- und Milchautomaten für Bauern?

Regionale Produkte werden immer mehr nachgefragt. Der Verbraucher interessiert sich zunehmend dafür, woher das Produkt auf seinem Teller kommt und wie es entstanden ist. Der hessische Bauernverband will von diesem Umstand durch Verkaufsautomaten profitieren.
Die Köche Ralf Zacherl (v-l), Martin Baudrexel und Stefan Marquard in einer Folge des RTL II Formats "Die Kochprofis- Einsatz am Herd"(Foto: © dpa - Report)
Branchenbedingungen
Branchenbedingungen

Gastronomie: Warum Koch-Promis und Sterne wenig helfen

TV-Shows, Promi-Aktionen oder Gastauftritte – viele Köche inszenieren sich heute in sozialen Medien und im Fernsehen als extravagant, kreativ und individuell. Das mag bei den meisten für volle Taschen sorgen, für eine Verbesserung der Branche ist dies jedoch wenig hilfreich.