Warum Chalet-Dörfer so beliebt sind
Im Paznauntal sieht Tirol aus, wie die meisten es sich vorstellen: kleine Dörfer im Gebirge, im Sommer grüne Wiesen, im Winter eine idyllisch verschneite Landschaft. Typisch für die Region sind die Heustadl, aus Holzbrettern zusammengenagelte Lagerhütten. Sie stehen meist auf Hängen, die so steil sind, dass sie bis heute mit der Sense gemäht werden. Der Architekt Thomas Schönauer hat sich die Heustadl zum Vorbild genommen für sein Tourismusprojekt oberhalb des Ortes See: das „Bergwiesenglück“.
Stein, Holz und Filz sind die Materialien, aus denen das kleine Chalet-Dorf mit zwölf Häusern und einem Haupthaus samt Restaurant, Rezeption und zwei Suiten hauptsächlich gebaut ist. Die modernen Chalets fügen sich in die Landschaft ein, besser als ein Hotelklotz. Auch der Infinity-Pool stört die Harmonie nicht. Solche Chalet- oder Almdörfer – Schönauer nennt sie Stadldörfer – prägen seit einem guten Jahrzehnt vielerorts das Bild in den Alpen. Ob romantisch-kitschig oder hochmodern, ob als eigenständige Anlagen oder auf dem Areal eines etablierten Hotels.
Michael Madreiter gehört das „Puradies“ in Leogang im Salzburger Land, wo er vor mehr als zehn Jahren 13 Chalets im klassischen Stil als Ergänzung zu seinem Hotel gebaut hat. Viel Holz, viel Stein, moderne Alpenromantik. Bio-Verpflegung am Morgen, Sauna im Haus und Schwimmteich im Garten inklusive.
Frankreich als Vorreiter
In den französischen Alpen wurden bereits in den 1970er und 1980er Jahren mehrere Skiresorts im Chalet-Stil gebaut, sagt Prof. Torsten Kirstges, Experte für Tourismuswirtschaft an der Jade-Hochschule in Wilhelmshaven. Als Pionier in Österreich gilt Karl Steiner mit dem „Almdorf Seinerzeit“. Auch das „Priesteregg“ im Salzburger Land hat viele Fans.
In der Schweiz sind die Chalets ebenfalls verbreitet, denn als Chalet wird dort einfach ein Haus bezeichnet, ob zur alleinigen Nutzung oder mit mehreren Wohnungen. Chalets mit Service gibt es zum Beispiel in Verbier, Zermatt und Arosa.
Die Chalets erfreuen sich bei Feriengästen großer Beliebtheit, obwohl sie im Vergleich zu einem Hotelzimmer recht teuer sind. Warum? „Ferienhäuser bieten mehr Platz, Individualität und persönliche Freiheit als ein Hotel“, sagt Kirstges. „Man hat einen Kühlschrank, meist eine eingerichtete Küche und kann sich auch mal preiswert und nach eigenem Geschmack am Herd selbst versorgen.“
Flexible Frühstückszeiten
Das hören auch Vivian Peters und Niels Beekman in ihrem „WNDRLX“ im tiefsten Pitztal immer wieder. Unter dem etwas kryptischen Namen finden sich 13 Apartments in zwei Häusern sowie 13 Chalets in drei verschiedenen Größen. Das kleinste hat rund 100 Quadratmeter, zwei Schlafzimmer und zwei Bäder, dazu eine Küche inklusive Tisch und Eckbank sowie ein gemütliches Wohnzimmer. „Wir bringen morgens die Frühstückskiste, da muss niemand zu einer bestimmten Zeit aufstehen und frisch geduscht im Restaurant sitzen“, sagt Peters.
„WANDRLX“ steht für Wanderlust, aber auch für Wanderluxus, erklärt die Niederländerin, die zusammen mit ihrem Mann die Unterkunft und das Restaurant betreibt. Die Anlage wurde erst im Sommer 2018 eröffnet. Pool, Saunen und Fitnessraum sind auch hier vorhanden. „Luxus ist heute Zeit und Platz“, sagt Peters. Dazu gehört auch, dass sich nicht jeder Gast selbst um alles kümmern muss. „Wir kennen uns hier aus, kennen viele Wander- und Mountainbiketouren und können Tipps zum Skifahren geben“, sagt die Chefin. Sie weiß auch, wer die besten Anbieter für welche Touren sind.
Gerade für Menschen mit Anhang seien solche Chalet-Häuser ideal, sagt Kirstges. „Die herumlaufenden Kinder stören keine anderen Gäste, auch Hund oder Katze können eher mit.“ Eine Großfamilie oder eine Gruppe Freunde findet Platz, wenn die Häuser groß genug sind. „Es gibt auch immer mehr Familien, bei denen sich mehrere Generationen im Urlaub treffen“, sagt Markus Seyrling, Chef der „Löwen Chalets“ in Seefeld.
Ferienwohnung mit Hotelservice
„Chalets sind im Grunde nichts anderes als Ferienwohnungen“, sagt Kirstges, aber in einer Version 2.0. Sie heben sich ab von der Masse der oft etwas altbackenen Wohnungen, die es in fast jedem Urlaubsort in den Alpen gibt – durch Architektur, Ausstattung, Service oder die mitunter preisgekrönte Gastronomie. „Kombiniert man die Vorteile des Ferienhauses mit den Vorzügen eines Hotels, nämlich Verpflegung, Zimmerreinigung, Rezeption mit Ansprechpartner, Pool und vielleicht sogar Animation, dann kommt man zum Feriendorf.“
Auch in Sölden im Tiroler Ötztal gibt es verschiedene Chalet-Dörfer, alle mit ganz eigenem Charakter. Im „Castello Falkner“ etwa ist aus einem etwas in die Jahre gekommenen Hotel ein kleines Dörfchen mit Ferienwohnungen geworden. Hier gibt es pro Haus mehrere Wohnungen. Am Ortseingang steht das „Chalet Resort“ mit fünf Blockhäusern, die auch in den Wäldern Kanadas stehen könnten.
Chalets locken nicht nur Familien oder Cliquen, sondern als romantische Urlaubsziele auch viele Pärchen. „Es gibt genügend Paare, die sich diesen Luxus gönnen wollen“, sagt Frank Lautenschläger, Geschäftsführer des «Bergwiesenglücks“. Auch dort hat jedes Haus knapp 100 Quadratmeter, verteilt auf drei Etagen. Im Keller steht die Sauna und auf der Terrasse ein Bade-Bottich, in dem zwei Menschen Platz finden. Im Erdgeschoss befinden sich eine kleine Küche mit Weinkühlschrank, komplett eingerichtet, eine gemütliche Essecke und ein Wohnbereich. Auf Wunsch decken die Mitarbeiter am Morgen den Tisch. Wann die Gäste frühstücken, ist egal: „Unsere Frühstückskisten sammeln wir erst am frühen Nachmittag wieder ein.“ (dpa)