Dazusetzen oder platzieren lassen?

Restaurant-Etikette: „Der Kellner hat eine Schutzfunktion“

Ein kleiner Junge in Serviceuniform hält ein Tablett mit einem Kätzchen darauf
Sollte man sich als Gast im Restaurant zu fremden Leuten dazusetzen oder sich vom Kellner platzieren lassen? (Foto: Prostock-studio/fotolia)
Für neue Gäste in einem fast vollen Restaurant gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder sie setzen sich an einen Tisch zu anderen Personen dazu oder aber sie warten, bis sie vom Kellner an einen Tisch geführt werden. Was ist in Deutschland verbreiteter und vor allem erwünschter bei den Gastronomen?
Montag, 26.02.2018, 10:13 Uhr, Autor: Markus Jergler

Sie sind alleine oder zu zweit gekommen, nun sitzen sie zu sechst zusammen in der Weinstube Hottum in Mainz am Rhein. „Die Mainzer sagen: An einem runden Tisch ist immer Platz“, erklärt Rainer Richarts, einer in der bunt zusammengewürfelten Runde. Angeregt unterhalten sich die Männer und Frauen, warum Rheinhessen nicht in Hessen, sondern in Rheinland-Pfalz, aber der Rheingau nicht in Rheinland-Pfalz, sondern in Hessen liegt. Eine gemütliche und tiefgreifende Debatte – und das, obwohl die Menschen sich untereinander überhaupt nicht kennen.

So auf Tuchfühlung gehen Besucher von Restaurants und Bars nicht überall in der Republik. Sich zu Fremden gesellen: Gerade in Gourmetrestaurants ist das undenkbar. Und auch sonst nehme das Einfach-an-den-Tisch-setzen ab, sagt Linda Kaiser, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Deutschen Knigge-Gesellschaft in Essen. Und zwar, weil die Gäste immer häufiger einen Tisch im Voraus bestellten und weil sie immer häufiger von Servicepersonal an einen Tisch geleitet würden.

„Kellner hat Schutzfunktion“
Auch Rainer Wälde, Vorsitzender des Deutschen Knigge-Rats im hessischen Frielendorf, sieht einen Trend zur Tisch-Eskorte. „Das ist die amerikanische Kultur, das „please wait to be seated““, sagt er. „Bei den Häusern, welche die gehobene Kundschaft ansprechen möchten, hat es sich durchgesetzt.“ Wälde gewinnt dem Tischgeleit Positives ab. „Der Gast ist in einem fremden Terrain, er fühlt sich leicht unsicher. Der Kellner oder Restaurantleiter hat eine Schutzfunktion – durch die Eskorte gibt er dem Gast Sicherheit.“

Neue Gäste sind „Störfaktoren“
Kaiser meint, der neue Gast stelle immer einen Störfaktor dar. „Man hat vielleicht gerade eine Gabel mit Nudeln in den Mund gesteckt, und dann kommt jemand und fragt, ob er sich dazusetzen kann – das ist unangenehm.“ Wälde spricht sogar davon, dass man am Tisch in eine „intime Distanzzone“ eindringe – dorthin, wo eigentlich kein Fremder hinein sollte. „Wir akzeptieren das im Urlaub in fremden Kulturen, aber in der deutschen Kultur will jeder seinen Tisch und sein Revier haben“, meint er.

In Mainz rühmen sich die Menschen ihrer Weinstubenkultur. Sie erzählen Geschichten, wie sie auf den Holzbänken Menschen aus der ganzen Welt kennengelernt haben. „Das sind oft Gäste, die sich auf der Straße keines Blickes würdigen würden, aber wenn sie sich an einem Tisch wiederfinden, erleben sie tolle Abende“, sagt Hottum-Inhaberin Christina Röskens. Alle kämen zusammen: Studenten, Büroarbeiter, Geschäftsleute, Rentner. „Soziale Umschichtung“, nennt man das in Mainz.

Region und Konzept entscheiden
Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga meint, es sei regional sehr unterschiedlich, welche Erfahrungen Gäste beim Restaurantbesuch machten. Neben dem Ort sei auch das gastronomische Konzept wichtig. Der Sozialpsychologe Georg Halbeisen von der Universität Trier bestätigt, dass die Gäste oft gar nicht so frei in ihrer Entscheidung seien. Stelle ein Gastronom lange Tische in den Raum oder auf die Terrasse, sei das Dazusetzen einfach. Wer jedoch nur Vierertische anbiete, fördere die Interaktion kaum.

Ein besonders konsequentes Konzept verfolgt Matthias Ahlemann von der Elbtalschmiede im sächsischen Meißen. Er weist seine Gäste per Schild darauf hin, dass Tische-Teilen mit Fremden nicht erwünscht ist. Das Hotel liegt an einem Rad- und Wanderweg, hat aber gehobene Küche. „Wenn jemand gerade ein anspruchsvolles Essen für 25 Euro verspeist, dann muss ich dafür Sorge tragen, dass sich kein Radfahrer dazusetzt und seinen verschwitzten Helm auf den Tisch legt“, erklärt Ahlemann. Deswegen steht bei ihm das Schild: „Liebe Gäste, das Dazusetzen an bereits belegte Tische ist bei uns nicht möglich.“ (dpa/MJ)

Zurück zur Startseite

Weitere Themen

Die beiden Smaschburger-Varianten von Hands im Glück
Produkteinführung
Produkteinführung

Hans im Glück setzt eigene Akzente im Smashburger-Trend

Das Konzept des Smashburgers erfreut sich weltweit großer Beliebtheit. Diesem Trend schließt sich nun auch Hans im Glück an und bringt den Double Smashburger auf den Markt.
Die Internorga 2024 in Hamburg zieht viele Besucher in ihren Bann (Foto: © Karoline Giokas)
Außer-Haus-Markt
Außer-Haus-Markt

Internorga präsentiert zahlreiche Highlights für ein begeistertes Publikum

Die diesjährige Internorga hält für das Fachpublikum wieder zahlreiche Lösungen und Innovationen bereit. Die Messehallen sind gefüllt mit neuen Produkten und Ideen. Einige davon wollen wir Ihnen hier vorstellen.
Pierre Nierhaus.
Ankündigung
Ankündigung

Trend-Expedition 2023: Mit Pierre Nierhaus um die Welt

Sie wollten schon immer einmal ferne Länder bereisen, die Welt sehen und die neuesten Foodtrends ausprobieren? Dann begeben Sie sich im Herbst 2023 auf Entdeckungsreise mit Pierre Nierhaus.
Eine weibliche Bedienung steht am Küchenpass und trägt Dessert auf weißen Tellern zum Gast.
Tisch decken
Tisch decken

Das Auge isst mit: Das sind die Top 3 Geschirr-Trends 2023

Essen schmeckt um ein Vielfaches besser, wenn es schön angerichtet ist. Die Exklusivität der Speisen wird durch die Wahl des passenden Geschirrs optisch hervorgehoben. Aber welche drei Trends sind 2023 angesagt?
Die Deutschen gehen gerne zusammen Essen.
OpenTable
OpenTable

Das waren die Gastro-Trends 2022

„OpenTable“ resümiert basierend auf seinen Daten positive Trends für die Gastronomie im Jahr 2022!  Was sind die wichtigsten Entwicklungen und Erkenntnisse des vergangenen Jahres?
Die Gastro Ivent ist die Fachmesse für Gastronomen, Gemeinschaftsverpfleger und Hoteliers im Nordwesten.
Messetipp
Messetipp

Gastro Ivent 2023: Trends und Zitronenlimo

Wenn das Leben dir Zitronen gibt, mach Limonade draus! Dieses „Rezept“ beherrschen Menschen im Hotel- und Gastronomiebereich aus dem Effeff.  Auf der „Gastro Ivent“ will Projektleiterin Marta Pasierbek daher „jede Menge ideelle Zitronenlimonade“ ausschenken.
Kellner servieren einer Gruppe am Tisch
Studie
Studie

Deutschlands Gastronomie im Wandel

Die Corona-Pandemie hat nicht nur zu Einschränkungen, sondern auch zu einigen positiven Veränderungen in der Gastronomie geführt. Opentable beleuchtet einige der wichtigsten Trends und Erkenntnisse des diesjährigen Gastgewerbes.
Gastro Summits
Messen
Messen

Drei Gastro Summits stehen in den Startlöchern

Neben Essen sind Friedrichshafen und Hannover die neuen Standorte der Gastro Summits. Bei dem Messeformat stehen Fragen für Hotels, Restaurants, Cafés und Cateringbetriebe im Fokus sowie aktuelle Entwicklungen, Trends, Inspirationen und Ideen für den eigenen Gastgewerbebetrieb.
Mirko Silz, Geschäftsführer der L'Osteria
Trends 2021
Trends 2021

„Corona war in vielerlei Hinsicht ein Brandbeschleuniger“

Was bringt das Jahr 2021? Diese Frage hat sich L’Osteria-CEO Mirko Silz gestellt und seine Gastronomie-Trends 2021 formuliert.