Mit „Ghost-Kitchen“ geht die Restaurant-Kultur verloren
Während der Pandemie haben kulinarische Lieferdienste und ToGo-Angebote stark an Attraktivität gewonnen. Nun schwappt ein weiter Trend aus den USA nach Europa: Ghost- oder auch Dark-Kitchen. Es sind Restaurants ohne Gästeraum – gekocht wird in angemieteten Küchen, gegessen wird zuhause, das Essen wird gebracht oder abgeholt und köchelt unterwegs oftmals noch zu Ende. Im Interview erzählt Eva Eppard, SWR4-Radio-Köchin und Inhaberin des Restaurants Eppard in der 100 Guldenmühle Eva Eppard, was sie davon hält.
Frau Eppard, in Ihrem Restaurant wird eine „gehobene Landhausküche“ serviert. Könnten Sie die auch in einer „Geister-Küche“ zubereiten?
Nun, alles und jeder hat seine Daseinsberechtigung. Am Ende wird der Markt entscheiden, ob ein solches Konzept langfristig funktionieren kann. Ich persönlich empfinde mich aber in erster Linie als Gastgeberin, die ihre Gäste zwar mit kulinarischen Leckereien beglückt – aber auch mit einer ganzen Portion Erlebnis: Ambiente, Service, Tischnachbarn, persönlicher Kontakt und vieles mehr… Auch möchte ich, wenn der Gast einmal nicht zufrieden ist, schnell reagieren können und etwas Neues servieren.
Aber während des Lockdowns haben Sie schließlich auch einen Lieferservice angeboten?
Unser „Bringelingeling-Service“ war eine Notlösung. Der Aufwand und die Kosten dafür sind immens. In „normalen“ Zeiten ginge das daher nur mit deutlich höheren Preisen, denn wir haben eine ganze Mühle – inklusive Garten – als Gastraum, die dann als totes Kapital ungenutzt bliebe. Ist der Betrieb aber von vornherein so angelegt, kann das Konzept finanziell schon funktionieren. Meine Philosophie jedoch ist einfach eine andere. Das Ganze ist ein wenig mit Möbeln vergleichbar, die zuhause dann in Eigenregie zusammengebaut werden müssen. Oder wie der Unterschied zwischen einem Kino-Erlebnis und dem Video-Abend zuhause.
Welche logistischen Herausforderungen sind denn bei ToGo zu bewältigen?
Es fängt schon in der Küche und der Speisenauswahl an. Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass es am gelieferten Buffet keine Pommes gibt? Vieles lässt sich einfach nicht ohne Qualitätsverlust warmhalten oder aufwärmen. Und ich möchte meine Kunden nicht dazu bringen müssen, die halbe Arbeit in der eigenen Küche selbst machen zu müssen. Weiterhin muss eine spezielle Transportverpackung vorhanden sein, die entweder Einweg – also oft umweltschädlich – oder Mehrweg mit dann entsprechender Rückführung zu uns ist. Im Auto muss ein Ofen oder Hold-o-mat, für kalte Speisen ein Kühlschrank vorhanden sein. Viele Speisen sind zudem nur im Vakuum servierfähig.
Was ist nun Ihr Resümee zu den Ghost-Kitchen?
Es ist eine Frage des Geschmacks und der Ansprüche. Man kann hochwertiges Essen schließlich überhaupt nicht mit salonfähigem To-Go-Essen wie Pizza, Pasta, Salat etc. vergleichen. Um die Qualität, die die Speisen direkt nach der Zubereitung haben, auch noch eine Stunde oder später zu gewährleisten, muss ein großer Aufwand betrieben werden. Der wiederum frisst die eingesparten Kosten eines nicht vorhandenen Gastraums wieder auf. Und es ist auch eine Frage der Restaurant-Kultur: Nur „ganz gut“ zuhause essen und sattwerden oder einen Abend erleben, über den man dann sagt: „Wow – das war richtig klasse, ein rundum toller Abend, an dem einfach alles gestimmt hat!“
(Eppard in der 100 Guldenmühle/MK)