Essen aus der Tüte: Wie ehrlich gehen Restaurants mit Convenience-Food um?
Menüs aus dem Plastikbeutel, Kartoffeln aus der Tüte, Salate aus dem Eimer – eine Praxis, die vielen Köchen und Gastronomen eigentlich zuwider ist. Doch wie hält es die deutsche Gastro-Szene tatsächlich mit der Verarbeitung von frischen Produkten und Convenience-Food in der Küche? Ein Reporterteam der ZDF-Sendung „Frontal 21“ wollte dieser Frage nachgehen und recherchierte in der deutschen Gastronomie. Ihr Bericht wirft kein gutes Licht auf einige Betriebe.
Die Qualität der Speisen scheint dem hohen Kosten- und Zeitdruck immer mehr zum Opfer zu fallen. Experten schätzen, dass 80 Prozent der deutschen Profi-Küchen mindestens zu einem Convenience-Produkt greifen. Kartoffeln aus der Tüte sind der Top-Seller unter den fertig zubereiteten Lebensmitteln. Bei den Saucen ist die „Sauce Hollandaise“ ein beliebtes Convenience-Produkt.
Industrielle Sauce Hollandaise schmeckt leicht säuerlich
Der Gast bekommt davon nur selten etwas mit. Wie ehrlich gehen Gastronomen mit deklarierungspflichtigen Zusatzstoffen und den aufgewärmten Speisen in der Realität um? In Hamburg machte die Redaktion von „Frontal 21“ gemeinsam mit einem Verbraucherschützer die Probe aufs Exempel. Schon im ersten Restaurant stellt sich die Sauce Hollandaise bei der Gegenprobe im Lebensmittellabor als Industrieware heraus – der Kellner betonte zuvor, dass sie frisch zubereitet sei. Gegenprobensachverständiger Michael Benner erklärt: „Diese Sauce müsste dann eine andere Bezeichnung tragen – etwa ‚Sauce nach Art einer Hollandaise‘ oder ‚Sauce Hollandaise auf Planzenbasis‘, um die Abweichung von der traditionellen Sauce Hollandaise auf der Speisekarte ausreichend zu kennzeichnen.“
Beim zweiten Restaurant wiederholt sich der Fall. Eine als „frisch-zubereitet“-deklarierte Sauce Hollandaise stellt sich als Mogelpackung heraus. Auch hier wies die Konsistenz der Sauce keine Bläschen auf und schmeckte leicht säuerlich – typische Merkmale einer Convenience-Hollandaise, die statt mit Butter, mit Pflanzenölen verdickt wird. Für fünf Spargelstangen, ein paar Salzkartoffeln und der Industriesoße verlangte das getestete Hamburger Restaurant 19 Euro.
Erschreckend: In zehn beliebig ausgewählten Spargelrestaurants Norddeutschlands entdeckten die Tester 7-mal eine aufgewärmte Convenience-Sauce. „Nur drei Restaurants servierten echte Hollandaise“, so das ZDF. Heftige Kritik äußert die Hamburger Verbraucherzentrale: „Aus unserer Sicht ist es ein Armutszeugnis für die Gastronomie.“ Man ziehe mit dieser Masche „die Verbraucher über den Tisch“. Thomas Gierlinger, Ex-Gastronom und heute CEO bei einem der größten Schnitzelhersteller Europas, macht keinen Hehl daraus, dass bei der Zubereitung der Schnitzel die handwerkliche Qualität eines Kochs auf der Strecke bleibt: „Sie brauchen keinen Koch mehr. Ich kann einen ungelernten Mitarbeiter in einfachen Schritten das Produkt erklären. Der Gast soll denken, ‚Wow so ein tolles Schnitzel, das schaffe ich zuhause nicht, das kann nur selbst gemacht sein‘.“
Nur in der Berufsschule wird frischer Fisch verarbeitet
Wie kann man also mit Qualität werben, wenn man keine Qualität in der Küche mehr hat? Das Dilemma versinnbildlicht sich auch in der Berufsschule Rostock, wo nach Angaben des ZDF die Zahl der Koch-Azubis in den letzten Jahren um die Hälfte geschrumpft ist. Lange Arbeitszeiten und schlechte Bezahlung sorgen hier für hohe Abbrecher-Quoten. „Convenience verschärft diesen Trend“, so die Autoren des „Frontal-21-Beitrags“. Ein Koch-Azubi sagt, dass er nur in der Berufsschule die Möglichkeit habe, „mal einen frischen Fisch filetieren zu können“. In seinem Betrieb setze man aus Kosten- und Zeitgründen auf TK-Ware.
Berufsschullehrer Frank Brandes mahnt: „Wenn die Köche heutzutage nur noch da sind, um Convenience-Ware warm zu machen oder etwas aufzurühren, dann ist das kein Kochen. So geht dann natürlich die Kreativität und der Enthusiasmus für diesen Beruf ganz schnell verloren.“ Sternekoch Vincent Klink treibt die Diskussion im Interview mit „Frontal 21“ auf die Spitze: „Der Koch wird zum Industriearbeiter degradiert.“ So gehe eine ganze Kultur baden… („Frontal 21“ / FL)