Arbeitszeit

Überstunden in der deutschen Gastro

Traurige Frau in der Stadt
Überstunden in der Gastronomie sind in fast allen Betrieben Alltag. Doch zu viele Überstunden können die Gesundheit stark belasten (Foto: © kieferpix / fotolia)
Nichts Neues: Gastronomen machen Überstunden! Das tun andere Branchen auch. Aber wie schlimm ist es in der Gastronomie eigentlich inzwischen und was bedeutet das für die Arbeitnehmer?
Dienstag, 14.03.2017, 10:37 Uhr, Autor: Markus Jergler

Egal wohin man in Deutschland schaut, Gastronomen machen eigentlich überall Überstunden. Prinzipiell ist gegen eine gewisse Mehrarbeit ja auch nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil. Viele Arbeitnehmer nehmen die Möglichkeit, zusätzliche Stunden abzureißen gerne und freiwillig wahr, schließlich ist es eine gute Möglichkeit das eigene Trinkgeld aufzubessern. Allerdings sind Überstunden häufig Pflicht! Eine 14-Stunden-Schicht ist hierzulande keine Seltenheit. Selbst minderjährige Azubis klagen oft über zahlreiche Überstunden – in vielen Fällen sogar unbezahlt.

Im vergangenen Jahr gab es beispielsweise in Nordrhein-Westfalen eine erste gemeinsame Kontrollaktion von Arbeitsschutz und Zoll. Hierbei wurden insgesamt 146 Gastronomiebetriebe mit über 3.200 Beschäftigten unangemeldet überprüft. Vier von fünf Restaurants wiesen dabei Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz auf. Das häufigste Vergehen war wie erwartet eine Überschreitung der erlaubten Gesamtarbeitszeit, gefolgt von zu wenigen oder gar keinen Pausen sowie ungenügenden Ruhezeiten bis zur nächsten Schicht. Der Dehoga-Hauptgeschäftsführer des NRW-Verbandes Klaus Hübenthal protestierte damals und merkte an: „80 Prozent Verstöße – das ist kein Spiegel der Branche.“ Es sei nur dort kontrolliert worden, wo es auch Hinweise auf Verstöße gegeben hätte. Von den insgesamt 44.000 Gastronomiebetrieben in NRW arbeite der Großteil seriös. Dennoch stellte Hübenthal fest, dass das deutsche Arbeitszeitgesetz aus der Zeit gefallen sei. Zwölf Stunden Arbeitszeit müssten „auch mal“ drin sein. Landesarbeitsminister Rainer Schmeltzer (SPD) ist dagegen ganz anderer Meinung: „Flexibilität muss ihre Grenze haben – nämlich da, wo die Gesundheit der Beschäftigten gefährdet wird“, betont Schmeltzer. „Dass zu viele Arbeitsplätze in der Gastronomie unbesetzt bleiben, hat einiges mit dem Image der Branche zu tun.“

Auch im Raum Harburg haben die Beschäftigten im Gastgewerbe einen enormen Überstundenberg angehäuft. „Wer in der Küche arbeitet oder Gäste bedient, der macht häufig am laufenden Band Mehrarbeit. Aber viel zu wenige bekommen dafür auch nur einen Euro extra oder zumindest einen Zeitausgleich“, so Silke Kettner, Geschäftsführerin der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Lüneburg (NGG) gegenüber dem Hamburger Abendblatt. Mehrarbeit sei im Gastgewerbe leider eher die Regel als die Ausnahme. Eine Acht-Stunden-Schicht würde gern und schnell auf zehn oder gar 14 Stunden ausgeweitet. So seien im Jahr 2015 bei Marburger Mitarbeitern in der Gastrobranche rund 30 bis 40 Überstunden pro Monat zusammen gekommen. Mehr Geld oder Urlaub gab es jedoch in der Regel nicht. Ein derartiger Arbeitsrhythmus kann sehr schnell zu enormen gesundheitlich Problem führen.

Ganz abgesehen von gesundheitlichen Einschränkungen leidet auch das soziale und private Leben unter derartigen Arbeitsbedingungen. Die Radford University in Virginia hatte in einer Studie 449 Berufsgruppen hinsichtlich der Scheidungsrate gegenüber gestellt. Das Ergebnis: Seit den Fünfzigerjahren gehören Angestellte in der Gastronomie zu den größten Scheidungsgruppen, gemeinsam mit Krankenpflegern und anderen Berufen, die versetzt zum Lebensrhythmus anderer arbeiten. Auch Krankheitserscheinungen wie Überlastung, Burn-Out, Depressionen und andere durch Stress bedingte Gebrechen sind keine Seltenheit. (Zeit/Hamburger Abendblatt/ Süddeutsche/ MJ)

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