Hygienepranger fordert mehr Restaurant-Kontrolleure
Weinheim, kurz vor Mittag: Stefan Fitzer steht vor einem italienischen Restaurant, mitten auf dem Marktplatz der nordbadischen Stadt. Er wirft sich seinen weißen Kittel über und zieht sein Klemmbrett aus der Tasche. Dann ist er bereit: „Guten Morgen, Lebensmittelüberwachung. Ich bin zur Kontrolle hier“, begrüßt der 33-Jährige den Restaurantleiter.
Handy-Untersuchungen an der Bierzapfanlage
Eine steile Treppe führt Fitzer zunächst in den Gewölbekeller des Fachwerkhauses. In mehreren Kühlhäusern lagern dort frischer Salat, Gemüse, gefrorener Lachs oder vorbereitete Desserts. Der gelernte Konditormeister überprüft, ob die Waren richtig gelagert werden und ob etwas verdorben ist. Mit der Lampe seines Handys leuchtet er in die Ecken der Kühlhäuser, auch die Schläuche der Bierzapfanlage nimmt er genau unter die Lupe. „Die Hälfte der Mängel erkennt man bereits auf den ersten Blick“, erklärt Fitzer. Er ist seit sechs Jahren Lebensmittelkontrolleur im Rhein-Neckar-Kreis. Jedes Jahr inspiziert er bis zu 450 Betriebe. Unangekündigt. Darunter Imbisse, Bäckereien oder Hersteller von Dönerspießen.
Anzeige bei der Staatsanwaltschaft möglich
Bei kleineren Verstößen können Fitzer und seine 14 Kollegen eine mündliche Verwarnung oder eine Bußgeld aussprechen. Immer wieder stoßen die Kontrolleure aber auch auf Mäusekot in der Backstube, Ungeziefer im Fleischwolf, verdorbene Muscheln oder Wandfarbe auf dem Sushi. Dann droht die Schließung – inklusive Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. In der Regel werden die Betriebe im Rhein-Neckar-Kreis einmal im Jahr kontrolliert. Dabei führt ein höheres Risiko auch zu mehr Kontrollen.
Foodwatch fordert Einrichtung einer Landesanstalt für Kontrollen
Nach Ansicht des Verbraucherschutzministeriums würden die mehr als 350 Kontrolleure im Land „hervorragende Arbeit“ leisten. 2018 gab es im Südwesten 121 346 Kontrollbesuche in mehr als 80 000 Betrieben. In rund 13 500 Fällen wurden Verstöße festgestellt. Verbraucherschutzminister Peter Hauk (CDU) stellte am Montag die Zahlen für das Jahr 2019 vor. Die Verbraucherorganisation Foodwatch stellt den Aufsichtsbehörden hingegen ein schlechtes Zeugnis aus. Bei einem Test der Kontrollen im vergangenen Herbst wären fast alle 44 Ämter durchgefallen. Im Jahr 2018 erfüllten demnach lediglich die Stadt Ulm und der Kreis Heidenheim ihr Soll bei den vorgegebenen Betriebskontrollen. „Die Lebensmittelüberwachung in Baden-Württemberg ist gravierend unterbesetzt, intransparent und ineffektiv“, sagt der Sprecher von Foodwatch, Dario Sarmadi. Die Organisation fordert statt der kommunalen Ämter eine personell ausreichend ausgestattete, politisch unabhängige Landesanstalt, die auch alle Kontrollergebnisse öffentlich macht. (lsw/TH)