Rekrutierungswege ausweiten, Mitarbeiter einbinden, Gesundheit fördern
Die Forscherinnen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) haben für ihre Untersuchung über Berufswechsel in der Corona-Pandemie tausende Daten bis ins Jahr 2010 hinein gesammelt und ausgewertet. Dabei zeigte sich schnell: Die Jahre 2020 und 2021 markierten einen klaren Einschnitt insbesondere für die von temporären Schließungen und bundesweit uneinheitlichen, sich stets verändernden Regeln betroffene Gastronomie.
„Von insgesamt 788.604 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Jahresdurchschnitt 2020 entschieden sich 215.889 Personen, die vorher in einem Tourismus-, Hotel- oder Gaststättenberuf gearbeitet hatten – freiwillig oder nicht – für einen neuen Beruf. Andersherum wurden lediglich 116.770 Wechsel von außerhalb dieser Berufe hinein verzeichnet. Dadurch ergibt sich ein sogenannter Saldo von fast 100.000 Beschäftigten zwischen denen, die den Beruf verlassen und denen, die diesen neu aufgenommen haben. Dieser Saldo in den Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufen ist im Vergleich der insgesamt 37 Berufsbereiche mit Abstand am höchsten“, lautet ein Ergebnis des IW-Kurzberichts.
Lücke von 7.600 unbesetzten Stellen
Ein Grund, so berichten Paula Risius, Researcher für Fachkräftesicherung und digitale Bildung beim IW Köln, und Anika Jansen, Economist für Fachkräftesicherung beim IW Köln, im branchenspezifischen Update von ETL Aadhoga, sei im geringeren Bedarf der Branche während der unsicheren Hochzeiten der Pandemie zu suchen. Mittlerweile aber ist der Bedarf nach helfenden Händen längst wieder riesengroß – was die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage nur noch deutlicher zum Vorschein bringt.
„Selbst wenn man alle dem Arbeitsmarkt theoretisch zur Verfügung stehenden Kräfte im Berufsfeld einsetzen würde, bliebe eine Lücke von 7.600 unbesetzten Stellen“, sagen die IW-Forscherinnen. Dies zeige, dass es auch politische Lösungen benötige, die durch den demografischen Wandel zusätzlich verschärfte Fehlentwicklung zu bekämpfen. So bräuchte es eine jährliche Netto-Zuwanderung von 400.000 Menschen nach Deutschland.
Möglichkeiten von Gastronomen
Im Gespräch mit Erich Nagl diskutierten Paula Risius und Anika Jansen vor allem über Möglichkeiten von Gastronomen, die eigene Rekrutierungsstrategie zu optimieren, Mitarbeiter zu gewinnen und langfristig zu binden. Das A und O sei laut der Gäste beim ETL Adhoga Gastrobriefing #76 die Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit.
Denkbar seien flexible Arbeitszeitmodelle, die Förderung von Gesundheit und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie die aktive Einbindung der Beschäftigten in Entscheidungsprozesse. Gleichzeitig empfahl Paula Risius, überall wo es geht auf die Stellensuche aufmerksam zu machen und die Rekrutierungswege auszuweiten, wobei Anika Jansen die Möglichkeiten von Social Media hervorhob.
Angesichts der im Branchenupdate von ETL Adhoga angesprochenen Möglichkeiten zur Mitarbeitergewinnung sei festzuhalten, dass die Lage keineswegs hoffnungslos sei, zeigte sich Erich Nagl optimistisch. „Wirksame Instrumente sind da. Sie liegen im eigenen Team und den internen Strukturen und Prozessen im Betrieb. Es gilt, diese Instrumente strategisch einzusetzen.“
Die Folge des ETL Adhoga Gastrobriefings #76 wurde in voller Länge aufgezeichnet und ist online abrufbar.
(ots/ETL Adhoga/SAKL)