Personalprobleme

Verband der Köche schlägt Alarm: Tausende Koch-Azubis brechen die Lehre ab

Chef erklärt Azubi, wie man eine Tomate schneidet
©fotolia/auremar
Auf nahezu allen Kanälen wird geschnippelt und gekocht: Kochshows im Fernsehen, aber auch Kochblogs im Internet haben Konjunktur. Der Arbeitsmarkt profitiert von diesem Hype um den Herd leider überhaupt nicht: In den Küchen von Hotels und Restaurants gibt es immer weniger Köche.
Montag, 07.11.2016, 15:23 Uhr, Autor: Daniela Müller

Andreas Becker warnt: In so manchem Gasthof oder Restaurant könnte in den nächsten Jahren die Küche kalt bleiben oder die Zahl der Ruhetage steigen. Der Grund: Es gibt im deutschen Gastgewerbe immer weniger Kochprofis am Herd. „Wir haben ein riesiges Nachwuchsproblem. Überall fehlen Köche“, sagt der Präsident des Verbands der Köche Deutschlands.

Mehr als 2.200 Koch-Lehrstellen frei
Becker, selbst Küchenchef in Trier, verweist auf seit Jahren sinkende Ausbildungszahlen. „Und die Abbrecherquote ist sehr hoch.“ Nach Zahlen des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) waren 2006 noch fast 43.000 junge Leute in der dreijährigen Koch-Ausbildung. Inzwischen sind es nur noch knapp halb so viele. Obwohl das Ausbildungsjahr längst begonnen hat, sind laut Bundesarbeitsagentur für Arbeit noch mehr als 2.200 Lehrstellen für Köche unbesetzt!

Manchmal führt Personalmangel zu drastischen Entscheidungen: In Weimar schloss Spitzenkoch Claus Alboth in diesem Jahr sein Gourmetrestaurant. „Es geht nicht mehr. Den Aufwand, den wir für ein Gourmetrestaurant betreiben müssen, können wir nicht auf noch weniger Schultern verteilen“, begründete er den Schritt. Er betreibt nun nur noch ein Hotelrestaurant.

Nicht jeder ist dem Job gewachsen
Matthias Jackait, er gehört als Youngster zur deutschen Koch-Nationalmannschaft, kennt Ursachen für das Personalproblem aus eigener Erfahrung. „Von 32 Köchen in meiner Berufsschulklasse haben 23 die Lehre abgeschlossen. Davon kochen weniger als zehn heute noch“, erzählt der 24-Jährige, für den Koch der Traumjob ist. „Da gehört mehr dazu als etwas auf die Speisekarte zu schreiben.“

Ein Schülerpraktikum hat bei dem gebürtigen Franken die Kochlust geweckt. Nun sorgt er in einem Gourmetrestaurant im bayerischen Johannesberg für exquisite Menüs und hat sich in der Küchenhierarchie bereits hochgearbeitet. Der Koch-Beruf erfordere Leidenschaft und Fleiß. „Körperlich anstrengend ist es auch. Und ein Koch arbeitet, wenn seine Freunde frei haben.“

Kochshows werden kritisch betrachtet
Skeptisch sehen viele Kochprofis die allgegenwärtigen TV-Kochshows, bei denen in lockerer Runde und kurzer Zeit etwas Leckeres gebrutzelt und gekocht wird. „Junge Leute sagen, ja, geil, das will ich auch“, erzählt Roland Kestel, Berufsschullehrer für Köche in Nürnberg und Mitglied im Verbandsvorstand. „Die Realität ist aber keine Kochshow.“ Einkauf, Kalkulation, Vorbereitung, Gemüseschnippeln, Küchenhygiene – das werde im Fernsehen seltener gezeigt. Auch Jackait findet, „die TV-Köche vermitteln ein falsches Bild“.

Es ist für Betriebe aber schwerer geworden, motivierte junge Menschen zu finden. Und auch wer einen Azubi gefunden hat, darf sich nie zu früh freuen, denn viele Nachwuchsköche geben schon nach kurzer Zeit entnervt auf. Berufsausbilder Kestel spricht von bis zur Hälfte der Azubis in manchen Jahrgängen, die drei Monate nach Ausbildungsbeginn das Interesse an Topf und Pfanne verlieren. Nach Angaben von Industrie- und Handelskammern brechen im Schnitt bis zu einem Drittel der Kochlehrlinge die Ausbildung ab.

Betriebe schaffen Anreize
Viele Betriebe reagierten auf den Nachwuchsmangel mit neuen Arbeitszeitmodellen und besseren Anreizen für die anspruchsvolle Arbeit, sagt Köche-Verbandspräsident Becker. „Dazu gehört auch eine vernünftige Bezahlung“. Thüringen macht aus der Not eine Tugend: „60 Prozent der Azubis an der Dehoga-Berufsschule stammen aus zwölf Ländern, darunter allein 100 Vietnamesen“, berichtet Geschäftsführer Dirk Ellinger.

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