Wenn 13 Auszubildende ein Hotel führen
5.30 Uhr Dienstbeginn für Sophie Cyriax, Chefin der Frühstücksabteilung und ihr Team: Buffet anrichten, Kaffeemaschine anwerfen, Tische eindecken, so dass alles auf den Punkt fertig ist, wenn die Morgengäste kommen. Ab 6.30 Uhr koordiniert Alexander Tsankow das Reinigungsteam, prüft mit Adleraugen jedes Zimmer und legt auch schon mal selbst Hand an, dass ja alles sitzt und passt. Und für Nisan Polat, die Empfangsleitung, ist ab 7.00 Uhr Stoßzeit an der Rezeption.
Willkommen im Azubi-Hotel
Normaler Hotelalltag? Von außen betrachtet schon, von innen nicht, denn die drei
Hotelchefs sind 19, 26 und 23 Jahre jung. Das Durchschnittsalter des Hotel-Teams liegt bei 21 Jahren.
Im ersten Azubi-Hotel der Living Hotels hierzulande, in dem seit Ende Oktober 13 Auszubildende eigenverantwortlich das Sagen haben und für den Arbeitsmarkt als Fachkräfte fit gemacht werden, weil sie hier Praxiswissen lernen und Erfahrungen sammeln, die so in keinem Lernplan stehen.
Neue Ideen werden gebraucht
Vor Fachkräftemangel in Deutschland warnte das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln bereits 2009. Wirtschaftsminister Robert Habeck sprach diesen Oktober von 700.000 offenen, gemeldeten Stellen. Immer weniger Auszubildende in Sicht. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer meldete mehr als 30.000 unbesetzte Stellen, dies entspricht 38% der Ausbildungsplätze in Hotel- und Gaststättenberufen.
Keine schönen Zukunftsaussichten: Stellen Sie sich vor, Sie haben Urlaub, aber es ist keiner mehr da, der im Hotel die Tür aufmacht und im Restaurant bedient. Die Problemlösungen? Die bewegen sich bislang eher auf Symptom-Ebene. Frische, neue Ansätze von Unternehmen selbst sind gefragt.
Ideen, die dafür stehen, dass gerade Ausbildung null out, sondern maximal in und zukunftsfähig ist. Initiativen, die in die Zeit passen, die motivieren und die nicht auf dem Reißbrett, sondern für die Mitarbeiter gedacht und gemacht sind.
Genau dieser Gedanke steht hinter dem Leuchtturmprojekt „Das Azubi-Hotel“ der Living Hotels.
Die 82 Ausbildungsplätze der Münchner Hotelgruppe mit 18 Häusern in neun Städten in Deutschland, Österreich und Südafrika sind voll besetzt, weil sie Ausbildung in einer Mischung aus hoher Expertise und persönlichem Engagement derart gestaltet, dass sie mit einem klaren Mehrwert für den Nachwuchs und deren Lebensweg verbunden ist – und ihren Weg auch im Anschluss nur zu gerne weiter im Unternehmen gehen.
Fehler machen ist erlaubt
Mit dem ersten Azubi-Hotel der Living Hotels in Deutschland und dass man hier den Auszubildenden bewusst Verantwortung an die Hand gibt und auch zutraut, will die Hotelgruppe der nächsten Generation die Chance geben, sich auszuprobieren, viel zu lernen und darüber hinaus auch für die eigene Branche eintreten und dabei neue Maßstäbe in der Ausbildung setzen.
„Das echte Lernen geschieht nur dann, wenn etwas schief geht.“ Dass dabei Fehler passieren, das ist für alle fest einkalkuliert, auch für Max Schlereth. „Am besten lernt man, wenn man etwas falsch macht. Wir wollen unseren Azubis hier die Chance geben, Fehler zu machen. Etwas beigebracht zu bekommen und das einzuüben, das ist natürlich auch eine Form des Lernens", so Schlereth.
"Aber echtes Lernen passiert, wenn etwas daneben geht, weil man dann reagieren muss und schnell merkt, was funktioniert und was nicht. Lernen ist scheitern und in dem Fall ist scheitern etwas ausnahmslos Positives. Dafür haben wir mit dem Azubi-Hotel einen Rahmen geschaffen. Fehler müssen sogar sein, wie sonst soll in unserer Branche die Idee von Mensch zu Mensch funktionieren, wenn nichts Menschliches passieren darf.“
Vorbereitung auf richtige Leben
Bevor es aber um „Leib und Leben“ geht, steht auf der anderen Straßenseite im Living Hotel Großer Kurfürst Klaus Pfeiffer, einer der erfahrensten Direktoren mit über 30 Jahren Ausbildungsexpertise und sein Team als Schutzsiegel und unsichtbar-dauerpräsentes Back-up bereit.
„Der Schutz der Auszubildenden steht für uns natürlich an oberster Stelle“, so Klaus Pfeiffer. Vor diesem Hintergrund wohnen auch alle 13 unter einem Dach in eigenen Apartments im Großen Kurfürst und die Bereiche Nachtschicht wie Reinigung bleiben outgesourced. „Aber wir wollen auf alle Fälle, dass unsere Azubis aus den sechs Wochen das Maximum an Wissen, Erfahrung und den bestmöglichen Erinnerungen mitnehmen. Dazu gehört die ganze Klaviatur der Praxis", erklärt Pfeiffer die Strategie.
"Auszubildende haben ja häufig Welpenschutz und stehen dann nach dem Ende der Ausbildung plötzlich mit der Verantwortung als Fachkraft da. Darum
ist es wichtig, sie frühzeitig darauf vorzubereiten, dass sie auf dem Markt bestehen und dass sie sich auf ihrem späteren Lebensweg auch eigene Wünsche erfüllen können, weil sie während ihrer Ausbildung das bestmögliche Rüstzeug mit auf den Weg bekommen. Und genau das tun wir hier.“
Erstes Fazit des Projektes
Die 13 Nachwuchshoteliers, die für die Zeit im Azubi-Hotel von ihren regionalen Berufsschulen freigestellt sind, haben auch vor Ort im Dienstplan einen Berufsschultag pro Woche im Selbststudium. Ferner erhalten sie tägliche Workshops, Trainings on the Jobs und Schulungen von Ausbildern, die dazu im wöchentlichen Turnus extra aus anderen Häusern anreisen.
Ebenfalls auf dem Berlinplan: Freizeit und Team Building-Aktionen nach Dienstschluss, um den jungen Hotelchefs auf Zeit die Wochen in der neuen Stadt so einprägsam und unvergesslich wie möglich zu gestalten.
Und wie kommt das Azubi-Hotel und das Pilotprojekt, das übrigens kein Einzelfall bleiben soll, nach den ersten Wochen bei allen an? „Es läuft richtig gut. Es gab in drei Wochen nicht eine Gästeservice-Beschwerde", dazu Ausbildungsleitung Sophia Pfundstein, die das Projekt federführend umsetzt. "Für die meisten Auszubildenden ist es ja das erste Mal, dass sie so lange von zuhause weg sind, aber alle sind fröhlich und enorm motiviert. Unsere erste Azubi-Hotel-Generation hat ein hohes Verantwortungsbewusstsein, alle wollen ihre Sache gut machen und sind mit Eifer bei der Arbeit.“
„Es macht richtig Spaß“
Das sieht man nicht zuletzt daran, dass sie aktiv auch eigene Vorschläge einbringen: beispielsweise die eingeführten Feedback-Meetings, um Abläufe zu optimieren und die Kommunikation für alle transparent zu halten. Oder auch die vielen Content- und Story-Ideen für die unternehmenseigenen Social Media-Accounts, die die 13 für die Zeit des Azubi-Hotels komplett übernommen haben und selbst produzieren.
Und Frühstückschefin Sophie Cyriax ergänzt: „Am Anfang war es schon echt stressig, vor allem, weil alles neu und frisch war und ich diese ganzen Bestellungen, wann was kommt bzw. geordert werden muss im Kopf haben musste. So wie ich, hat jeder von uns an seiner eigenen Front zu tun gehabt, aber wir waren auch überzeugt, dass wir das hinkriegen. Und jetzt fühlt es sich schon ganz selbstverständlich an und macht Spaß. Auf alle Fälle viel mehr Spaß, als es sich nach Arbeit anfühlt.“
(Derag Living Hotels/KAGI)