Warum ist die Schweiz für Arbeitnehmer so attraktiv?
Das Arbeiten in der Schweiz ist aus wirtschaftlicher Sicht für viele Menschen interessant. Die stabile Wirtschaft, der gute Arbeitsmarkt und die hohen Gehälter schaffen einen großen Anreiz, einen Job in der Schweiz aufzunehmen. Hierbei gibt es dennoch einige Dinge zu beachten. Frank Kemmerzehl, Human Resources Manager des Lenkerhof Gourmet Spa Resort, gibt einen Einblick.
Herr Kemmerzehl, was muss man beachten, wenn man als Deutsche/r in der Schweiz arbeiten will?
Grundsätzlich gilt es zu beachten, dass auch die Schweiz Ausland ist. Dies wird gerne vergessen und sollte nicht unterschätzt werden. Auch wenn in großen Teilen der Schweiz Deutsch gesprochen wird, gibt es in einigen Bereichen größere Unterschiede – da kann es schon mal sein, dass man als Deutscher aneckt, wenn man sich dessen nicht bewusst ist. Was mentalitätsbedingt in Deutschland normal ist, kann in der Schweiz schon einmal negativ aufgefasst werden.
Haben Sie hierzu ein Beispiel?
Es wird nicht so offen und direkt kritisiert wie in Deutschland und der Umgangston ist im allgemeinen deutlich höflicher und respektvoller im täglichen Miteinander. Bei der Aufgabe einer Bestellung zum Beispiel – egal ob Bäcker oder Restaurant – heißt es hier nicht „ich bekomme“ sondern „ich hätte gerne“. Das „ich bekomme“ wird hier eher als „Kommandoton“ wahrgenommen und kommt gar nicht gut an.
Was braucht man, um in der Schweiz arbeiten zu dürfen?
Es gibt verschiedene Arten von Bewilligungen, je nach Konstellationen, wie z. B. der Länge des Arbeitsvertrages. Wichtig ist: solange man einen Pass eines EU-/EFTA-Staates hat, braucht es nichts weiter als einen gültigen, unterschriebenen Arbeitsvertrag. Viele Arbeitgeber in der Schweiz sind aber mit dem Thema bestens vertraut und die Abwicklung erfolgt in der Regel sehr unkompliziert.
Auf welche Sprachen wird Wert gelegt?
Das Land ist viersprachig. Je nachdem in welchem Kanton man sich bewirbt, kann der Schwerpunkt hier ein anderer sein. Im Kanton Tessin ist beispielsweise italienisch unverzichtbar. Von den 26 Schweizer Kantonen sind vier offiziell mehrsprachig: In den Kantonen Bern, Freiburg und Wallis wird Französisch und Deutsch gesprochen. Aber auch in den Städten Biel und Freiburg. Im Kanton Graubünden werden drei Sprachen gesprochen: Deutsch, Rätoromanisch und Italienisch. Gerade von Mitarbeitern mit Gäste-/Kundenkontakt werden oftmals zumindest Grundkenntnisse in Französisch, bzw. Italienisch erwartet, wenn sie in einem der genannten Kantone arbeiten möchten.
Wie sind die Arbeitsbedingungen im Gastgewerbe? Welche Unterschiede gibt es?
Der wohl gravierendste Unterschied ist, dass es für fast alle Gastronomiebetriebe in der Schweiz einen sogenannten „allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsvertrag“ (vergleichbar mit einem Tarifvertrag in Deutschland) gibt, an den sich alle Arbeitsgeber zu halten haben und der auch fast alle Mitarbeiter betrifft. Hierzu finden auch regelmäßig Kontrollen in den Unternehmen statt, die die Einhaltung des Gesamtarbeitsvertrages überprüfen.
Was beinhaltet dieser?
Hier gibt es klare und verbindliche Vorgaben in Bezug auf die Arbeitszeiten, Mindestlöhne, Urlaubsanspruch, Überstunden, etc. Die Erfassung der Arbeitszeit erfolgt in der Regel elektronisch. Somit werden Überstunden und Guthaben aus nicht bezogenen Freitagen, Urlaubstagen, etc. erfasst und monatlich in Form einer Auswertung an die Mitarbeitenden ausgehändigt. Nur in Ausnahmefällen sind die Überstunden mit dem Lohn abgegolten – dies betrifft die meisten Mitarbeiter in dieser Branche aber nicht. Transparent und fair, wie ich finde. Als gelernter Koch, der selber über zehn Jahre in diesem Beruf gearbeitet hat, weiß ich, dass dies nicht immer selbstverständlich war und leider immer noch nicht ist.
Wo können sich Interessierte am besten informieren?
Plant man länger zu bleiben oder sogar seinen Lebensmittelpunkt in die Schweiz zu verlegen, gibt es ausreichend Lektüre, die einem gute Einblicke und Hilfestellung in den kulturellen und alltäglichen Besonderheiten bieten. In den Grenzregionen gibt es zudem ausreichend Anbieter, die Arbeitnehmer – z. B. auch in steuerrechtlichen Dingen – beraten, welche täglich wieder nach Deutschland zu ihrem Wohnsitz zurückkehren – die sogenannten Grenzgänger. Abraten würde ich von offenen Foren, in denen u. a. unrealistische Lohnsummen und sonstige mitunter falsche Informationen geteilt werden.
Hand aufs Herz: Lohnt sich das Arbeiten in der Schweiz?
Ich persönlich habe den Schritt nicht bereut. Beispielsweise sind die Löhne, die Kaufkraft und der Lebensstandard höher – dies kommt wohl den meisten sofort in den Sinn, wenn es um das Thema Arbeit in der Schweiz geht. Der öffentliche Nahverkehr ist hervorragend ausgebaut, sauber und pünktlich. Mehrwert- und Einkommenssteuer sind niedrig. Aufgrund der zentralen Lage und überschaubaren Größe der Schweiz sind die Nachbarländer alle in wenigen Stunden erreichbar.
…aber?
Auf der anderen Seite wird einem nichts geschenkt und der hohe Lebensstandard wird hart erarbeitet. Die Wochenarbeitszeit ist höher als in Deutschland (zw. 42 – 45h/Woche) – es wird in der Regel mehr gearbeitet, man hat weniger Urlaub (20 – 25 Tage/Jahr) und zusätzlich weniger Feiertage. Der Kündigungsschutz für den Arbeitnehmer ist deutlich weniger stark ausgeprägt wie in Deutschland. Nebenberufliches, lebenslanges Lernen und Weiterbilden hat einen hohen Stellenwert, was einem zusätzlich viel Disziplin abverlangt, sich aber auch schlussendlich bezahlt macht.
Welche Benefits bieten Sie Ihren Mitarbeitern an?
Lenkerhof Mitarbeitende erhalten unter anderem im Sommer kostenfreie und im Winter ermäßigte Tickets für die Bergbahnen der Region Lenk-Adelboden. Außerdem profitieren nicht nur Mitarbeitende, sondern auch deren Freunde und Familie von Vergünstigungen auf die hoteleigenen Angebote. Zudem haben wir 2016 ein Mitarbeiterhaus eröffnet, das nur zehn Fußminuten vom Hotel entfernt liegt. Alle Benefits finden Sie auf unserer Website.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
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