Hinter den Kulissen

Azubi-Hotel: So gelingt die Umsetzung

Portrait Sophia Pfundstein und Tim Düysen
Sophia Pfundstein und Tim Düysen plaudern aus dem Nähkästchen. (Foto: © Derag Living Hotels)
Lernen, selbstständig sein, Verantwortung übernehmen und Fehler machen dürfen – im ersten Azubi-Hotel Deutschlands durften sich 13 Auszubildende der Living Hotels sechs Wochen lang ausprobieren. HOGAPAGE sprach mit den Projektverantwortlichen über die Beweggründe, Herausforderungen und Erfahrungen.  
Donnerstag, 07.12.2023, 11:31 Uhr, Autor: Karoline Giokas

Am 23. Oktober ging es los, die Living Hotels starteten eine ihrer bisher ungewöhnlichsten Ausbildungsoffensiven: In dem Azubi-Hotel, dem Living Hotel Berlin-Mitte, übernahmen 13 ausgewählte Auszubildende der Münchner Hotelgruppe als Gastgeber das Ruder (HOGAPAGE berichtete).

Bereits seit vielen Jahren steht das Thema der Nachwuchsförderung ganz oben auf der Agenda der Marke. Eigens hierfür wurde im Spätsommer 2022 daher die neue Position der Ausbildungsleitung am Headquarter in der bayerischen Hauptstadt geschaffen und mit Sophia Pfundstein besetzt. Gemeinsam mit Tim Düysen, CMO Living Hotels und Mitglied des Gründungsidee-Teams hat sie seither das außergewöhnliche Azubi-Projekt vorangetrieben.

Herr Düysen, die Idee zum Azubi-Hotel existierte ja bereits einige Jahre – warum wurde es erst jetzt umgesetzt?

Unsere bisherigen Mitarbeiter-und Ausbildungs-Initiativen noch breiter zu fächern und um ein echtes Praxis-Projekt zu erweitern, kam das erste Mal um 2017/2018 auf. Gerade das Azubi-Hotel ist koordinationstechnisch aber ein immens hoher Aufwand mit unzähligen, immer kleinteiliger werdenden Schritten und Abspracheprozessen – sowohl nach innen ins Unternehmen wie auch nach außen (Thema Berufsschulen), so dass in den ersten Jahren schlicht nicht die notwendige Infrastruktur bei uns im Unternehmen gegeben war. 

Dann kam Corona, aber schon gegen Ende der Pandemie war für uns klar, dass wir das Azubi-Hotel-Projekt in Angriff nehmen werden. Neben der hausinternen Neuschaffung der Ausbildungsleitungsposition haben wir auch unsere Azubiplätze aufgestockt und nach über einem Jahr Vorbereitung war es dann jetzt soweit.

Frau Pfundstein, wie geht man ein solches Projekt an und was waren die größten Herausforderungen hierbei?

Zunächst habe ich mich mit der IHK sowie den Berufsschulen ausgetauscht, denn ohne deren Unterstützung hätten wir das Projekt in dieser Form nicht durchführen können. Wir haben ja einen Ausbildungsauftrag und dem müssen und wollen wir natürlich im Rahmen des Projektes auch vollumfänglich gerecht werden. Außerdem wollten wir nicht riskieren, dass für unsere Auszubildenden etwaige Lücken in der Berufsschule entstehen, wenn sie dort für sechs Wochen fehlen. Nach Absprache haben die Lehrer die entsprechenden Unterrichtsmaterialien an die Azubis geschickt, um sie im Selbststudium zu bearbeiten Bei Fragen oder Unsicherheiten, standen wir unserem Nachwuchs natürlich jederzeit zur Seite.

Unternehmensintern haben wir ein Azubi-Hotel-Gremium gebildet, uns von Beginn an sehr intensiv über die Basics des Projektes ausgetauscht und auch Fragen geklärt, wie z.B. was wollen wir im Azubi-Hotel vermitteln, welche Back up-Personen benötigen wir hierfür, welche Abteilungen wird es geben aber auch, welche Aktivitäten drumherum wollen wir den jungen Leuten anbieten, damit sie eine gute Zeit haben, neue Dinge sehen, jedoch nicht überfrachtet werden.

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Was waren Ihre „schlimmsten Befürchtungen“ zum Projekt-Start?

Wir haben nichts dem Zufall überlassen und eine detaillierte Vorbereitungsphase unternommen, wohl wissend, dass wir natürlich nicht alles kontrollieren können. Am wichtigsten für uns war, dass sich alle Auszubildenden in Berlin wohl und sicher fühlen, aber auch Spaß und eine richtig gute Zeit haben, an die sie immer gerne zurückdenken.

Heimweh, schlechte Stimmung oder gar Abbrüchen des Projekts wollten unbedingt vermeiden. Viel, intensiv und vor allem offen miteinander zu sprechen ist hierfür einer der Schlüssel. Und das scheint sich auszuzahlen, denn keine unserer „Was könnte sein“-Überlegungen ist eingetroffen, ganz im Gegenteil: unsere Auszubildenden fühlen sich rundum wohl und machen einen super Job.

Und, wie haben Sie die sechs Wochen dann erlebt?

Die ersten Wochen waren für alle wirklich aufregend. Neue Stadt, neues Team, neue Aufgabe, quasi über Nacht für ein ganzes Haus eigenständig verantwortlich zu sein. Da muss man sich, neben der inhaltlichen, gerade auch auf der emotionalen Ebene erst einmal einfinden und mit seiner Abteilung und dem gesamten Azubi-Team vertraut machen. 

Das war nicht ganz Ohne, vor allem für die drei Abteilungsleiter, da sie doch nochmal mehr Verantwortung haben und dafür sorgen müssen, dass es in der Abteilung läuft und der Betrieb ganz nochmal für die Gäste weiter geht. ABER wir hatten vom ersten Tag an einen spürbar guten Spirit, ein richtig gutes Miteinander und so viel Wachsamkeit und Verantwortungsgefühl bei allen 13 Mitwirkenden, dass – bei aller anfänglichen Grundnervosität und Aufgabenfülle – wir hochzufrieden über die Performance unserer glorreichen 13 sind. Wir haben nicht eine Gästeservicebeschwerde erhalten.

Im Umkehrschluss zeigt uns das auch, dass wir per se mit der Art unserer Ausbildung, die in allen Häusern eine Symbiose aus fachlich hoher Expertise und Qualität sowie viel menschlichem Engagement für den Nachwuchs ist, auf dem richtigen Weg sind, weil die jungen Leute soviel gutes Rüstzeug auf ihrem Weg von uns mitbekommen, dass sie ein solches Projekt wie das Azubi-Hotel nicht nur irgendwie stemmen, sondern richtig gut meistern und überzeugend performen.“

Das Projekt ist gerade abgeschlossen, was kommt nun?

Aus unserem Pilotprojekt nehmen wir jede Menge Learnings und Erfahrungen mit und sich auch jetzt schon im Austausch mit der ersten Generation „Azubi-Hotel“-Azubis, um evtl. Anpassungen für das nächste Mal besser greifen zu können. 2024 wollen wir in die nächste Runde gehen. Mit unserem Azubi-Hotel möchten wir sowohl unseren eigenen Azubis verdeutlichen, wie besonders, abwechslungsreich, vielschichtig und einfach schön dieser Beruf ist, wie viele Möglichkeiten, Potenzial und auch Karriereaussichten sie mit einer Hotelausbildung für sich selbst schaffen.

Darüber hinaus machen wir sie hier für den künftigen Arbeitsmarkt als Fachkraft fit und zeigen auch innerhalb der Branche, was alles mit dieser Ausbildung möglich ist. Mit solch „außergewöhnlichen“ Projekten bieten wir als Unternehmen viel mehr als die Standard-Ausbildung, weil wir früh damit beginnen, die jungen Menschen auf ihr späteres Berufsleben als selbständige, wertvolle Fachkraft vorzubereiten.

Wer kann sich für das Azubi-Hotel bewerben?  

Bewerben konnten sich alle Hotelfachazubis ab dem 1. Lehrjahr (mit Start Februar 2023) aus allen Living Hotels-Häusern. In einem Bewerbungsformular sollten die Azubis angeben, für welche Position sie sich bewerben möchten – inklusive einer Alternativposition. Zudem galt es, ein kurzes Motivationsschreiben, warum man gerne an diesem Projekt teilnehmen möchte, einzureichen.

„Da Zuverlässigkeit, eigenständiges Arbeiten und Motivation natürlich bei so einem Projekt besonders wichtig sind, mussten auch der entsprechende Hoteldirektor und Ausbilder ihre Zustimmung/Empfehlung geben, da die beiden ihre Azubis natürlich besser kennen und einschätzen können als wir“, so Sophia Pfundstein. Das Projekt soll als Chance und „Belohnung“ oder Motivation für ambitionierte Azubis sein, die sich dadurch persönlich ein Stück weiterentwickeln können. Der Anklang war hoch: "Beworben haben sich von in Frage kommenden gut 60 Azubis bei unserem Pilotprojekt 29“, so Pfundstein.

(Living Hotels/KAGI)

 

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