Überschäumender Genuss
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Überschäumender Genuss

von Clemens Kriegelstein
Donnerstag, 02.11.2017
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Ob Champagner oder Crémant (französischer Schaumwein, der nicht aus der Champagne kommt), Sekt, Spumante oder Cava – allen Schaumweinen gemein ist, dass sie in unseren Breiten nie das Image des Festtagsgetränkes abschütteln konnten. In Frankreich dagegen wird Champagner als das gesehen, was er eigentlich ist: Eine Sonderform des Weines, die sich eben auch wie jeder andere Wein in seinen unterschiedlichen Ausformungen genießen lässt. Sei es als Aperitif oder Digestif, als Begleitung zu einem Menü oder auch einfach mal ohne besonderen Anlass.

Weinglas statt Sektflöte

Doch wie genießt man Champagner & Co. am besten und wie bringt man ihn auch in »normalen« Hotels oder Restaurants an den Mann bzw. sehr oft auch an die Frau? Die Sektschale ist spätestens irgendwann in den 1970er-Jahren auf dem Dachboden verschwunden und, allen Nostalgiewellen zum Trotz, zu Recht bis heute dort geblieben. Viel zu schnell hat sich das Getränk darin erwärmt, die Kohlensäure war ex­trem flüchtig und dem feinen Aroma der Schaumweine war diese Glasform auch nicht dienlich. Danach fand flächen­deckend die Sektflöte Verwendung, die allerdings auch nicht optimal ist, wenn man Gläserpapst und -hersteller Georg Riedel Glauben schenken darf: »Wenn man aus einer engen Flöte trinkt, wird man wenig vom Geschmack des Weines mitbekommen, sondern viel von der Kohlensäure.« Riedel empfiehlt für hochwertigen Champagner, Sekt, Cava & Co. ein etwas breiteres Glas in Tulpenform, in dem sich das Aroma und die feine Perlage eines Schaumweines wesentlich besser entwickelt. Eine Glasform, die sich in guten Häusern schon seit Längerem durchgesetzt hat.

Faire Preise = mehr Umsatz

Nächster – und für das Luxusimage wesentlicher – Punkt ist die Preisgestaltung von Schaumweinen in der Gastronomie. »Weniger ist mehr« lautet ein alter Spruch, der sich in diesem Zusammenhang besonders bewahrheitet. Natürlich ist es verlockend, beim Warenaufschlag endlich mal aus dem Vollen zu schöpfen. Doch bei einem Gläserpreis von 15 Euro aufwärts kann dem Gast die Lust auf eine zweite oder gar dritte Runde rasch vergehen. Tatsache ist: Wer bei der Champagnerkalkulation mit Augenmaß agiert und das Glas mit 10 bis maximal 12 Euro anbietet – als Angebot des Monats vielleicht sogar die magische 10-Euro-Marke unterschreitet – und dieses offen kommuniziert, wird gegenüber dem 18-Euro-Kollegen nicht nur beim Umsatz, sondern auch beim Gewinn die Nase vorne haben. Eines darf man allerdings nicht übersehen: »Die Spanne muss beim Schaumwein etwas höher als beim normalen Wein sein, da das CO2 oft rasch entweicht und die Flasche beim glasweisen Ausschank kaum zur Gänze ausgeschenkt werden kann, der Verlust also höher ist«, weiß etwa Annemarie Foidl, Präsidentin der Sommelierunion Austria.

Magnumflaschen als Blickfang

Damit der Gast überhaupt erst auf die Idee kommt, ein Glas Sekt oder Champagner zu bestellen, muss ihm häufig auf die Sprünge geholfen werden. »Als erstes Animo werden Flaschendisplays oder Rüttelpulte etwa beim Eingang platziert oder große Champagnerkühler an der Bar aufgestellt. Klarerweise steht Schaumwein am Aperitifwagen und erhält auf der Getränke- oder Weinkarte einen prominenten Platz. Sehr verkaufsfördernd erweist es sich, auch mit der Flasche an den Tisch zu gehen und vor den Gästen einzuschenken. Das Ausschenken aus Großflaschen wird dabei besonders geschätzt«, weiß Foidl auch aus ihrer eigenen Erfahrung als Gastronomin.

Lieber zu kalt als zu warm

Leider gibt es beim Thema »Schaumwein« in der Gastronomie aber viele Fehler, die nach wie vor gerne gemacht werden: »Oft werden Schaumweine überlagert. Hochwertige Schaumweine reifen während ihrer Herstellung im Durchschnitt um mindestens 1,5 Jahre länger als ihre ›stillen Geschwister‹, also Wein. Daher sind Schaumweine üblicherweise trinkfertig, wenn sie auf den Markt kommen. Sofern es sich nicht um einen Jahrgangsschaumwein handelt, werden Schaumweine durch die Lagerung im Gastronomiebetrieb nicht besser«, erklärt Thomas Breitwieser, Key Account Manager für Premium-Produkte bei Schlumberger Sekt und zusätzlich Vizepräsident der Sommelierunion Austria. Ein weiterer häufiger Fehler sei das zu warme Servieren – die Serviertemperatur müsse bei Schaumwein niedriger sein als bei Wein.

Mit blankem Säbel

Und weil in diesem Artikel von der Inszenierung von Schaumwein die Rede ist, soll auch kurz auf die ebenso zweifelhafte wie effektvolle Kunst des Sabrierens (sabre, frz. = Säbel) hingewiesen werden. Zweifelhaft, weil dieser Praktik ein wenig der ­Geruch neureicher Russen in St. Moritz anhaftet, effektvoll, weil die Zeremonie – gekonnt ausgeführt – unter Garantie für Staunen unter den Gästen sorgt. Kurzfassung des Sabrierens (detaillierte Anleitungen findet man zuhauf im Internet): Man schlägt mit einem Champagnersäbel die Längsnaht der Flasche entlang gegen den Wulst des Flaschenkopfes. Dabei wird der Kopf der Champagnerflasche mit dem Wulst und dem Korken abgeschlagen. Glassplitter sollten dabei so gut wie keine entstehen und die wenigen werden durch den Druck des austretenden Schaumweines weggeschleudert. Könner schaffen das auch mit einem normalen Messerrücken oder sogar einem Smartphone, denn die Schärfe des Gerätes ist bei dieser Übung unerheblich.

Klassische Schaumweinmissverständnisse

  • dass Schaumwein nur zum Anstoßen bei Feierlichkeiten getrunken wird
  • dass Schaumwein in Sektschalen serviert gehört
  • dass gesetzlich trocken auch geschmacklich trocken ist
  • dass »Winzersekt« immer besser als Sekt aus einer größeren Kellerei ist
  • dass Sekt/Champagner immer schwerer als Prosecco ist.

Flaschengrößen bei Schaumweinen (in Liter)

  • 0,2 Viertelflasche, Piccolo
  • 0,375 Halbe Flasche, Demi
  • 0,75 1/1-Flasche, Imperial
  • 3 Jeroboam, Doppelmagnum
  • 4,5 Rehoboam
  • 6 Methusalem
  • 9 Salmanazar
  • 12 Balthasar
  • 15 Nebukadnezar
  • 18 Goliath

Der Original-Text aus dem Magazin wurde für die Online-Version evtl. gekürzt bzw. angepasst.

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