Mein Robochef, mein Smart Table, mein Bot
von Kristina PresserDenn die Technologien treiben das Geschäft voran, unterstützen Mitarbeiter und heben das Gästeerlebnis auf eine neue Ebene. Wir zeigen, welche neuen Trends und Tools helfen, Herausforderungen für Hotellerie und Gastronomie im digitalen Zeitalter zu meistern.
Wenn Sie im Restaurant Spyce in Boston, Massachusetts, darauf warten, dass Köche Ihr Essen zubereiten, tun Sie das vergeblich. Denn es gibt keine. Stattdessen kochen sieben vollautomatisierte Woks bis zu 150 Mahlzeiten pro Stunde, die Kunden über einen der sechs Touchscreen-Terminals bestellen. Sogar spülen können die »Jungs«. Es ist, laut Aussage der Inhaber, das weltweit erste Restaurant mit komplexer Roboterküche. Die Zukunft der Gastronomie? Vielleicht. Auf jeden Fall zeigt Spyce eindrucksvoll, was heute technisch-digital möglich ist. Vorbei die Zeiten, in denen man titelte, Digitalisierung erreicht das Gastgewerbe. Vielmehr gilt: Sie ist längst da.
Das veranschaulicht auch das Ergebnis der aktuellen Benchmark-Studie »Digitalisierungsindex Gastgewerbe« von Techconsult: 36 Prozent der befragten Hotel- und Gastro-Betriebe haben demnach die digitale Transformation in ihrer Geschäftsstrategie verankert und profitieren finanziell davon. Weitere 38 Prozent arbeiten an der Umsetzung einzelner digitaler Projekte. Im Vergleich zu anderen Branchen zwar geringere Werte, aber Tendenz steigend. Denn es tut sich viel an der Entwicklungsfront. Schließlich optimieren digitale Innovationen durch Vernetzung, neue Kommunikationswege, Zeiteinsparung sowie Fehlervermeidung dank Automatisierung nicht nur Betriebsprozesse. Im immer komplexer werdenden Alltagsgeschäft können sie sogar bei Personalmangel unterstützen. Welche gewinnbringenden Tools es derzeit gibt? Wir haben uns umgesehen.
Künstliche Intelligenz
Viele Digitalisierungsmaßnahmen setzen bei der Guest Journey an, die mit der Restaurantsuche beginnt. Dabei will Jürgen Renghart, CEO und Gründer von speisekarte.de, Gastronomen mit seinem Branchenverzeichnis unterstützen. Denn indem sie dort relevante Informationen rund um den eigenen Betrieb sowie Speisekarten einstellen und verwalten, erhöht sich deren Kundenreichweite und Sichtbarkeit im Netz. Die digitale Restaurantlandschaft wird transparenter, was heute vor allem die Generation Y erwartet. Mit der Food-App Menual geht die Plattform jetzt verstärkt auf individuelle Kundenwünsche ein. Darin lassen sich Filter zuschalten, etwa für Unverträglichkeiten, und Speisekarten in acht Sprachen übersetzen. »Damit erleichtern und beschleunigen wir den Bestellprozess für Restaurantbesucher und Gastronomen gleichermaßen«, sagt Renghart. Schnell geht es inzwischen auch dank Smart Speaker Alexa, die bei der Restaurantsuche über speisekarte.de hilft.
Überhaupt unterstützt künstliche Intelligenz (KI) inzwischen vielfältig interne Arbeitsabläufe – sorgt vor allem für mehr Geschwindigkeit, die heute maßgeblich ist. Josef Schmidbauer, der das Café Palmenhaus im Nymphenburger Schlosspark in München betreibt sowie in fünfter Generation die Hühnerbraterei Ammer auf dem Oktoberfest, kennt das. »Der Gast erwartet, dass die Wartezeit möglichst kurz ist, der Aufenthalt dadurch schöner, und dass er das, was er bestellt hat, auch bekommt.« Klar, trotz aller Schnelligkeit darf das Qualitätsmanagement nicht leiden. Beide Anforderungen kombiniert der Dishtracker, wie der CEO des gleichnamigen Unternehmens, Johannes Raudaschl, erklärt: »Eine Overhead-Kamera erkennt und unterscheidet Speisen und Getränke über eine spezielle Objekterkennungs-Software, die mittels KI ständig dazulernt.« Die Präzision liegt bei über 98 Prozent. Am Kassenterminal montiert, lassen sich zum einen Gerichte beim Selfcheck-out-Prozess in Echtzeit erfassen. Das daran gekoppelte, bereits bestehende Kassensystem berechnet automatisch den Betrag. Eingesetzt am Küchenpass, können zum anderen alle Speisen registriert und gezählt werden, die die Küche verlassen. Diese zusätzliche Kontrollinstanz nutzt Josef Schmidbauer seit drei Jahren auf der Wiesn. »Der Vorteil ist, dass ich durch dieses zweite System ein Gefühl dafür bekomme, ob auch alles so läuft, wie ich mir das als Gastronom vorstelle.«
»Digitale Tools und Kommunikationsmöglichkeiten können ein sehr hilfreiches Instrument sein, um die Kundenzufriedenheit zu erhöhen – wenn nicht sogar das einzige. Unbestritten steigert die Digitalisierung die Effizienz, gerade beim Thema Zeiteinsparung – wenn Tools intuitiv bedienbar sind und/oder mehrere Prozesse automatisieren.«
Jürgen Renghart, CEO und Gründer von speisekarte.de
Virtuelle Realitäten & Robo-Kollegen
Bei allen nutzwertigen Anforderungen an digitale Produkte muss der Entertainment-Faktor aber nicht hinten runterfallen. Im Gegenteil. Infotainment heißt das Zauberwort. Was also, wenn man digitale Services wie Restaurant-Informationen, Speisekarteneinsicht, Bestellvorgang und Kundenbewertungen verbinden könnte mit einem Web-Zugang, sozialen Medien und Gaming-Apps, etwa um Wartezeiten zu verkürzen? Hier setzt das Unternehmen IRT (Interactive Restaurant Technology) mit seinen Smart Tables für Restaurants, Cafés und Hotels an. Die Tischplatte besteht aus einem Monitor mit Multi-Touch-Sensorik. Anwendungen wie die durch KI unterstützte Bestell- und Unterhaltungssoftware sind Cloud-basiert. Übrigens, keine Angst – die Diamantglasplatte ist wasser-, kratz- und bruchfest. Selbst kontaktloses bzw. mobiles Zahlen via Smartphone oder Kreditkarte erlaubt die Technologie der Smart Tables.
Eine andere Option sind Displays als Aufsteller oder zur Wandmontage. Für die Gastronomie eignen sie sich zum Beispiel, um digitale Speisekarten abzubilden oder Menüboards bei der Essensausgabe anzuzeigen. Im Hotel können es statische oder interaktive Infotafeln sein, oder Infotainment-Systeme mit Wetter-Feeds. Alles lässt sich in Echtzeit aktualisieren und bedarfsgerecht gestalten. Besonderer Eyecatcher für die Gastronomie sind digitale Kreidetafeln. Sieht stylish-selbstgemacht aus, benötigt aber kein kreatives Beschriftungstalent. Und der Gast ist begeistert. Entsprechende Cloud-basierte Lösungen bietet etwa der österreichische Softwareentwickler Wesual an.
Einfacher bestellen dank 3-D-Erfahrung
Speisekarten digital abrufen zu können, wird heute fast schon erwartet. Wie das Gericht aussieht, weiß der Gast aber nicht – genau das ist für ihn jedoch eine wertvolle Information für die Bestellung. »Essen funktioniert heute nicht mehr nur über Geschmack, sondern auch über Optik«, sagt Alper Guler, CSO bei QReal. »Die Ära von Instagram, Facebook und Snapchat hat unser Essverhalten in Restaurants verändert. Food und Technologie sind heute mehr denn je mit Genusserfahrung verbunden.« Eine moderne Lösung statt reizloser Fotos: Neue vernetzte Technologien wie Virtual Reality (VR), eine computergenerierte Wirklichkeit, und Augmented Reality (AR), die um virtuelle Elemente erweiterte reale Welt. Was andere Branchen schon für außergewöhnliche Nutzererfahrungen anwenden, ist in unserer bislang kaum vertreten. Dabei bietet gerade die sich an.
Konkretes Beispiel: Restaurantbesucher erhalten zu einem Gericht auf der Menükarte das realistische 3-D-Modell – im Display ihres Smartphones oder Tablets erscheint im realen Umfeld zum Beispiel der ausgewählte Burger. Alper Guler, der sich auf virtuelle Food-Modelle spezialisiert hat, will Gäste damit bei der Speisenwahl unterstützen. Die Funktion können Restaurants in ihre bestehende App integrieren, auf betriebseigenen Tablets anbieten oder mittels Scancodes auf Flyern, die über oben genannte Social-Media-Kanäle abfotografiert werden. »Gleichzeitig ermöglichen wir Gastronomen damit, ihren Besuchern hochwertigere Speisen schmackhaft zu machen und so den Umsatz zu steigern.«
Eigentlich auch eine ganz gute Idee für die Hotellerie, könnte man jetzt meinen. Schließlich will mancher Gast schon vor der Anreise wissen, wo und wie er nächtigt. Tatsächlich wird VR schon vereinzelt für dreidimensionale Hotelrundgänge eingesetzt, etwa von der GCH Hotel Group. Nutzer können damit vom heimischen PC oder mobilen Endgerät aus die unterschiedlichen Häuser virtuell entdecken und Zimmer besichtigen. Indem der potenzielle Gast so ein Gefühl für das »Produkt« bekommt, legt er Unsicherheiten ab und die Buchungsentscheidung fällt leichter.
Roboter – künftige Mitarbeiter (?)
Wie zukunftsweisend diese Anwendungen für die gesamte Tourismusbranche sind, bestätigt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder im Zuge einer aktuellen Verbandsumfrage: »Big Data, VR und AR ermöglichen eine neue Form des Reisens, die den Urlaub nicht nur komfortabler, sondern auch spannender und informativer macht. Es ist wichtig, dass alle touristischen Akteure sich mit den digitalen Innovationen auseinandersetzen, ihr Geschäftsmodell überprüfen und sich fit machen für den mobilen, vernetzten und smarten Tourismus der Zukunft.« Zahlen belegen das: 55 Prozent der Befragten würden gern mittels VR auf Reisen gehen, sechs von zehn AR-Apps anwenden. Und jeder Dritte kann sich vorstellen, einen Service-Roboter zu nutzen.
In der Gastronomie werden sie bereits eingesetzt, wie Spyce beweist. Aber auch im Hotel können sie unterstützen, etwa im Housekeeping oder um dem anspruchsvollen Gast von heute individuellen Service rund um die Uhr zu bieten. Auch fehlendes Room-Service-Personal kann mit einem Roboter aufgefangen werden, der als Mini-Bar fungiert. Das Münchner Unternehmen Robotise liefert mit seinem Serviceroboter Jeeves dazu einen passenden neuen Mitarbeiter, der zum Beispiel im Münchner Rilano Hotel eingesetzt wird. Bedienbar ist Jeeves in mehreren Sprachen per Touchscreen. Über eine WLAN-Schnittstelle kann er autonom navigieren und sogar Aufzug fahren.
Smarte Hotel-Zimmer
Generell bietet das Hotel viele Ansätze, interne Arbeitsabläufe durch Digitalisierung zu vereinfachen, Personal zu entlasten und die Zufriedenheit der Gäste zu steigern. Hotel-Apps ermöglichen dem Gast zum Beispiel, online Zimmerbuchungen zu tätigen, mobil zu bezahlen, online ein- und auszuchecken und das Hotelzimmer mit einem digitalen Roomkey zu öffnen. Eine digitale Gesamtlösung für Hotels bietet unter anderem Hotelbird an. Die Funktionen lassen sich in eine bestehende Hotel-App integrieren und sind über Smartphone, Tablet oder Laptop (via Web-Portal) abrufbar.
»Den positiven Einfluss, den digitale Tools und Services auf den Betriebserfolg haben können, bestätigen immer mehr Gastronomen. Gastrofix sehen wir dabei nicht bloß als Kasse, sondern als digitale Schaltzentrale für den ganzen Betrieb, die je nach Bedürfnis individuell und modular erweiterbar ist. Wer weiterhin auf Stift und Zettel setzt, wird es künftig schwer haben.«
Wolfgang Robben, Pressesprecher Gastrofix GmbH
Intelligent vernetzte Produkte und Geräte
Im Zimmer geht es smart weiter: Für größtmöglichen Gästekomfort und um die interne Organisation und Kundenbetreuung zu erleichtern, nutzen einige Häuser inzwischen das Internet of Things (IoT) via Cloud: Produkte und Geräte werden intelligent vernetzt. Zum Beispiel die digitale Hotelmappe. Damit sind Funktionen wie Room-Service, Reiseführer und Kundenbewertung per App auf einem zimmereigenen Tablet verfügbar. Auch die Abbestellung der Zimmerreinigung zur Umweltschonung ist möglich, wie beim Anbieter SuitePad. Hotels können ihren Gästen zudem gezielt Nachrichten senden. Chatbots – digitale Dialogsysteme in Form eines virtuellen Beraters basierend auf KI – beantworten wiederum 24/7 einfache Kundenfragen zum Hotel, auch über Messenger-Dienste wie Facebook oder WhatsApp. Mehr Barrierefreiheit geht nur mit digitaler Sprachsteuerung. Daher hat Betterspace jetzt Alexa in seine digitale Gästemappe implementiert.
Smart Hotels ermöglichen ferner, über das Tablet Zimmerfunktionen wie Temperatur, Licht und TV zu regulieren. Allerdings übernehmen auch das vermehrt digitale Sprachassistenten, wie zum Beispiel Panasonic mit seinen Hotel-TVs zeigt. Und auch auf ihre Video-on-Demand-Services müssen Gäste dank verschiedener Smart-Funktionen der TV-Geräte nicht verzichten. »In Bezug auf Datenschutz sichert der Hotelmodus den Hotelier ab: Zum Beispiel werden Netflix-Logins der Gäste automatisch gelöscht, sobald sie auschecken«, erklärt Michael Langbehn, Head of PR, Media und Sponsoring bei Panasonic Deutschland. »Zukünftig sollen die verschiedenen Technologien noch leichter zu nutzen und von einer Anwendung aus steuerbar sein. Ziel ist es, die Arbeit des Hoteliers einfacher und den Aufenthalt des Gastes komfortabler zu machen.«
Vor allem verschaffen technische Entwicklungen für das Gastgewerbe Mitarbeitern mehr Zeit für den Gast. Und darum geht es letztlich bei allen digitalen Innovationen. Zwischenmenschliche Beziehungen sollten durch sie an Qualität gewinnen, nicht unter ihnen leiden. Denn das Wesen der Branche ist und bleibt die Dienstleistung.