Machen Sie kurzen Prozess
von Daniela MüllerVom Check-in im Hotel über den Bestellvorgang im Restaurant bis hin zur Speisenzubereitung in der Küche – in jedem Betrieb gibt es eine ganze Reihe von wiederkehrenden Abläufen, die möglichst sinnvoll organisiert werden müssen. Dazu muss das Umfeld so ausgelegt sein, dass alle benötigten Dinge griffbereit sind und das Personal möglichst kurze Wege zurücklegt. Tatsache ist: Nur bei optimal strukturierten Prozessen funktionieren die Abläufe im Alltag verlässlich und tragen dazu bei, dass ein Betrieb wirtschaftlich erfolgreich ist.
Neues wagen!
Wer in seinem Unternehmen getreu dem Leitsatz »Das haben wir schon immer so gemacht« handelt, läuft zunehmend Gefahr, von seinen Mitbewerbern überholt zu werden. Nicht nur im Zuge der fortschreitenden Digitalisierungswelle tun sich für aufgeschlossene Unternehmer ständig neue Möglichkeiten auf, von Optimierungsmaßnahmen in vielerlei Hinsicht zu profitieren: Weniger Kosten, niedrigerer Wareneinsatz, gesenkter Personalbedarf, zufriedenere Gäste, mehr Zeit – all das kann der Lohn für Anpassungen in den Abläufen sein.
Wie perfekt organisierte Prozesse aussehen können, demonstrieren erfolgreiche Systemer wie McDonald’s, Vapiano & Co. seit vielen Jahren. Dabei ist Prozessoptimierung nicht nur ein Thema, das große Betriebe beschäftigen sollte. »Ich rate jedem Gastronomen oder Hotelier dazu, seine Betriebsabläufe genau zu analysieren und sich zu fragen, ob er heute immer noch alles genauso machen würde wie zu dem Zeitpunkt, als er die Prozesse so implementiert hat«, so Jean-Georges Ploner, Gründer des Beraternetzwerkes Global F&B Heroes, Buchautor und HOGAPAGE-Kolumnist. »Die Welt dreht sich, und die Bedürfnisse der Gäste ändern sich, während die Kosten nur eine Richtung kennen: nach oben! Deshalb ist es schlichtweg notwendig, dass man die eigenen Prozesse kritisch hinterfragt und regelmäßig prüft, ob sie verbessert werden können.«
Ohne sorgfältige Analyse keine sinnvolle Optimierung
Die Entscheidung, Dinge zu verändern, darf dabei keinesfalls zu blindem Aktionismus führen. Bevor konkrete sinnvolle Maßnahmen ergriffen werden können, gilt es, möglichst alle Abläufe im Unternehmen genau zu definieren und zu analysieren. Kein kluger Unternehmer würde allein den Blickwinkel von oben herab als Entscheidungsgrundlage wählen. Denn hier sind nicht nur Mitarbeiter, sondern auch die Gäste wertvolle Informationsquellen, um die entscheidende Frage zu klären: Was läuft gut und wo hakt es? Auf diese Weise können zielgenau Schwächen erkannt und behoben werden. Wer Gewissheit haben möchte, was den Gästen am eigenen Betrieb missfällt, kann z. B. Befragungen durchführen, einen Blick in die Online-Bewertungsplattformen werfen oder Mystery-Checks vornehmen. Das Ergebnis wird in jedem Fall aufschlussreich sein und eine gute Basis für das weitere Vorgehen darstellen.
»Ich rate grundsätzlich dazu, gegenüber Kritik – vor allem aber auch gegenüber Neuem – offen zu sein. Egal, ob es das Input eines neuen Mitarbeiters ist, der einen Verbesserungsvorschlag hat, die Teilnahme an einer Trendtour oder der Besuch bei einem Kollegen – wer seine Augen offen hält, wird viele Ideen sammeln können, die eventuell auch für den eigenen Betrieb Sinn machen können«, sagt Jean-Georges Ploner.
Hilfsmittel aus der digitalen Welt
Auch der englische Star-Koch Jamie Oliver, ein Perfektionist in Bezug auf seine Betriebsabläufe, suche gerne über dem eigenen Tellerrand nach Ideen, verrät der Experte: »Für sein Jamie’s Italian Restaurant ermittelte er z. B. mithilfe von Kameras und einer Software aus der Sportwelt die idealen Laufwege in der Küche.« Mit diesem Wissen wurde die Küche optimiert, und die Abläufe wurden festgelegt.
Wer mit offenen Augen durch die Gastro-Welt geht, der entdeckt zahlreiche digitale Hilfsmittel, die zu einer Verbesserung der betrieblichen Abläufe beitragen können. Dazu zählen im Restaurant z. B. Kassensysteme mit mobilen Devices, Online-Reservierungstools, vollautomatische Schankanlagen, eine gut ausgestattete Küche und geschultes Personal, das alle Abläufe perfekt beherrscht – und zwar vom Spüler bis hin zum Restaurantleiter. Im Backoffice unterstützt die richtige Software den Gastro-Unternehmer nicht nur beim Erstellen eines sinnvollen Dienstplans und bei der Kreditoren- und Lohnbuchhaltung, er kann auch im Handumdrehen auf wirtschaftliche Daten und Auswertungen zugreifen, die ihn dabei unterstützen, erneuten Optimierungsbedarf frühzeitig aufzudecken.
Aus der eigenen Not geboren
Dabei muss digitale Technologie gar nicht kompliziert sein, um messbare Verbesserungen im Alltag herbeizuführen: Ein Beispiel, wie sie das Servicepersonal mit ganz einfachen Mitteln unterstützen und sich zugleich positiv auf die Zufriedenheit der Gäste auswirken kann, ist der Ordercube. Die Entwickler des formschönen Leuchtwürfels aus Acrylglas, die beiden jungen Münchner Gründer Daniel Pasternak und Igor Suslov, hatten die Idee für ihr Produkt, als sie im Restaurant wieder einmal viel zu lange auf den Kellner warten mussten. Sie dachten: Ein Bestellknopf muss her, so wie im Flugzeug, wenn eine Stewardess gebraucht wird. Das Ergebnis ist umfangreicher geworden: Der Ordercube ist Kellnerrufsystem und Kerzenersatz, bietet eine Reservierungsfunktion und ein Auswertungstool.
Bitte zahlen! – Kommunikation per Leuchtwürfel
Originell: Der akkubetriebene Würfel dient als Kerzenersatz und wird mittels eines Touch-Sensors aktiviert. Dadurch erkennt der Kellner, welcher Gast bestellen oder bezahlen möchte – und in welcher Reihenfolge. Zudem gibt es eine App, über die sich der Ordercube nicht nur steuern lässt, sondern die auch für den nötigen Überblick sorgt, da sämtliche Zustände der Leuchtwürfel auf einem Tischplan dargestellt werden. Der Vorteil: Kellner sehen sofort, wer bestellen und wer bezahlen möchte.
»Der Ordercube ist in erster Linie ein Laufwegoptimierer«, erklärt Igor Suslov. »Nehmen wir das Bezahlen als Beispiel: Die Prozesse Bezahlen und Bestellen unterscheiden sich hinsichtlich des Services in einem Faktor: Wenn man weiß, dass der Gast bezahlen möchte, muss sich der Kellner gar nicht erst auf den Weg zum Tisch machen. Beim Bestellen wiederum schon, um die Wünsche der Kunden aufzunehmen. Dank der Tatsache, dass der Würfel über die zwei verschiedenen Schaltflächen ›CALL‹ und ›PAY‹ verfügt, spart sich der Kellner so mindestens einen Laufweg und kann entsprechend direkt mit ausgedruckter Rechnung an den Tisch kommen.«
Schnellerer Service bedeutet mehr Umsatz
Tatsächlich, so erklärt der Erfinder, sei auf Basis unabhängiger Testläufe nachgewiesen worden, dass der smarte Würfel die durchschnittliche Wartezeit des Gastes auf den Kellner um bis zu 80 Prozent senke. »Somit verbleiben die Gäste insgesamt bis zu 20 Minuten kürzer am Tisch, da die Wartezeit reduziert wird. Eine Chance, noch weitere, zusätzliche Parteien zu bedienen, denen bisher aufgrund der hohen Auslastung kein Platz geboten werden konnte«, erklärt Suslov.
Ein weiteres gutes Beispiel, wie die Geduld der Gäste geschont werden kann, ist der Einsatz sogenannter »Runner«, die die Service-Teams beim Servieren von Speisen und Getränken unterstützen. Das funktioniert besonders gut, wenn die Service-Mitarbeiter mit Handhelds ausgestattet sind, die für eine perfekte Kommunikation zwischen Gast, Service und Küche bzw. Ausschank sorgen.
Gespart heißt nicht gleich optimiert
Im Vergleich zum À-la-carte-Restaurant hat die Gemeinschaftsgastronomie, getrieben von hohem Kostendruck und starkem Wettbewerb, den Weg der konsequenten Prozessoptimierung bereits früher eingeschlagen und konsequent alle Prozesse auf den Prüfstand gestellt. Dabei ist so mancher in die Falle getappt, die im Resultat noch schlimmere Folgen haben kann als der Hang, alles beim Alten belassen zu wollen: Unter gar keinen Umständen darf Prozessoptimierung mit reinen Sparmaßnahmen verwechselt werden.
Wird also z. B. einfach so der Rotstift angesetzt, das Personal gravierend reduziert, günstigere Ware von schlechterer Qualität eingekauft oder eine längst fällige Investition in moderne Technik einfach unter den Tisch fallen gelassen, spart das zwar im ersten Moment Kosten – jedoch wird ein derart kurzfristig gedachter Ansatz den Gast weder glücklicher noch die Kassen auf Dauer voller machen. Mit Optimierung hat das nichts zu tun, denn die sollte – wie der Begriff schon vermuten lässt– mit einer Verbesserung für alle Seiten einhergehen.
»Ich erinnere mich an ein engagiertes Köche-Trio, das es satthatte, immer wieder ans Limit zu kommen, weil einfach zu wenig rundlief. In der Konsequenz haben sie ihre Speisekarte umgestellt, die Vorproduktion ausgeweitet, die Abläufe optimiert und ein besseres Zusammenspiel erarbeitet. Heute ist das Team immer noch zu dritt in der Küche, hat aber wieder Spaß am Kochen«, so Jean-Georges Ploner. Mut zur Veränderung – er zahlt sich eben doch meist aus.
Nachgefragt beim Küchen-Fachplaner
»Wir brauchen Disziplin bei Flächen und Geräten«
Peter Adam-Luketic, Geschäftsführer des Planungsbüros vtechnik in Gaggenau, kennt sich aus mit optimalen Prozessen in Küchen. Als Fachplaner mit dem Schwerpunkt Betriebs- und Mensenverpflegung muss er regelmäßig in die Zukunft blicken und die Voraussetzungen für »optimale Prozesse« in der Küche schaffen.
Was erwarten Ihre Kunden von Ihnen in Bezug auf die späteren Abläufe im Betrieb?
Es kommt immer darauf an, ob wir von einem Neubau oder einem Küchenumbau sprechen. Wird neu gebaut, plane ich nach dem Pflichtenheft für die Zukunft. Da ist schon Gespür gefragt, denn was in Zukunft passiert, wie sich etwa die Ernährungsgewohnheiten verändern werden, können wir ja heute noch nicht mit absoluter Sicherheit vorhersagen.
Geht es um einen Umbau, ist es meist so, dass der Betriebsverantwortliche an mich als Planer mit dem Wunsch herantritt, sich zu verbessern – etwa weil die Akzeptanz der Gäste merkbar gesunken ist oder die Küche technisch modernisiert werden soll, um nachhaltiger arbeiten zu können. Da gibt es ganz verschiedene Beweggründe, die dann letztendlich aber alle darauf hinauslaufen, dass ich als Planer die Voraussetzungen für optimale Prozesse schaffen soll.
Wie gehen Sie diese anspruchsvolle Aufgabe an?
Zunächst einmal höre ich dem Bauherrn aufmerksam zu. Was ist seine Intention bzw. Erwartungshaltung? Wie soll sich das Unternehmen, das dahintersteht, weiterentwickeln? Hat sich der Bauherr überhaupt schon mit seinen potenziellen Gästen beschäftigt? Und was erwarten diese Gäste? All das versuche ich bereits in den ersten Gesprächen zu klären. Eine solche IST-Analyse ist das A und O, um einen vernünftigen Prozess daraus ableiten zu können. Außerdem agiere ich auch immer in der Funktion des Moderators, der versucht, die verschiedensten Interessen der am Bau beteiligten Parteien – vom Bauherren über den Nutzer bis zum Architekten und dem Gebäudetechnikplaner – zur besten Lösung zusammenzuführen.
Was sind Ihrer Erfahrung nach die häufigsten Planungsfehler, die hinterher zu einem schlechteren Prozessablauf führen?
Mangelnde Disziplin bei Flächen und Geräten! Großküchen werden heute idealerweise sehr kompakt geplant. Das liegt nicht allein daran, dass an vielen Stellen Raum zu einem Luxusgut geworden ist. Kompakte Lösungen schonen vor allem die Sohlen des Personals, das keine unnötig weiten Laufwege absolvieren muss – und den Geldbeutel des Gastronomen vor unnötig hohen Betriebskosten.
Überdimensionierte Lagerräume verführen außerdem dazu, sich schlechter zu organisieren. Es liegt in der Natur des Menschen, sich auszubreiten, wenn Platz ist – nicht immer passiert das auf strukturierte Art und Weise! In einem kleinen Lager behält der Mitarbeiter dagegen in der Regel viel leichter den Überblick und findet schneller die benötigte Ware.
Das größte Problem für mich als Planer ist aber gerade bei Neubauprojekten, dass die Dynamik des Bauvorhabens häufig den Nutzer überholt: Noch bevor das Verpflegungskonzept fertig gedacht ist, schaffen Architekt und Bauherr bereits Lösungen, mit denen der Nutzer dann leben muss. Idealerweise sollte der Küchenplaner also noch vor dem Architekten ins Spiel kommen.
Wie sieht Ihrer Meinung nach die Küche der Zukunft aus?
Sie kommt auf kleiner Fläche groß heraus: Sie entwickelt sich immer mehr zu einer Rüstküche, die verschiedene Stationen im Ausgabebereich beliefert – mit vorproduzierter Pasta, Gemüse oder anderen Köstlichkeiten, die dann direkt vor den Augen der Gäste, z. B. an der Front-Cooking-Station, »gefinisht« werden. Auch bei der Anschaffung der Küchentechnik sollte auf »Angstkäufe« – also überdimensionierte Geräte – übrigens unbedingt verzichtet werden, weil solche die Betriebskosten völlig sinnlos erhöhen. Wenn eine kleine Spülmaschine eigentlich reicht, dann kaufen Sie bitte keine große!
Jeder Handgriff zählt
Smarte Gestaltung fördert optimale Abläufe
Eine clevere Planung und Realisierung kann auch im Hotel optimale Prozesse fördern. Plant ein Architekt den Neu- oder Umbau eines Hotels, wird er sich deshalb im Idealfall zunächst mit den Abläufen dort beschäftigen. Dabei sollte jeder Schritt des Gastes berücksichtigt und jeder Handgriff des Housekeepings beachtet werden. Auch Detailfragen gehören dazu, wie zum Beispiel: Wie weit kann das Personal den Raum überblicken und sehen, wenn jemand die Hand hebt oder Kontakt aufnehmen möchte? Frank Dittel hat mit seinem Architekturbüro schon viele Hotelprojekte realisiert und kennt die Verantwortung, die er als Architekt für das Gelingen der späteren Abläufe trägt.
»Unser Beitrag zur Prozessoptimierung liegt vor allem darin, Orientierung im Raum zu geben und eine sinnvolle Raumaufteilung mit Laufwegen zu entwickeln. Orientierung schafft Wohlgefühl beim Gast und beim Personal. Das Wohlgefühl wiederum sorgt für motivierte Mitarbeiter und erhöht die Lust an der Wiederkehr beim Gast«, sagt er. Grundsätzlich gilt: Je intuitiver der Raum, desto weniger Rückfragen gelangen zum Personal – und umso ungestörter gelingen die Abläufe. Ein klares Leitsystem unterliegt dabei dem Grundsatz der konsequenten Einheitlichkeit, die sich durch das gesamte Gebäude ziehen sollte.
»Materialeigenschaften und Möbeldesign und die Integration smarter Technologien sind drei weitere Faktoren, die in unseren Händen liegen und Prozessabläufe optimieren können. Durch einen den Nutzungsanforderungen gerecht werdenden Einsatz von Materialien – mit Eigenschaften wie robust und pflegeleicht – kann eine große Einsparung am Maintenance-Aufwand erzielt werden«, so der Architekt. Ein ergonomisches Möbeldesign, Modularität und die Standardisierung der Zimmer können die Housekeeping-Kosten stark reduzieren.
Smarte Technologien tragen dazu bei, Prozesse zu automatisieren, damit das Personal sich anderen Aufgaben widmen kann. »Da der Übergang von der Architektur zur Technik fließend ist, befassen wir uns zudem intensiv mit der Digitalisierung in der (Hotel-)Architektur«, so Dittel. »Das beginnt beim Check-in und Buchungen von Dienstleistungen per App, geht über den schlüssellosen Zugang zum Zimmer, die automatische Klima- und Lichtsteuerung bis hin zum ›Responsive Room‹, der auf sämtliche Bedürfnisse des Gastes reagiert und ganz neue Anforderungen an die Gestaltung des Hotelzimmers stellt.«
Der Original-Text aus dem Magazin wurde für die Online-Version evtl. gekürzt bzw. angepasst.
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