Zielgruppenbestimmung
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Der Gast von heute passt in keine Schublade

von Daniela Müller
Donnerstag, 01.11.2018
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Geschmäcker sind verschieden – und so verwundert es kaum, dass erfolgreiche Gastronomiekonzepte gar nicht erst versuchen, alle Gäste zu erreichen, sondern sich konsequent einer Zielgruppe und ihren Bedürfnissen verschreiben. Wer austauschbar ist, verliert heute zwangsläufig gegen attraktivere Mitbewerber – und als einziges Verkaufsargument bleibt der Preis. Eine Strategie, die nicht selten der Anfang vom Ende ist. Marketing-Experte Karl-Heinz Mühlbauer, Geschäftsführer der panadress marketing intelligence GmbH, ist sich deshalb sicher: »Im Dschungel der unzähligen Angebote zählen ein scharfes Profil und ein Konzept, das individuelle Bedürfnisse befriedigt.«

Um das zu schaffen, muss die eigene Zielgruppe jedoch erstmal definiert und »greifbar« gemacht werden. Immer wieder wird dafür etwa die Einteilung nach Geburtsjahrgängen vorgenommen: Das Ergebnis sind dann Unterscheidungen in »Baby-Boomer« (1956 bis 1965), »Generation X« (1966 bis 1980), »Y« – auch »Millennials« genannt (1981 bis 1995) oder »Z« – auch »Generation Youtube« genannt (ab 1995), denen jeweils charakteristische Eigenschaften und daraus resultierende Wünsche zugeordnet werden können.

Es ist kompliziert…

Sag mir, wann du geboren bist, und ich sage dir, wie du tickst? So einfach ist es in der Realität längst nicht mehr. Zwar gab es in jeder Generation prägende Erlebnisse wie Kriege, Wirtschaftskrisen, Terroranschläge oder die digitale Revolution, die die jeweiligen Vertreter maßgeblich beeinflusst und bezüglich ihrer Lebenseinstellung und Vorlieben geformt haben. Doch eines ist sicher: »Die Einteilung nach Generationen kann heutzutage nurmehr als grobes Raster dienen, denn individuelle Bedürfnisse hängen zu einem beträchtlichen Teil nicht nur vom Alter ab«, stellt Karl-Heinz Mühlbauer klar.

»Die Zugehörigkeit zu einer der oben genannten Generationen ist interessant, wenn es darum geht, mit welchen Medien man am besten mit einer Zielgruppe kommuniziert. Da sind z.B. die Millennials und die Generation Y deutlich Social-Media-affiner als die Baby-Boomer, die mehrheitlich andere Medien bevorzugen.«

Für genaue Zielgruppenselektionen ziehe sein Institut jedoch neben dem Alter und der Lebenseinstellung zusätzlich Hunderte von Einzeldaten heran, um aussagekräftige Cluster zu bilden.

Auch für den Unternehmer im Gastgewerbe ist es das A und O, seine Klientel zu kennen, zu befragen und vorhandene Daten – etwa über Essensvorlieben, Ernährungsgewohnheiten, Details über die Spa-Nutzung oder Zimmerpräferenzen – konsequent zu nutzen. »Das ist wichtig, denn heute will jeder Mensch genau das Angebot bekommen, das zu ihm passt«, so Mühlbauer. »Von den erhobenen Daten ausgehend, kann ich dann Rückschlüsse ziehen, bei welchen Menschen ich besonders gut ankomme – und mich dementsprechend weiterentwickeln.«

Von Oper bis Techno: die neuen Alten sind nicht mehr berechenbar

Der Megatrend »Individualisierung« wirkt weltweit und hat dazu geführt, dass es keine einfachen Regeln mehr gibt, nach denen Zielgruppen zusammengestellt werden können. Das Ergebnis sind unzählige bunt zusammengewürfelte Gruppen mit gleichen Vorlieben und Lebenseinstellungen – und unendlich viele Möglichkeiten für Konzepte, die erfolgreich sein können.
»Vom Hundehotel, bis zum Glamping-Platz, einem glamourösen Camping-Platz, der die Abenteuerlust einer anspruchsvollen Klientel befriedigt, ist mittlerweile so gut wie alles möglich, wenn es gut gemacht ist«, bestätigt auch Marketingexperte Alois Gmeiner, »Der Werbetherapeut« aus Wien: »Unsere Senioren werden z.B. immer offener für die verschiedensten Dinge«, sagt er. »Sie hören Operetten und stehen zugleich auf Heavy Metal. Die lassen sich nicht mehr einfach in die Senioren-Schublade stecken. Genauso ist es mit den anderen Generationen.«

Was gegenwärtig viel mehr zählt, ist, dass Hotels oder Restaurants sich nicht nur auf ihr Umfeld verlassen oder auf das schöne Wetter. Die Gäste erwarten das Besondere, suchen das Erlebnis oder eben gar das Abenteuer. »Wichtig ist aber, dass sich der Gastronom oder Hotelier für eine Zielgruppe entscheidet und dann konsequent hinter dem Thema steht, das er seinem Konzept zugrunde legt«, so Gmeiner. Er rät Unternehmern dazu, sich z.B. in der Region umzusehen und ein Erlebnispaket für den Gast zu schnüren, das zur Umgebung passt. Je authentischer, desto besser. Getreu dem Motto: Früher wollten die Leute sehen, wie die Eingeborenen leben, heute wollen sie wie die Eingeborenen leben. Die Befriedigung dieses Bedürfnisses sollten Hoteliers zukünftig nicht mehr Plattformen wie Airbnb überlassen.

Profil schärfen – Stärken herausarbeiten

Auch Brunhilde Fischer von der Unternehmermanufaktur in Burghausen ist kein Anhänger der klassischen Zielgruppen. Vielmehr müssten sich Hotels mit einem Mehrwert für die Gäste ausstatten, ist sie überzeugt. »Ich arbeite mit einem Hotel zusammen, das acht Tagungsräume hat und mitten in der Natur an einem See liegt. Die Klientel sind Geschäftsreisende, Tagungsgäste und am Wochenende viele Kurzurlauber«, berichtet sie. Trotzdem war das Profil des Hauses unscharf, die Potenziale wurden nicht ausgeschöpft. »Wenn den Kunden der Mehrwert eines Angebots nicht klar ist, bleibt nur noch der Verkauf über den Preis, was nicht gut ist«, so Fischer.

Gemeinsam mit dem Hotelier arbeitete sie deshalb an einer Spezialisierung, die für eben jenen Mehrwert sorgen sollte. Das Ergebnis war eine thematische Anlehnung des Hauses an die Lebensregeln von Hildegard von Bingen, einer Äbtissin aus dem Mittelalter, die für ihr Wissen rund um die Kräuterheilkunde bekannt war. Jetzt gibt es im Hotel z.B. einen Kräutergarten, und sowohl die Küche als auch der gesamte F&B-Bereich haben sich stark dem Thema Kräuter verschrieben. »Hier wird das Bedürfnis nach frischen, regionalen Zutaten und nach der Natur bedient, das bei Tagungsgästen und bei Kurzurlaubern vorhanden ist«, erklärt Brunhilde Fischer.

Gleich und Gleich gesellt sich gern

Um eine möglichst große Anzahl von potenziellen Gästen anzusprechen, versuchen Unternehmer gerne, mehrere Zielgruppen anzusprechen. Das kann gelingen, wenn deren individuelle Bedürfnisse zueinander passen. »Es kann natürlich nicht gut gehen, wenn ich versuche, Familien mit Singles, die Party machen wollen, in ein Konzept zu packen. Da sind die Bedürfnisse schlichtweg zu gegensätzlich«, stellt Gastronomieberater Thomas Schmidt aus Gessertshausen klar. »Kreuzfahrten sind ein gutes Beispiel dafür, dass es den Reedereien in den vergangenen Jahren gelungen ist, die Bedürfnisse von auf den ersten Blick ganz verschiedenen Zielgruppen erfolgreich unter einen Hut zu bringen.«

Wer ein Konzept für die Zukunft neu entwickeln möchte, dem rät Schmidt grundsätzlich dazu, wandelbar zu bleiben. Das heißt: »Ich empfehle bei der Einrichtung stets multifunktionale Lösungen, sodass ich meine Pläne im Notfall noch anpassen kann, wenn die Gäste die Idee dahinter nicht annehmen. Es ist ein Fehler, den ich oft beobachte, dass sich Gründer derart spezialisieren, dass sie im Fall, dass es nicht läuft, vor echten Problemen stehen.«

Treue Kunden – eine bedrohte Spezies

Wandelbar zu bleiben, ist ohnehin der wahrscheinlich beste Tipp, den man Unternehmern im Gastgewerbe für die Zukunft an die Hand geben kann. Die Zeiten sind vorbei, in denen die Familie jedes Jahr am selben Ort Urlaub gemacht hat. Denn gerade die nachwachsenden Generationen wollen ständig Neues erleben. Sich darauf zu verlassen, dass die Stammkunden das Haus schon füllen werden, ist deshalb langfristig betrachtet keine gute Strategie.

Und noch einen abschließenden guten Rat haben die Experten: Auch wer derzeit vor allem Baby-Boomer und Millenials beherbergt, sollte in puncto Digitalisierung bloß nicht den Zug verpassen. »Es ist noch nicht so, dass die ganze Welt von der ›Generation Youtube‹ beherrscht wird. Im Gegenteil. Diese Gruppe ist ja gerade noch viel kleiner als alle anderen – aber definitiv werden die Bedürfnisse der Digital Natives zwangsläufig mit der Zeit zu Veränderungen in allen Branchen führen«, sagt Karl-Heinz Mühlbauer.

Das raten die Experten:

Thomas Schmidt, Gastronomieberatung, Gessertshausen
Foto: Thomas Schmidt
Gastronomieberatung

Thomas Schmidt, Gastronomieberatung, Gessertshausen

Sicher kann man mit jeder Ziel­gruppe sein Geschäft machen, wenn man ihre Bedürfnisse erkennt und sie dementsprechend zielgerichtet anspricht. Dabei ist das Alter nicht immer das passende Kriterium zur Definition der Zielgruppe, weil die Grenzen hier immer mehr verschwimmen. Zeitgemäßer finde ich es, die Zielgruppen nach Wertehaltung und Lebensstilen zu unterteilen. Zum Beispiel können Baby-Boomer und Millennials wunderbar miteinander harmonieren, weil sie die gleichen Wertevorstellungen teilen und über eine gute Kaufkraft verfügen. www.tsu-training.de

 

 

Alois Gmeiner Der Werbe­therapeut Wien
Foto: Der Werbetherapeut

Alois Gmeiner, Der Werbe­therapeut, Wien

Es gibt nicht DIE lukrativste Zielgruppe für Gastronomen und Hoteliers. Tatsächlich kann der Unternehmer mit so ziemlich jeder Zielgruppe gute Geschäfte machen, wenn er ihren Geschmack trifft. Das beste Beispiel dafür sind Nischenhotels, z.B. für Hundehalter, Singles oder Senioren. Es gibt ja wirklich die verrücktesten Konzepte heute. Der Hotelier muss sich also überlegen, was er seinen Gästen anbieten kann, er braucht ein Angebot, das ihn von seinen Mitbewerbern deutlich absetzt. Ich nenne das »Hardcore-Nischen« identifizieren. Die Leute sind nicht mehr auf der Suche nach irgendeinem Hotel. Sie suchen immer häufiger nach dem besonderen Erlebnis. www.werbetherapeut.com

 

Brunhilde Fischer Unternehmermanufaktur für Hoteliers und Gastronomen GmbH Burghausen
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Brunhilde Fischer, Unternehmermanufaktur für Hoteliers und Gastronomen GmbH, Burghausen

Einen Königsweg, den man empfehlen kann, gibt es nicht. Momentan beobachten wir zwei Megatrends: Individualisierung und Digitalisierung. Jeder hat seine eigenen Bedürfnisse – oft unabhängig von demografischen Kriterien, wie Alter, Herkunft und Bildung. Andererseits bietet die Digitalisierung mit ihren Tools die Möglichkeit, die Bedürfnisse klar zu erfassen und zu klustern, um individualisierte Konzepte zu erarbeiten. Das heißt in der Konsequenz, genau hinzuschauen und zu entscheiden, was zu mir als Hotelier passt, zu meiner Positionierung und zu meiner Vision als Unternehmer. www.unternehmer-manufaktur.com

 

 

Karl Heinz Mühlbauer Geschäftsführer, panadress marketing intelligence GmbH
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Karl-Heinz Mühlbauer, Geschäftsführer, panadress marketing intelligence GmbH

Es ist nicht so, dass man sagen kann, es gibt Generationen, mit denen man reich wird, und solche, mit denen man nichts verdienen kann. Die Frage, die ich mir stellen muss, ist vielmehr: Wer bin ich und welche Zielgruppe passt zu meinem Produkt. Auch eine Überlegung wäre: In welcher Nische ist überhaupt noch Platz? Grundsätzlich muss sich der Unternehmer entscheiden, ob er sich an der Zukunft orientieren und die nachwachsenden Generationen ansprechen will, oder sich auf die Generation, die jetzt zwischen 40 und 60 Jahre alt ist, fokussiert. Gerade in dieser Altersgruppe ist in den nächsten Jahren, sogar Jahrzehnten, nach wie vor viel Kaufkraft vorhanden. www.panadress.de
Der Original-Text aus dem Magazin wurde für die Online-Version evtl. gekürzt bzw. angepasst.

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