Nachhaltig »to go«
Bitte zum Mitnehmen – so verpackt man zeitgemäß
von Petra SodtkeSchnell, gesund, bio: »To go« ist angesagter denn je. Die grüne Welle, die Kunden bei ihren Speisen einfordern, haben sie längst auf die Verpackungen ebendieser ausgedehnt – »Beyond Plastic« nennt Foodtrendforscherin Hanni Rützler diesen starken Trend in 2020. Wer als Gastronom heutzutage was auf sich hält, wählt für seine Gäste daher keine To-go-Verpackungen mehr aus dem in Verruf geratenen Kunststoff, sondern sucht eine »grüne« Alternative bspw. aus Bambus, Hanf, Bagasse aus Zuckerrohr, Palmblatt, Papier, Pappe, »Bio-Plastik«, essbare Varianten oder Ähnliches. Umweltschonend muss die moderne Verpackung sein. Genauso wichtig ist die Funktionalität: Mitnehm-Gerichte müssen wie bisher hygienisch, praktisch, sicher, flüssigkeitsdicht, stabil, leicht, handlich, optisch ansprechend verpackt sein und lang warm bleiben, um den Genuss wie frisch aus der Küche erhalten zu können. Welches innovative Material erfüllt diese Vorgaben am besten?
Plastik – nicht das Teufelszeug schlechthin
Das Thema ist weit komplexer, als es den Anschein hat, weiß die Hamburger Verpackungs-Designerin Maren Beele (www.albertson.de): »Es gibt nicht die eine, für alle Betriebe gültige Patentlösung. Die Wahl der Verpackung ist zunächst eine Kostenfrage. Bei Plastik-Alternativen wird noch viel geforscht und getestet. Und Plastik per se ist nicht ganz so schlecht wie sein Ruf.« Kunststoff hat ja auch viele Vorteile: Es ist vielseitig einsetzbar. Es hält Speisen länger frisch. Plastik-Alternativen sind in der Herstellung meist aufwendiger, brauchen mehr Energie oder sind so stark bearbeitet, dass auch sie die Umwelt belasten. Welches Verpackungsmaterial im Endeffekt besser ist, muss individuell durchgerechnet und mit anderen Aspekten in Relation gesetzt werden. Papier und Karton etwa werden aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz gefertigt, doch müssen der energieintensive Produktionsprozess und das Mehr an Material (ein Papiersack ist schwerer als eine Plastiktüte) dazugerechnet werden. Außerdem wird es nicht in allen Ländern fachgerecht recycelt. »Bio«-Plastik ist keinesfalls so grün, wie es scheint, und derzeit eher eine Scheinlösung: Es ist oft nur unter speziellen Bedingungen in der industriellen Kompostierung abbaubar. Greenpeace Deutschland betont, das Problem sei weniger das Material Plastik an sich, das produziert werde, sondern vielmehr der Umgang mit ihm. Alles steht und fällt mit der überbordenden Wegwerf-Mentalität der Menschen.
Hanf statt Styropor, zertifiziertes Frischfaserpapier aus der Region
Die umweltschonendsten Lösungen sind nach derzeitigem Stand: Verpackungsmaterial reduzieren, für fachgerechtes Recycling sorgen, Mehrweg-lösungen einführen. Nun ist Mehrweg in der To-go- Gastronomie nicht immer möglich. Was tun? Beele: »Man kombiniert z.B. Pappkartonagen mit einer wiederverwendbaren, optisch ansprechenden, gebrandeten Isolierbox, die man den Gästen im Pfandsystem zur Verfügung stellt. Die Kunden nehmen die Speisen mit, tauschen die Box beim nächsten Mal gegen eine hygienisch saubere aus. Eine sehr gute Lösung sind Isoliertaschen bzw. Thermosverpackungen aus Hanf/Jute, einer vollständig kompostierbaren Alternative zu Styropor und Blisterfolie, vom mit Innovationspreisen ausgezeichneten Unternehmen www.landpack.de«.
Beim beliebten Material Papier und Pappe empfiehlt Verpackungsexperte Klaus Hagen (www.messerle.at): »Bei der Auswahl von Zutaten für gesunde Gerichte bevorzugt man regionale
Zutaten. Genau dasselbe Prinzip gilt für die Wahl des zeitgemäßen Verpackungsmaterials: Erste Wahl sollte Frischfaserpapier, produziert in der EU aus nachhaltiger Landwirtschaft, FSC-zertifiziert, sein. Erst in zweiter Linie empfehle ich andere Materialien wie Bagasse oder Palmblatt – die sind zwar besser als Plastik, aber man muss weite Transportwege einberechnen. Genauso wichtig ist das korrekte Recycling. Wir haben eigens Labels auf unseren Verpackungen angebracht, die Kunden das Recyceln erleichtern: z.B. ›Restentleert: zum Altpapier, verunreinigt: zum Bioabfall‹.«
So wird Mehrweg sogar zum Geschäftsmodell
Wie konsequent Mehrweg im Gastro-Alltag funktionieren kann, zeigt Felix Urbanek in Wien. Sein Betrieb »Rex-Eat« liefert einmal pro Woche Speisen im Einmachglas (mit Pfandsystem) an seine Zielgruppe: Firmen. Die Gerichte sind vakuumiert, daher sind Bestellungen für die ganze Woche im Voraus möglich. Die Kunden bekommen einen eigenen Kühlschrank zur Verfügung gestellt, die Speisen wärmen sie selbst nach Bedarf in der Mikrowelle oder im Backrohr auf. »Wir haben uns mit Experten unterhalten, und wenn wir so weitermachen, vermeiden wir drei Tonnen Müll im Gegensatz zu anderen Lieferdiensten«, sagt Urbanek. Der Verkauf einzelner Gläser an Individualkunden würde sich derzeit wohl nicht auszahlen, erklärt er. »Vielleicht eröffnen wir eine Art Outlet, wo man sich seine Bestellungen selbst holen kann.« Urbanek hat erkannt: Mehrweg ist machbar – aber man muss clever abwägen, die grüne Lösung darf nicht das Budget des Betriebs sprengen und hat ihre Grenzen.
Abwägen! Einweg kann durchaus mal besser sein
Auch beim Global Player McDonald’s weiß man natürlich einen kühlen Kopf zu bewahren und genau durchzurechnen. Eine Pressesprecherin von McDonald’s Deutschland sagt im Interview mit HOGAPAGE: »Unser Ziel im Rahmen unserer Verpackungs-Roadmap ist es, uns Schritt für Schritt sehr genau anzuschauen, wo bspw. der Einsatz von Mehrweg sowohl aus ökologischen als auch wirtschaftlichen Gründen sinnvoll ist, wo wir auf Einweg verzichten können und wo nachhaltiges Verpackungsmaterial zur Verfügung steht.« McDonald’s Deutschland arbeitet aktuell im Rahmen eines Fahrplans zur Reduktion von Plastik und Verpackungen an verschiedenen nachhaltigen Lösungen, verrät sie: 2019 wurden etwa deutschlandweit Luftballonsticks aus Plastik durch eine Papiervariante ersetzt, die 4er Chicken McNuggets statt wie bisher in der Box in Papiertüten ausgegeben (Materialersparnis). Im Testlauf befindet sich ein Becherpfandsystem RECUP für To-go-Kaffee. 2020 will man auch die Desserts (McFlurry, McSundae, Shakes) umstellen und nahezu plastikfrei anbieten.
Wie zukunftsweisendes und gleichzeitig auch ökologisches Einmalgeschirr aussehen kann, beweist der Spezialist Papstar, der seine neue »Pure«-Serie auch auf der Internorga vorstellt. Die Teller und Schalen bestehen zu 100 Prozent aus Agrarresten wie Reisstroh, Bananen- und Zuckerrohrstaudenblättern, die als Teil der Ernte anfallen. Das Einmalgeschirr ist vollständig biologisch abbaubar, die Teller und Schalen sind lebensmitteltauglich und in unterschiedlichen Größen und Formen erhältlich. »Mit unserem Pure-Geschirr präsentieren wir eine zukunftsweisende Neuheit, die nicht nur ökologische Vorteile hat, sondern den Farmern auch eine weitere Einnahmequelle bietet, die nachhaltige Landwirtschaft fördert und die Luftverschmutzung durch Verbrennen vermeidet«, sagt Wolfgang Küpper, Marketingleiter von Papstar.
Die beste Lösung funktioniert nicht ohne den Gast
Wenn man die optimale Verpackungslösung für seinen Betrieb gefunden hat, hat man noch zwei weitere Punkte abzuarbeiten: Erstens die Frage nach der Optik (siehe Interview mit Maren Beele). Und zweitens: die Frage nach der Kundenakzeptanz. Trend-Studien definieren den modernen Gast richtigerweise als einen besonders kritischen Geist, der Umweltschutz-Maßnahmen vehement einfordert. Was derartige beschreibende Studien nicht berücksichtigen, ist eine allzu menschliche Eigenheit als nicht zu unterschätzende Einflussvariable: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. So sehr er von der Notwendigkeit von Änderungen überzeugt sein mag, sein Gehirn sträubt sich gegen jede Routineabweichung – man denke an die selten umgesetzten Neujahrsvorsätze. Für Gastronomen heißt das: Wer Veränderungen (wie etwa neue Verpackungslösungen) einführen will, macht das besser nicht radikal, sondern schrittweise – und testet vorab, wie weit er jeweils gehen kann.
Das weiß auch McDonald’s Deutschland: »Nicht überall gibt es eine perfekte Lösung. Bei vielen alternativen Verpackungen gibt es neben operativen Hürden im Restaurantalltag auch Vorbehalte der Gäste, die ein Stück weit ihre Gewohnheiten an neue Prozesse anpassen müssen. Die Gäste auf dem Weg zu möglichen Veränderungen mitzunehmen, ist entscheidend, denn nur wenn sie neue Lösungen akzeptieren, sind diese auch dauerhaft möglich und damit nachhaltig«, verrät eine Pressesprecherin.
Nachgefragt bei Maren Beele
»Weniger ist mehr«
3 Fragen an die Verpackungsdesignerin Maren Beele (Albertson Markenbande)
1. Warum sind denn ansprechende Verpackungen überhaupt wichtig?
Sie sind das Aushängeschild eines jeden Betriebes – der Teil des Restaurants, den der Kunde eine gewisse Zeit mit sich führt und dann zu Hause, im Büro etc. vor sich stehen hat. Hier wird die Marke tatsächlich gelebt und verbreitet.
2. Was sind Ihre wichtigsten Tipps für eine zeitgemäße und optisch ansprechende Verpackungslösung?
Eine gute Verpackungslösung sollte einfach handhabbar sein, der Devise »weniger ist mehr« folgen und umweltfreundlich sein – so wenig Plastik wie möglich – wenn, dann idealerweise »reusable«/wiederverwendbar – und nur so viel Material wie nötig, also nicht mit unnötig
vielen Folienschichten verpacken. Wiederverwendbarkeit ist auch aus einem weiteren Grund clever: Wenn die Packung gebrandet ist, verbreitet sich die Marke auch durch häufigeren Einsatz. Starbucks Reusable To-go-Becher haben dies z.B. vorgelebt. Was die Optik betrifft, gibt es diese einfache Richtlinie: Man wähle ein möglichst umweltschonendes, naturbelassenes Material, darauf kommt ein zum Betrieb, Logo, zur Zielgruppe passender Schriftzug und Farbe. Nicht übertreiben, weniger ist mehr! Hier dienen McDonald’s-Verpackungen als gute Inspirationsquellen.
3. Ein Best-Practice-Beispiel für eine gelungene, moderne Verpackungslösung?
Die Pommes-Tüte »Pocketchup« mit separatem Saucen-Fach halte ich für eine ausgezeichnete Idee – handlich, praktisch und optisch ansprechend. Es handelt sich um eine studentische Arbeit, die zum iF concept design award 2013 eingereicht wurde.