Mein Betrieb, meine Bühne
Richtig einrichten: die In- und Outdoor-Möbel-Trends 2020
von Petra SodtkeWie schön wäre es, gäbe es ein Patentrezept in der Art: Man kaufe sich neue, angesagte Möbel und setze auf jenen Trend, und schon hat man den Erfolgsgaranten für eine stilvolle Einrichtung, von der man viele Jahre etwas hat und die bei der Kundschaft bestens ankommt. Nun, die schlechte Nachricht: Dieses allgemein gültige Rezept gibt es nicht. Zu viele individuelle Komponenten entscheiden über das Endergebnis mit: Beschaffenheit des Gebäudes, regionaler sowie budgetärer Rahmen, Persönlichkeit/Stil der Hausherren, generelle Ausrichtung (hip-modern, nachhaltig etc.), die eigene(n) Zielgruppe(n) u.v.m. Die gute Nachricht: »Es gibt Dinge, die Kunden langfristig begeistern, und grundlegende Richtwerte und Tipps, an die man sich halten kann, um sein Hotel oder Restaurant ansprechend neu zu gestalten«, weiß Einrichtungsprofi Josef Hartl (www.gastrodesign-hartl.at).
Tipp 1: Kleines Budget, maximale Wirkung – so wird’s möglich
Dabei ist ein großes Budget sicher nicht die ausschlaggebende Erfolgskomponente. Im Gegenteil, wer clever vorgeht, muss hohe Ausgaben nicht fürchten. So wie das Stefan Grosse, Geschäftsführer des Münchner Traditionshauses Blauer Bock, geschafft hat. In mehreren Etappen (2014 das Hotel, 2017 das Restaurant) unternahm er behutsam Umgestaltungen und widerstand dabei der Versuchung einer Radikalkur – eine gute Vorgehensweise bei einem geschichtsträchtigen Anwesen mit vielen Stammgästen. Das Fresh-up des 3-Sterne-Hotels gelang trotz enger Budgetvorgaben mittels eines Konzepts im variablen Baukasten-Prinzip, das den Einbau von 44 individuellen Zimmern bei laufendem Hotelbetrieb ermöglichte. Die Zutaten: hochwertige wie kostenbewusste Möbel, schlichte, funktionale Lösungen, Fokus auf Wohlfühl-Materialien.
Grosse: »Ziel war es, unser Image zu kommunizieren: Wir wahren Traditionen und sind trotzdem sehr präsent im Hier und Jetzt.« Das ist durch die Anwendung dieser Richtlinie für ein stimmiges Ganzes gelungen: Man stellt einen Bezug zur »Persönlichkeit« des Hauses (hier: Tradition), zur Region und zum Stil des Hausherrn (hier: geradlinig, puristisch) her und verknüpft diese Bezüge über Möbel, Deko, Farben usw. miteinander. Ergebnis im Blauen Bock: Tradition im zeitgenössischen Gewand, ohne dabei ewig gestrig oder zu ernst zu wirken.
Tipp 2: Einmal ist keinmal: den Kunden stets überraschen
Einmal den Betrieb alle zehn Jahre groß auffrischen, das reicht leider nicht. Innenarchitekt Joachim Jacobi (Gastrodesign Hartl) rät: »Der Kunde muss merken, dass sich im Betrieb immer jemand kümmert. Mein Tipp: regelmäßig Kleinigkeiten ändern! Dafür sollte man wenigstens von Zeit zu Zeit zeitgemäße Trend-Teile einfügen oder austauschen, um den Gast zu überraschen.« Instant-Maßnahmen sind z. B.: Deko-Objekte/Bilder saisonal austauschen, neue Wohlfühl-Akzente setzen (Kissen in warmen, natürlichen Farben, weiche Oberflächen wie Samt, Wolle, Filz).
Josef Hartl: »Mit wenig Kostenaufwand und viel Wirkung kann man auch Sitzmöbel neu beziehen, neue Vorhänge oder Jalousien anbringen, bei Materialien, Beleuchtung, Farb- oder Wandgestaltung variieren.«
Inspirierende Ideen direkt aus der Praxis gibt es wieder beim Best-Practice Beispiel Stefan Grosse: Im Restaurant Blauer Bock ließ er u.a. die Wände und Decken umstreichen, an den Wänden Foto-Objekte in Kooperation mit Hubertus Prinz zu Hohenlohe anbringen, ein neues Stoff-und Farbkonzept entwickeln, die Polsterstühle neu beziehen und ein Highlight mittels eines großen Tisches in der Raummitte installieren. Hartl: »Egal, was und wie viel man ändert, die Zielgruppe stets mitberücksichtigen: Was interessiert sie? Womit fühlt sie sich wohl?« Zum Beispiel vertragen sich schwere Vorhänge und junges Publikum nicht.
Stark im Trend ist die Retro-Formen-sprache
Tipp 3: Möbel sind nicht gerne Einzelgänger
In vielen Betrieben oft stiefmütterlich behandelt: die Beleuchtung. Ein grober Fehler, weiß Innendesigner Jacobi: »Mit einer geschickt eingesetzten Beleuchtung setzt man Möbel und Deko-Objekte erst richtig in Szene. Und wirkt auf das Wohl-befinden der Gäste ein.« Als Faustregel gilt: Man kombiniere funktionales Licht (Grundlicht: zur gleichmäßigen Ausleuchtung eines Raumes, Zonenlicht: zum Setzen von Akzenten) mit dekorativem Licht (Stimmungslicht: etwa an der Wand, im Fußboden, nach oben leuchtende Uplights mit farbigem Licht). Auch hier gilt: Schon kleine Veränderungen bei der Beleuchtung können viel bewirken, »z.B. LED-Streifen auf Banklehnen«, sagt Jacobi.
Mit dem richtigen Zusammenspiel von Möbelstücken und Beleuchtung lassen sich sogar architektonische Mängel ausgleichen. Hartl: »Will man einen kleinen Raum optisch vergrößern, helfen Sitzmöbel mit niedriger Lehne, helle Farben, Spiegel an der passenden Stelle, Vorhanggestaltung mit halbtransparenten Stoffen, indirekte Beleuchtung wie Lichtleisten, LED-Stripes.« Merksatz: Möbel sind nicht gern Einzelgänger. Selbst formschöne Designer-Möbel, die für sich sprechen, wirken in der (richtigen) Gesellschaft noch mal so schön. »Daher sollte man auf die genaue Abstimmung von Material, Beleuchtung, Funktion, Farben bei der Einrichtung stets achten und sich diesbezüglich vor dem Kauf gut beraten lassen«, rät Hartl.
Tipp 4: Trends für drinnen – zurück in die Zukunft
Wer gerade (neu) einrichtet, will meist wissen: Was liegt denn derzeit im Trend? Das erfährt man am besten vor Ort bei der für die Branche tonangebenden Einrichtungsmesse Salone del Mobile in Mailand. Hotel- und Gastronomie-Einrichter Maurus Reisenthel von GO IN fasst für HOGAPAGE zusammen: »Stark im Trend ist die Retro-Formensprache: große Sitz- und Rückenflächen, die mit schlanken, teils filigranen Metallgestellen aus Rundrohr kombiniert werden, aufwendig geformte Sichtfurnier-Flächen. Dazu kombiniert man Tisch-, Stuhl- und Hocker-Gestelle in Messing-, Kupfer- und Goldtönen oder den Industrial-Style.« Holz bleibt weiterhin angesagt (vielseitig, natürlich), Akzente setzt man heute mit starken Farben: Petrol, Grün, Türkis, Senf, Coral, Rot-Töne. Der Purismus von gestern erfährt eine Auflockerung durch geometrische und Retro-Muster (Zurück in die 70er, 80er) und durch die spielerische Kombi von Materialien, Formen und scheinbaren Gegensätzen (Holz mit Kunststoff, Metall mit Polster, Metall mit Holz, ausladende Formen und Flächen mit filigranen Elementen).
Außerdem brechen traditionelle Strukturen immer mehr auf, sagt Stephanie Giegerich (GO IN): im Hotel durch das Wegfallen einer klaren Abgrenzung verschiedener Zonen (Open-Lobby-Idee). Im Restaurant durch unterschiedliche Höhen: Lounge-, Esstisch-, Stehtischhöhe. An hohen Wangentischen mit Barhockern kann man am Laptop arbeiten, morgens frühstücken, tagsüber einen Kaffee genießen. Kleine eckige Mittelfuß-Tische lassen sich für zwei Personen nutzen und bei Bedarf zu einer längeren Tafel zusammenschieben. Nicht zuletzt im Trend: Der Gast will sich »wie daheim« fühlen. Giegerich: »Dazu tragen Community-Tische im Restaurant, lockere Sitzecken zum Chillen, Bücherwände im Café bei.« Tipp: Trends spiegeln den Zeitgeist wider. Sie sind Wegweiser und Inspirationsquelle (Welche ausgewählten zeitgemäßen Teile passen zu meinem Betrieb?), sollten aber nicht eins zu eins kopiert werden. Inspirieren lassen kann man sich in den Trend-Welten der Schauräume der großen Gastro-Ausstatter, die es in vielen Städten gibt.
Tipp 5: So findet man die richtigen Outdoor-Möbel
Was den Außenbereich betrifft, hat man die Qual der Wahl. Zwei große Trends herausgegriffen: elegante, wohnliche Stühle, Tische und Lounge-Möbel (Stichworte: Chillen, Sich-zu-Hause-Fühlen) und die Outdoor-Klassiker in Flechtoptik, die sich 2020 in neuer Aufmachung zeigen (mit breiten, geflochtenen Gurten, aufgerauten Oberflächen mit natürlicher Haptik). Ideal sind Möbel, die einen Brückenschlag zur Einrichtung im Innenbereich herstellen, rät Giegerich: »Entweder, indem man sich für einen bestimmten Look entscheidet und diesen konsequent innen und außen durchzieht. Mittlerweile gibt es viele Outdoor-Stühle, die Stuhlklassikern aus dem Innenbereich nachempfunden, aber aus wetterfestem Material gearbeitet sind. Oder man wählt für den Außenbereich einen eigenen, in sich stimmigen Stil und stellt durch eine bestimmte Farbe die Verbindung zwischen außen und innen her.«
Außerdem wichtig beim Kauf: »Outdoor-Möbel sollen UV- und witterungsbeständig sein. Schattige Bereiche oder Sonnenschirme sorgen dafür, dass das Mobiliar länger hält«, rät Joachim Hagen (objekt-m). Sonnenschutz ist Teil der Außeneinrichtung, er schützt Gäste wie Mobiliar. Tatjana Lührs (Warema): »Die Terrasse sollte man zum wertigen Erlebnis- und Wohlfühlort machen, so bleibt der Gast gern länger. Regen- und Sonnenschutz in einem, am besten mit Zusatzfunktionen wie Licht, Heizung, automatisiertes Fahren des horizontalen und vertikalen Sonnenschutzes, ist der stärkste Garant für gute Umsätze in der Außengastronomie.«
Nachgefragt bei GO-IN-Einrichtungsexpertin Stephanie Giegerich
Wie kann man Räumlichkeiten ansprechend und gastfreundlich einrichten?
»Wichtig ist ein in sich stimmiges Konzept, das sich wie ein roter Faden durch alle Bereiche zieht. Ein bisschen von allem ist sicher nicht die Lösung. Besser ist es, ein Thema zu wählen und das konsequent zu verfolgen. Erst wenn Einrichtung, F&B-Angebot, Musik und Licht zueinander passen, entsteht ein authentisches Gesamtbild. Gastronomen sollten sich auf jeden Fall im Vorfeld darüber im Klaren sein, welche Gästegruppen sie ansprechen und welche Botschaft sie an den Gast senden möchten. Natürlich sollten auch das Budget und die zur Verfügung stehende Manpower in die Überlegungen mit einfließen. Erfolgreiche Konzepte zu imitieren, ist keine Lösung, aber sich bei einer kleinen ›Trendtour‹ inspirieren zu lassen, kann durchaus hilfreich sein.«
Welche typischen Einrichtungs-Fehler sollte man vermeiden?
»Beim Einrichtungskonzept sollte man unabhängig vom Design der Möbel immer auch wichtige Grundregeln in Hinblick auf die Funktionalität berücksichtigen. Quadratische Tische beanspruchen etwa weniger Platz als runde Modelle. Tische mit Mittelsäule erlauben eine flexiblere Anordnung der Stühle und behindern die Gäste nicht beim Aufstehen. Tisch-Bank-Kombinationen sind besonders platzsparend. Eine Lounge-Ecke – sofern der Platz vorhanden ist – stellt die ideale Ergänzung zu Tischen und Stühlen dar. Stehtische, kombiniert mit Barhockern, lockern das Gesamtbild auf.«
Mit welchen Kosten muss ein Einsteiger rechnen?
»Beim Thema Sitzmöbel und Tische sollte man bei einem schlüssigen Konzept nicht sparen, schließlich ist das der erste und dauerhafteste Eindruck, den der Gast vom Objekt hat. Sinnvoll ist es, pro Sitzplatz mindestens 150 Euro einzuplanen, um eine entsprechende Qualität sicherstellen zu können. Was hiervon gekauft oder geleast wird, hängt vom Businessplan des Gastronomen ab.«