Die Rechnung wird immer mit dem Wirt gemacht
Digitale Bestellsysteme auf dem Prüfstand
von Michael EichhammerLieferdienste haben es vorgemacht, doch in den Zeiten der Pandemie-Restriktionen entdeckten auch klassische Restaurant-Konzepte das Take-away-Geschäft für sich, ebenso wie die Selbstabholung von bestellten Gerichten durch die Gäste. In Phasen der lockereren Corona-Auflagen als Ergänzung zum herkömmlichen Geschäft – und in Phasen der kompromisslosen Lockdowns als letzte Bastion, um trotz geschlossener Betriebe überhaupt noch wirtschaftlich bestehen zu können. Dazu kommt: Wer für seine Gäste nicht mehr präsent ist, wird vergessen. Egal ob »Lockdown light« oder »Lockdown ultrahart«: Wer in diesen stürmischen Zeiten auf Lieferung und Abholung seiner Gerichte setzt, macht keine Freudensprünge über den Gewinn, tut aber gleichzeitig, was nötig ist, um die Kundenbindung aufrechtzuerhalten. Denn nur so bleibt man in den Köpfen der Kunden. Und Liebe geht bekanntlich durch den Magen ...
Um technisch für diese neue Situation gewappnet zu sein, benötigt man digitale Tools wie ein Online-Bestellsystem. Bestellungen per Telefon gelten längst als aus der Mode. Zumal der Bestellvorgang auf diese Weise für den Gastgeber ebenso umständlich ist wie für den Kunden. Eine eigene App oder ein neues Feature eigens für die bestehende Webseite programmieren zu lassen, ist für die meisten zu kostenintensiv. Doch selbst wer die finanziellen Ressourcen dazu hat, verliert mit so einem Projekt viel zu viel kostbare Zeit. Eine Alternative wäre eine provisionsbasierte Kooperation mit einem Anbieter im Lieferservice-Geschäft.
Wer sich dafür entscheidet, verzichtet jedoch auf einen Teil der Einnahmen. Je bekannter der Anbieter (beispielsweise Lieferando), desto höher wird die Provision sein – und desto geringer die eigene Marge für den Gastgeber. Alternativen sind digitale Bestellsysteme, in die man zunächst investieren muss, bei denen man aber das Zepter nicht aus der Hand gibt. Langfristig sollten sich die Kosten natürlich amortisieren. Last but not least gibt es auch noch Anbieter von kostenlosen Bestellsystemen. Christian Bauer, Geschäftsführer der resmio GmbH, empfiehlt, die digitalen Geschäftsprozesse in die eigene Hand zu nehmen: »Bei der Wahl des Bestellsystems sollten Restaurantbetreiber darauf achten, dass sie ihr kostbarstes Gut nicht verspielen: die Gästedaten.«
Direkt vernetzt mit Google
Anbieter wie resmio erlauben es dem Gastgeber, auch ohne Programmierkenntnisse intuitiv ein Bestellsystem zu nutzen, mit dessen Hilfe man Take-away- und Liefer-Dienste anbieten kann. Laut firmeneigenen Angaben sollte die benutzerfreundliche Einrichtung auf der eigenen Webseite nicht mehr als 15 bis 30 Minuten dauern. Das liegt unter anderem daran, dass die bereits bestehende Speisekarte einfach importiert werden kann. Änderungswünsche an Gerichten lassen sich schnell einpflegen, um das Angebot stets aktuell zu halten. Die Anbindung an Google Food Ordering soll die Reichweite erhöhen. Neue Gäste ohne Mehraufwand klingt traumhaft? Technisch funktioniert das wie folgt: Die Integration des Google-Bestellangebots erlaubt den Zugang zu Kunden, die direkt bei Google bestellen. Mit Google hat man einen starken Partner an der Seite, denn hungrige User, die sich im Web nicht gezielt an ein bestimmtes Restaurant oder einen Lieferdienst wenden, gehen gern über Google auf »Nahrungssuche« – über eine Google-Suche, den Google-Assistenten oder – beim Recherchieren von ortsnahen Angeboten über Google Maps. All diese Bestellmöglichkeiten über Google sind beim resmio-Online-Bestellsystem automatisch inbegriffen.
Mitbewerber Tobit Software bietet mit »wayter« ein digitales Bestell- und Bezahlsystem, welches den Onlineshop des Gastronomen ebenfalls in Form einer digitalen Speisekarte darstellt. Optimiert für mobile Geräte, können Gäste von ihrem Handy aus direkt bestellen und bezahlen. »Wer sich jetzt neu erfindet, hat nicht nur eine Überlebenschance, sondern enormes Wachstumspotenzial«, ist Dr. Mirco Till, Geschäftsführer der Gastro-MIS GmbH, sicher. Er nennt Beispiele: »Eine simple PDF-Speisekarte wandelt sich zum 360-Grad-Steuerungselement des ganzen Betriebs mit digitaler Speisekarte, Bestellfunktion von zu Hause oder am Tisch, automatischer Bon-Ausgabe in der Küche, automatischer Abrechnung in der Kasse mit GoBD-konformer Buchführung, Wareneinsatz-Planung für kleine Lagerbestände und nicht zuletzt auch Neukundenakquise-Instrument.«
Das firmeneigene Produkt AmadeusGo von Gastro-MIS lässt sich einfach in die bereits bestehende Webseite des eigenen Betriebs einbinden. Per Knopfdruck lässt sich die Bestellservice-Speisekarte generieren. AmadeusGo holt sich hierzu die Gerichte, welche der Gastronom im Rahmen des Bestellservices anbieten will, automatisch aus den Stammdaten seiner Kasse. Optional lassen sich im Anschluss Preise ändern oder Bilder und Informationen wie Allergene ergänzen. Die Bestellungen werden – ebenfalls automatisch – sowohl von der Kasse erfasst als auch von der Bestellverwaltung. Bei Kassenbuchanbindung ist auch die Buchhaltung automatisch mit im Boot.
Bargeld- und kontaktlos
Ist ein Bestellsystem mit dem Warenbestand vernetzt, wird bei jedem Aufruf der Speisekarte der aktuelle Bestand geprüft. Während Kunden früher frustriert waren, wenn sie nach ihrer Wahl erfuhren, dass ein Gericht »leider ausverkauft« sei, ist dieser Ärger in der digitalen Ära nicht mehr möglich: Fehlen Zutaten für ein Gericht, taucht dieses in Echtzeit gar nicht mehr in der digitalen Speisekarte als Angebot auf. Viele Bestellsysteme haben zudem die Option, flexibel und in Echtzeit auf das Tagesgeschehen einzugehen: Sind zu Stoßzeiten viele Bestellungen offen, hat der Gastronom die Möglichkeit, von der Einstellung »normale« auf »hohe Auslastung« zu wechseln.
Bar oder mit EC- beziehungsweise Kreditkarte? Das kann der Gastronom bei den wichtigsten Bestellsystemen ebenso selbst entscheiden wie die Frage, ob die Zahlung bei Abholung oder Lieferung fällig wird oder bereits bei der Bestellung als verpflichtend gilt. Eine moderne Option neben der Kreditkarte ist das Bezahlen per PayPal, ferner Google Pay oder Apple Pay. Die Bezahloption per PayPal hat aus unternehmerischer Sicht den Vorteil, dass eine Bezahlung schon vor der anschließenden Warenausgabe verpflichtend ist.
Bestellsysteme bleiben auch nach der Pandemie wichtig
Kein Bargeld, wenig Kontakt und keine Papierspeisekarten – die digitalen Bestellsysteme sind wie geschaffen für die Corona-Situation. Doch muss man kein Prophet sein, um zu ahnen, dass Services wie Lieferung und Take-away auch langfristig als Ergänzung zur Bewirtung vor Ort ein Teil des gastronomischen Gesamtkonzepts vieler Betriebe bleiben werden. Auch digitale Bestellsysteme und Speisekarten werden in der Zeit »nach Corona« bleiben. Und das nicht nur wegen der Liefer- und Abhol-Option: Manche Anwendungen lassen sich nämlich auch unabhängig von Take-away und Lieferservice beibehalten. Beispielsweise bieten die digitalen Lösungen dem Gast die Möglichkeiten, schon von zu Hause aus einen Tisch zu reservieren, die Wunschgerichte bereits vorab zu bestellen oder auch schon vor dem Besuch zu
bezahlen und dennoch im Restaurant zu speisen.
Ein Plus an Komfort
Ein klarer Zugewinn an Komfort – nicht nur für den Gastgeber, sondern auch für digitalaffine Kunden und alle Gäste, die vor Ort Zeit sparen wollen – oder müssen. Der Business-Mittagstisch wäre also eine der Situationen, in denen dieses Szenario Sinn ergibt. Auch Self-Ordering im Lokal ist möglich. Nicht nur im Fastfood-Bereich: Auch in einem klassischen Restaurant kann eine Inhouse-Bestellung vom Tisch aus dem Gast einen futuristischen, neuen Gastronomie-Eindruck bescheren. Indem er beispielsweise einen QR-Code am Tisch vorfindet, den er mit dem Handy einscannen kann und so automatisch die digitale Speisekarte des Hauses auf dem eigenen Gerät aufruft. Die Variante mit dem QR-Code ist für die Gäste in der Regel mit weniger Berührungsängsten verbunden als wenn eigens fürs Bestellen eine App installiert werden müsste. Auf dem Bestellterminal an der Theke oder in der Küche erscheint die Bestellung, wird bestätigt, und ein Bon wird ausgedruckt, der für den Service zum Tisch bestimmt ist. Viele Systeme erlauben es den Gästen im nächsten Schritt, direkt per Handy zu bestellen und auf Wunsch auch direkt zu bezahlen – bargeldlos oder auch komplett kontaktlos. Selbst ein Beleg für den Gast lässt sich digital erstellen, der diesem als Download auf dem Smartphone angeboten werden kann.
Neben der neuen Erfahrung für die Gäste bietet dieses Konzept auch dem Gastgeber einen Mehrwert. So lässt sich zum Beispiel oft festlegen, ab welchem Betrag er eine Zahlung per Vorkasse wünscht. Neben der finanziellen Sicherheit bieten Vorbestellungen auch eine bessere Planbarkeit für die Küche. So reduzieren sich die Wartezeiten für den Gast, während der Gastgeber sich zusätzlich darüber freut, dass er den jeweiligen Tisch wieder schneller besetzen kann. Außerdem wird auf diese Weise das Personal entlastet und viele Laufwege werden drastisch eingespart: Das Servicepersonal erscheint lediglich zum Servieren des Essens am Tisch. Ein weiterer Vorteil für das Personal: Es kann sich über mehr Trinkgeld freuen. Warum digitale Bestellsysteme dazu führen können, dass Gäste spendabler sind? In der gastronovi Software beispielsweise ist ein Trinkgeld-Satz von 10 Prozent, der vom Gast optional genutzt werden kann, bereits voreingestellt. Viele Gäste nehmen erfahrungsgemäß diese Voreinstellung an. Ebenfalls beobachten viele Gastwirte, dass die digitalen Bestellmöglichkeiten dazu anregen, schneller und mehr zu bestellen als auf dem klassischen Weg.
Wer sich jetzt neu erfindet, hat nicht nur eine Überlebens-chance, sondern enormes Wachs-tumspotenzial
Digitale Speisekarten – Web-Shops –, über die die Gäste nicht nur von zu Hause, sondern auch im Restaurant, mit ihrem eigenen Smartphone, bestellen und direkt bezahlen, gibt es eigentlich schon seit Jahren. »Für viele Gastronomen kamen sie bisher nicht in Frage, weil sie der Meinung waren, dadurch den Kontakt zum Gast zu verlieren und damit die Gastlichkeit«, sagt Dieter van Acken, Marketing Communication Manager bei Tobit Labs AG, dem Anbieter von »wayter«. Aus seiner Sicht ist das Gegenteil der Fall: »Der Gast wird schneller bedient, der Service hat mehr Zeit für die Gastlichkeit«, erklärt er.
»Über die Corona-Pandemie hinaus werden digitale Bestellvorgänge deutlich an Relevanz gewinnen«, ist gastronovi-Geschäftsführer Andreas Jonderko sicher. »Ob Vorbestellungen von zu Hause, Liefer- und Take-away-Service oder Inhouse-Bestellungen über eine digitale Speisekarte – Gäste lieben es, wenn sie einfach, unkompliziert und ortsunabhängig Bestellungen aufgeben können.«