Der Weg zu mehr Mehrweg
Neues Jahr, neue Regeln: Seit Anfang 2023 muss die Außer-Haus-Gastronomie Mehrwegverpackungen anbieten
von Michael EichhammerFür die Umwelt ist das neue Mehrweggesetz eine gute Nachricht. Doch für Gastgeber bedeutet es einen Mehraufwand. Der erste Schritt ist, sich gut über die Änderungen zu informieren, die bereits ab dem 1. Januar 2023 in Kraft getreten sind. So wie sich mehrere Systeme für wiederverwendbare Coffee-to-go-Becher in der Praxis durchgesetzt haben, soll dies in Zukunft auch für andere Außer-Haus-Behältnisse gelten. Bereits seit Juli 2021 sind die Herstellung und der Handel mit Wegwerfprodukten aus Plastik in der EU verboten. Dies umfasst auch To-go-Becher und Einweg-Lebensmittelbehälter aus Styropor. Seit 2023 dürfen Gastronomen zwar weiter Einwegbehälter für Speisen und Getränke anbieten, wenn diese aus nachwachsenden Rohstoffen wie Palmblättern und Pappe bestehen, müssen aber seit Januar Mehrwegbehälter für Getränke und Speisen als Alternative anbieten.
Neue Regeln im Detail
„Wir waren erstaunt, dass 63 Prozent der Befragten sich kaum, gar nicht oder unzureichend über die Inhalte und Auswirkungen des neuen Verpackungsgesetzes informiert fühlen“, berichtet Axel Gelhot, Marketingchef bei der Duni Group, nach einer Umfrage unter Gastronomen. Über die Hälfte der Betriebe hatten noch im September 2022 keine konkrete Lösung für die anstehende Umstellung gefunden. Es sei „noch viel Aufklärungsarbeit und Hilfestellung nötig“, so Gelhot.
Die deutsche Verpackungsnovelle ist die erste in dieser Form in Europa – in der Hoffnung, dass dieses Beispiel Schule machen wird. Festgelegt im Verpackungsgesetz sind Regularien, die Gastronomen kennen müssen. Damit Mehrweg und Einweg die gleichen Chancen auf Akzeptanz bei der Kundschaft haben, dürfen Essen und Getränke in Mehrweg nicht teurer sein als in Einwegverpackungen. Auf Mehrwegverpackungen darf aber ein Pfand erhoben werden. Betriebe müssen die Mehrwegverpackungen, die sie ausgeben, auch wieder zurücknehmen. Schmutzige müssen sie getrennt sammeln, sie dürfen nicht in die Nähe von Lebensmitteln gestellt werden. Gut sichtbare Informationen zum Thema müssen im Betrieb angebracht und für die Kunden gut lesbar sein.
Ausnahme bestätigt die Regel
Wie immer im Leben gilt auch für die Mehrwegangebotspflicht: keine Regel ohne Ausnahmen. Im „Kleingedruckten“ der Mehrwegangebotspflicht ist zu lesen: „Ausgenommen von der Pflicht sind kleinere Betriebe.“ Was „klein“ ist, hat die Bundesregierung wie folgt definiert: Von der Pflicht zum Mehrweg-Verpackungsangebot ausgenommen sind „kleine Betriebe – etwa Imbissbuden – mit maximal fünf Beschäftigten und maximal 80 Quadratmetern Verkaufsfläche“. Kleine Betriebe sind allerdings ebenfalls in einer Bringschuld: Sie sollen ihren Kunden die Möglichkeit bieten, Speisen und Getränke in selbst mitgebrachten Behältern abfüllen zu können.
Über diese Möglichkeit muss der Kunde auf „gut sichtbaren und lesbaren Informationstafeln“ aufgeklärt werden. Der Gastronom ist dafür zuständig, dass die geltenden Hygienebestimmungen beim Befüllen der Kundengefäße eingehalten werden.
Chancen für den Gastronomen
Wer nun als Gastronom seufzt, übersieht die Chancen, die in dem Wandel stecken. Zum einen wächst bei den Kunden das Bewusstsein für Nachhaltigkeit deutlich. Damit einher geht der kritische Blick der Kunden auf den Umgang der Gastgeber mit dieser Thematik. Gastronomen, die sich regelkonform verhalten und dies nach außen transparent zeigen, können dies als kostenlose Image-Kampagne für sich nutzen und sich als Unternehmen darstellen, welches umweltbewusst für eine nachhaltige Zukunft agiert.
Zudem kann man Geld einsparen – zumindest langfristig. Ein Mehrweggefäß ist zwar in der Anschaffung teurer als eine Einwegverpackung, kann dafür aber mehrere hundert Male eingesetzt werden. Auch bedeutet das neue Prozedere einen spürbaren Handhabungsaufwand bei der Warenausgabe und Verpackungsrücknahme. Der Spareffekt tritt also nur ein, wenn die Verpackung häufig genutzt wird. Entsprechend spricht auch betriebswirtschaftlich alles dafür, den Kunden die Mehrwegverpackungen schmackhaft zu machen. Eine direkte Kundenansprache kann, ergänzend zu sichtbaren Infotafeln, Flyern etc., helfen. Ebenso sind Rabattaktionen sinnvoll, um die Mehrweglösung zu etablieren.
Unüberschaubares Mehrwegangebot?
Der Markt der Poolsystem-Anbieter für Mehrwegverpackungen ist auf den ersten Blick unübersichtlich: Unterschiedliche Nutzungskonditionen und Eigenschaften der Behälter sowie die verschiedene Preisgestaltung erschweren den Überblick.
Um der Verpflichtung zum Anbieten von Mehrwegverpackungen nachzukommen, hat der Betrieb die Wahl aus mehreren Optionen: Zum einen kann er eigene Mehrwegverpackungen aus Kunststoff, Glas und Co. einsetzen, das sogenannte Inselsystem. Das „Verbundsystem“ dagegen bedeutet, dass sich mehrere Betriebe zusammen Gefäße aus einem gemeinsamen Bestand teilen – damit auch die Kosten. Beim „Poolsystem“ arbeitet der Gastro-Betrieb mit einem Unternehmen zusammen, welches Verpackungen bereitstellt, und bezahlt diesem Nutzungskosten oder einen Mitgliedsbeitrag. Idealerweise wickelt dieser Dienstleister auch andere Bereiche ab wie die Reinigung. Das „Individualsystem“ schließlich meint, dass Kunden ihre eigenen Behälter mitbringen.
Wie funktioniert’s?
Manche Poolsystem-Anbieter arbeiten mit Pfand, andere mit einer App, die der Kunde installieren muss. Beide Varianten dienen der Sicherheit, dass Kunden die wertvollen Behältnisse auch zurückgeben. Bei der Rückgabe zeigt sich der Haken am Inselsystem aus Kundensicht: Hier können Behälter nur genau bei demjenigen gastronomischen Betrieb zurückgegeben werden, bei dem die Essensausgabe auch stattfand.
Bei der Verbund- oder Poolvariante dagegen können Kunden die Gefäße bei allen teilnehmenden Partnern zurückgeben. Dazu kommen Rückgabeboxen oder elektronische Rückgabeautomaten. Für den Gastronomen hat das Inselsystem ebenso einen Nachteil: Er ist selbst für die Reinigung der Mehrwegbehälter zuständig. Anders bei der Verbund- oder Poollösung, wo die Reinigung in einer zentralen Spülküche oder bei einem externen Spüldienst stattfindet.
Das steckt drin
Die meisten Anbieter von Mehrweg-Gefäßen setzen auf Kunststoffbehälter als Material, Tiffin Loop jedoch auf Edelstahl und Relevo auf Glas. Was die Preisgestaltung angeht, gibt es unter anderem monatliche Systemteilnahmepauschalen, Entgelt pro Behälternutzung, monatliche Nutzungs-pauschalen, umsatzbezogenes Nut zungsentgelt oder einen einmaligen Einstiegsbeitrag.
Auch was die Formen der Behältnisse angeht, unterscheiden sich die Angebote. Der Trend geht zu einer Flexibilität in der Verpackungsgestaltung, um so unterschiedlichen Gerichten wie Bowls, Pizza, Burgern, Grilltellern oder Sushi gerecht zu werden. Auch zwei- oder dreigeteilte Arrangements sind möglich. Beispielsweise, um warme und kalte Speisen in ein und derselben Box zu servieren. „Die Resonanz auf maßgeschneiderte Verpackungen ist sehr gut“, berichtet Sibylle Meyer, Geschäftsführerin des Unternehmens FairCup, zu dem auch FairBox gehört. Erleichtert wird das System dadurch, dass ein und derselbe Deckel auf alle Größen und Designs passt.
Es lohnt sich also, die Anbieter zu vergleichen, um sich ausrechnen zu können, welche Lösung die beste für den eigenen Betrieb ist. Die Website Esseninmehrweg.de bietet eine gute Vergleichsmöglichkeit, da sie die unterschiedlichen Handhabungen der großen Anbieter wie Julienne, Rebowl (Recup), Fairbox (Faircup), Relevo, Local to go, Vytal, Pfand-Box, Tiffin, Recircle und Co. aufzeigt.
Großhändler hilft bei Umstellung
Transgourmet unterstützt seine Kunden beim Aufbau eines eigenen Systems und bietet ihnen ein umfangreiches Sortiment an Mehrwegartikeln an. Dazu gehören unter anderem Schalen und Bowls, Becher, aber auch Thermoboxen und Besteck.
Die sogenannten Poolsysteme werden von einem Dienstleister zur Verfügung gestellt, der damit auch der Eigentümer der Behältnisse ist. Gastronomen können die Behältnisse gemäß ihrem Bedarf auswählen und gegen eine Gebühr für ihren Betrieb nutzen. Aus- und Rückgabe erfolgen entweder über ein Pfandsystem oder per App. Der Vorteil: Die Behälter können in allen teilnehmenden Betrieben zurückgegeben werden – auch städteübergreifend. Zu den Anbietern von Mehrwegpoolsystemen gehört zum Beispiel Relevo, seit Frühjahr 2022 auch ein Kooperationspartner von Transgourmet. Alle Behältnisse sind zu 100 % made in Germany und recycelbar. Die Abrechnung erfolgt im Pay-per-use-Verfahren.