Wir sind Integrations-Weltmeister
von Daniela MüllerIn der deutschen Systemgastronomie wird Multikulti täglich erfolgreich gelebt
Eine Chance im Berufsleben zu bekommen, auch wenn die Startposition schlecht scheint, ist heute wohl in keiner anderen Branche so wahrscheinlich wie in der Systemgastronomie. Das ist eine Entwicklung, die auch dank der Arbeit des BdS dem zunehmenden Fachkräftemangel entgegenwirkt.
Ob Schulabbrecher, Zuwanderer ohne Deutschkenntnisse oder Flüchtling – die Systemgastronomie offeriert die Aussicht auf eine Karriere mit Aufstiegschancen. Ein Angebot, das dankbar angenommen wird und zudem die besten Integrationserfolge verspricht. »Es macht uns beispielsweise sehr stolz, dass unsere Mitgliedsunternehmen rund 4.500 geflüchtete Menschen in Lohn und Brot bringen konnten«, so Andrea Belegante, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Systemgastronomie e.V. (BdS) mit Sitz in München. Da der Bewerbermangel gerade die Systemer in den vergangenen Jahren vor große Herausforderungen gestellt hat, erkannten die Unternehmer in den steigenden Flüchtlingszahlen vor allem eine willkommene Möglichkeit, der angespannten Situation auf dem Arbeitsmarkt entgegenzuwirken.
Als 2015 über eine Million Flüchtlinge nach Deutschland einreisten, erreichten den BdS unzählige Anfragen von Mitgliedern, die den Neuankömmlingen Jobs anbieten wollten. Doch dafür mussten zunächst rechtliche Hürden beseitigt werden. »Damals wusste wirklich noch niemand, wie man diese Menschen in Arbeit bringen darf und welche Genehmigungen dafür notwendig sind«, erklärt Andrea Belegante. Gemeinsam mit ihrer Vorgängerin, der damaligen BdS-Hauptgeschäftsführerin Valerie Holsboer, erarbeitete sie schließlich in echter Pionierarbeit einen Leitfaden mit dem Titel »Beschäftigung und Ausbildung Asylbewerber und Geduldete«, der von vielen Branchen als Blaupause für eigene Ratgeber hergenommen wurde. Heute ist aufgrund der ständigen rechtlichen Veränderungen bereits die 6. Auflage des Leitfadens in Arbeit.
Die Großen gehen voran
Auch dank des großen Engagements der Verbands-Juristen ist die Integration von geflüchteten Menschen und anderen Migranten in den meisten Betrieben heute bereits ein eingespielter Prozess. Gerade die Großen der Branche haben sich ohnehin schnell auf die Bedürfnisse der Neuzugänge aus aller Welt eingestellt. So beschäftigt etwa Burger King in Deutschland aktuell Menschen aus 77 Nationen. »Bei uns werden z.B. spezielle Trainings angeboten, um sprachliche Barrieren abzubauen, zudem legen wir großen Wert auf eine zusätzliche bildliche Darstellung innerhalb der Restaurants, um unseren Mitarbeitern den Einstieg so einfach wie möglich zu machen«, so Otmar Kure, Training Manager bei der Burger King Deutschland GmbH.
Bei Burger King heiße man jeden Menschen so willkommen, wie er ist, betont er. »Besonders freuen wir uns, dass viele Mitarbeiter ihre Chance nutzen, auch entsprechende Karrierechancen wahrnehmen und langfristig dem Unternehmen treu bleiben.
Positive Beispiele gibt es viele: etwa
Mitarbeiter, die als Teilzeitkraft oder Aushilfe angefangen haben und mittlerweile eine Manager-Position innehaben.«
Vom Tellerwäscher zum Restaurantleiter …
Solche Erfolgsgeschichten gibt es auch bei McDonald’s. Franchisenehmer Peter Bohnet ist der Inhaber der Filialen in Bad Mergentheim, Tauberbischofsheim, Lohr, Karlstadt und Wertheim. In seinen fünf Restaurants beschäftigt er rund 250 Mitarbeiter aus 30 Nationen. Besonders stolz ist er auf seinen Mitarbeiter Sarwar Noori. Der Kurde floh im Jahr 2000 aus dem Irak nach Deutschland, begann seine Karriere ohne jegliche Sprachkenntnisse bei der Fast-Food-Kette und hat sich mittlerweile vom einfachen Mitarbeiter bis zur Position des Restaurantleiters in Bad Mergentheim hochgearbeitet.
Doch es ist nicht nur seine Management-Position, die Sarwar Noori auszeichnet. »Wie ihm damals geholfen wurde, hat er niemals vergessen. Heute will er all seine guten Erfahrungen weitergeben und engagiert sich sehr für die Integration neuer Mitarbeiter«, so Peter Bohnet. »Er hat einen exzellenten Draht zur Stadtverwaltung, kümmert sich z.B. um die Wohnungssuche und ist mittlerweile bei uns der absolute Experte bei allen Fragen rund um das Thema Integration.«
Starthilfe ist ein Muss
Peter Bohnet ist überzeugt, dass es sich lohnt, in jeden Menschen zu investieren, der mit Ehrgeiz und dem notwendigen starken Willen in unser Land kommt. Als er vor einigen Jahren feststellen musste, dass er seinen Personalbedarf nicht mehr durch inländische Kandidaten decken konnte, begann er, in der Region Wertheim Häuser zu kaufen, um die im Ausland rekrutierten bzw. zugewanderten Mitarbeiter in ordentlichen Wohnungen unterbringen zu können.
Doch natürlich gehört noch jede Menge mehr als eine Unterkunft zu einem Neustart in Deutschland. »Unsere Restaurantleiter stehen den neuen Mitarbeitern zur Seite, und jeder bekommt einen Paten, eine Vertrauensperson, an die er sich jederzeit wenden kann. Von der Anmeldung über Behördengänge bis hin zur Kontoeröffnung bei der Bank – niemand ist auf sich alleine gestellt«, erklärt der Franchisenehmer. Doch trotz aller Hilfe, so gibt er zu bedenken, schafft es natürlich nicht jeder, die notwendige Disziplin aufzubringen und im Berufsalltag zu bestehen. »Aber wer wirklich will, der ist bei uns in besten Händen.«
Berufsbild der Personaler hat sich stark verändert
Dass die hohe Anzahl von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund in der Systemgastronomie das Tätigkeitsprofil der Personalverantwortlichen nachhaltig verändert hat, davon kann Tom Lichtenstein, Senior Manager Young Talents bei Vapiano, ein Lied singen. Er ist bei der Restaurantkette verantwortlich für die rund 115 Auszubildenden und dualen Studenten. »In den vergangenen Jahren ist der Anteil der Bewerber und Azubis aus aller Welt stark gestiegen«, berichtet er. Vor acht Jahren startete er als Quereinsteiger bei Vapiano an der Bar. Nach seinem dualen Studium war er erst Betriebs-, dann Gebietsleiter und verantwortlich für die Eröffnung neuer Restaurants. Schließlich bot ihm die Personalleitung eine neu geschaffene Stelle an – quasi als Schnittstelle für alle Fragen rund um die Ausbildungsbetreuung.
»Ich bin aber nicht dafür da, alle Probleme zu lösen, vielmehr helfe ich meinen Schützlingen dabei, ihre Probleme möglichst selbst zu lösen«, stellt Lichtenstein klar. »Das können so simple Fragen sein wie: Wie kommuniziere ich meinem Betriebsleiter meine Dienstplanwünsche? Aber auch die Kommunikation mit den Behörden gehört dazu.« Den Restaurantleitern steht er ebenso mit Rat und Tat beiseite, wenn Probleme auftreten. »Mein Job ist wahnsinnig vielschichtig, da jeder Einzelfall individuelle Fragen aufwirft.« Dazu komme, berichtet er, dass viele Azubis mit Migrationshintergrund einen ausgeprägt stolzen Charakter hätten – und sich schlichtweg oft davor scheuten, sich mit ihren Fragen an den Betriebsleiter zu wenden. Oft würde die Wichtigkeit von Briefen, die eintreffen, einfach unterschätzt – dann muss er den Karren aus dem Dreck ziehen.
»Ich bin für unsere Azubis einfach eine Vertrauensperson, die weiterhelfen und gegebenenfalls vermitteln kann«, so Lichtenstein. Seine Hilfe wird mit viel Dankbarkeit belohnt. »Ich freue mich sehr, wenn ich zum Beispiel an Weihnachten die Kekse geschenkt bekomme, die meine Azubis in der Schule gebacken haben. Das zeigt mir, dass ich ein Stück weit Familienersatz für die jungen Menschen geworden bin.«
Geschichten, die bewegen
Hin und wieder bewegen ihn die Schicksale seiner Azubis ganz persönlich: So wie das von Yakhouba Touré, der schon 31 Jahre alt und ganz alleine in Deutschland ist, weil seine Familie nicht aus der Heimat nachziehen kann. Als er kürzlich bei den Talent Days des Unternehmens eine Reise nach Wien gewonnen hatte, setzte Lichtenstein alle Hebel in Bewegung, um dem jungen Mann dieses Abenteuer zu ermöglichen. Zwei Anwälte konnten nicht helfen, er scheiterte an den Gesetzen, die es Touré zwar erlaubt hätten, nach Wien zu reisen – eine Erlaubnis zur Rückkehr nach Deutschland konnte jedoch nicht garantiert werden. Zwar wandelte Va-piano den Preis kurzerhand in eine Deutschland-Tour um, doch die Enttäuschung über die starren Regelungen, die nicht einmal in so einem Fall eine Ausnahme erlauben, bleibt.
Neben Rückschlägen wie diesen gibt es für Tom Lichtenstein immer wieder viel Grund zur Freude. Einer davon heißt Atdhe Metaj und kommt ursprünglich aus dem Kosovo. Mit drei Jahren kam er als Flüchtling nach Deutschland, musste aber im Alter von 13 Jahren gemeinsam mit seinen Eltern in seine Heimat zurückkehren – die eigentlich gar nicht mehr seine Heimat war. Trotz höherem Schulabschluss und angefangenem Jura-Studium im Kosovo träumte Metaj immer nur davon, wieder in Deutschland leben zu können. Als in den Semesterferien nach Freiwilligen für eine 3-monatige Ferienbeschäftigung bei Vapiano gesucht wurde, zögerte er nicht. Aus dem Ferienjob wurde am Ende eine neue Zukunft: Er heuerte für eine Ausbildung an, um eine Arbeitserlaubnis und ein Bleiberecht zu bekommen. Und er startete durch. Vor zwei Wochen hat er erfolgreich seine Ausbildung abgeschlossen und arbeitet nun bereits als Schichtleiter für Vapiano.
»Ich bin sehr stolz auf das, was ich erreicht habe. Als ich das erste Mal hier war, dachte ich, wow, was für ein großes Restaurant. Und heute habe ich hier die Schichtleitung und bin verantwortlich dafür, dass 40 Leute während meiner Schichten einen guten Job machen«, so Metaj. Doch ohne die entsprechende Motivation wäre das alles nicht möglich gewesen, ist er sich sicher. »Ich habe Kollegen von damals, die heute noch in der gleichen Position arbeiten, weil sie eben nicht so ehrgeizig waren.«
Manchmal ist besonderer Einsatz gefragt
Auch Frauke Petersen-Hanson, die aktuell als McDonald’s-Franchisenehmerin sechs Betriebe in Hamburg und Niedersachsen betreibt, kann sich einen Geschäftsalltag ohne ihr multikulturelles Team, in dem 17 Nationen erfolgreich zusammenarbeiten, nicht mehr vorstellen. Dass ihre Mitarbeiter sich zu einhundert Prozent auf sie verlassen können, hat die Unternehmerin bereits mehrfach bewiesen, etwa wenn es Stress mit den Behörden gab. Wie im Fall des Ehepaars Fatemeh und Reza Sadeghi, die nach zehn Jahren in Deutschland mit Festanstellung und Wohnung zwar perfekt integriert waren – und dennoch in ihr Heimatland Afghanistan abgeschoben werden sollten.
Wie eine Löwin kämpfte Petersen-Hanson, engagierte eine Anwältin, wandte sich an die Politik und die Presse. Tatsächlich schaffte sie es, dass das Widerrufsverfahren hinsichtlich des Abschiebeverbots der beiden eingestellt wurde und sie ihren Duldungsstatus behalten konnten. »Gerade ist das Ehepaar dabei, sich durch einen Integrationskurs die Vorstufe zur Einbürgerung zu sichern. Wenn das geschafft ist, werden sie sich für die Einbürgerung bewerben und können dann endlich in Frieden hier in ihrer neuen Heimat leben.«
Starke Loyalität ist täglich zu spüren
Herausforderungen wie diesen müssen sich Arbeitgeber in der Systemgastronomie immer wieder stellen. »Man ist eben auch irgendwie Bürokratie-Helfer«, so Petersen-Hanson. In ihren Restaurants leistet die Office-Managerin zusätzliche HR-Services wie die Begleitung bei Behördengängen oder die Unterstützung bei der Wohnungssuche, wo ausländische Kandidaten noch immer oft mit Vorurteilen von Vermietern konfrontiert werden. »All das verursacht natürlich Extra-Kosten, die wir aber gerne in Kauf nehmen. So können wir unseren internationalen Mitarbeitern nicht nur einen Job, sondern eine echte Perspektive bieten, sich eine Existenz aufzubauen.« Ohne diese Starthilfe, da ist sich die Unternehmerin sicher, würden viele neu gewonnene Mitarbeiter schnell wieder das Handtuch werfen.
Besonders erfreulich für sie als Arbeitgeberin sei zudem, dass sie die starke Loyalität ihrer Mitarbeiter Tag für Tag aufs Neue spüren könne. »Die ist gewachsen mit den vielen Herausforderungen, die man von Beginn an gemeinsam meistern muss.« Zu guter Letzt seien zufriedene Mitarbeiter auch die beste Recruiting-Maßnahme, denn die guten Aussichten für arbeitswillige Bewerber sprechen sich in den Familien der Mitarbeiter schnell herum.
Für Frauke Petersen-Hanson steht jedenfalls fest, dass sie auch zukünftig Menschen, egal woher sie stammen, in ihren Betrieben Karrierechancen eröffnen will. »Am Ende ist McDonald’s nur ein Abbild unserer Gesellschaft – und die wird einfach multikultureller. Für mich – wie für viele andere Arbeitgeber unserer Branche – ist es ganz selbstverständlich, dass wir diese Entwicklung annehmen und leben.«